ich möchte die Gelegenheit des Forums nutzen und eine gewagte Frage stellen: Waren die Menschen früher klüger? Abgesehen von einem Genie wie Mozart, welches bereits mit vier Jahren große Werke komponierte, kann man das Augenmerk auf beispielsweise Schiller oder Georg Büchner richten, die beide bereits in ihren frühen Zwanzigern auf jeweils ihre eigene Art und Weise Meister des geschriebenen Wortes waren. Auch beim Lesen anderer jugendlicher Verfasser (wenn sie auch keinen Weltruhm erlangten), lässt sich doch ein gewählterer Ausdrucksstil erkennen. Obwohl uns heutzutage mehr Informationen denn je zugänglich sind, (die Menschen könnten noch viel mehr lernen und wissen, als jeder Schriftsteller und Wissenschaftler vergangener Epochen) vermisst man doch Inhalt und Form schmerzlich bei dem, was die Leute so von sich geben. Wo also, ist der mögliche Anspruch?
Es grüßt
Herr Karamasow
Re: Waren die Menschen früher klüger?
Lieber Herr Karamasow, Ihr Posting lässt mir ja keine Ruhe, und nun sag ich doch mal etwas dazu:
Ich behaupte:
würde Mozart in der heutigen Welt geboren worden sein, er komponierte vermutlich seine Musik am PC und wäre neben 50cent ein Rapper geworden
Van Gogh würde statt Blümchen malen, Graffities an Wände sprühen (und wäre dafür vermutlich schon mehrfach verhaftet worden), und
Büchner und Schiller hätten ihre eigenen Blogs und wären vermutlich nur passive Gegner der Rechtschreibreform
Jede Kunst hat seine Zeit, und auch ich trage die "alten Meister" in meinem Herzen, aber wenn wir die Künstler der Gegenwart mit dem Vorurteil der "alten Sicht" betrachten, werden wir ihnen nicht gerecht, schlimmer noch: WIR sind es, die stehenbleiben und aufs Abstellgleis rollen (wie fanden Ihre Eltern die Beatles oder die Rolling Stones? Erinnern Sie sich noch?)
Auch die Sprache verändert sich, natürlich, denn Sprache ist ein Ausdruck der Gegenwart und dazu da, diese auszudrücken. Ich verstehe genau, was Sie, Herr Karamasow, sagen wollen, und auch ich kenne die Wehmut über den Verlust der "alten Sprache", aber es ist schon unglaublich kreativ, wie sich Kids z.B. international in Onlinegames unterhalten. "G2G" z.B. kennt jedes Kind, das sich dort unterhält (got to go = muss los).
Bei aller Wehmut habe ich beschlossen, es wird etwas Gutes sein in diesen Entwicklungen und versuche, meine Sicht dementsprechend anzupassen und auch das Positive darin zu sehen.
Empfehle ich Ihnen auch - Sie würden staunen, was Sie alles finden können!
So, nun sind Sie dran!
Lieber Gruß, hope
********************************* die Hoffnung stirbt zuletzt
Re: Waren die Menschen früher klüger?
Vielen Dank für die Antwort, Hope. Natürlich kann man es so sehen, dass die Jugend mit ihrer Ausdrucksweise gewissermaßen die Sprache bereichert; und so wie ein bekannter Schriftsteller und Soziologe unserer Tage schreibt, blieben am Ende die sinnvollen Wörter übrig, die sinnlosen würden hingegen wieder verworfen. Dennoch habe ich auch die Sprache und Ausdrucksweise an sich hinterfragt, nicht, wie Sie antworten das Medium, welches diese transportiert. In dieser Hinsicht bin ich der Meinung: Das (oberflächliche) Kommunikationsmittel entschuldigt nicht seinen miserablen Inhalt.
Iwan der Schreckliche
Re: Waren die Menschen früher klüger?
Lieber Herr Karamasow, da haben Sie mich leider missverstanden! Meine Antwort bezog sich durchaus NICHT auf das Medium, welches Sprache/Kultur transportiert, sondern auf die Sprache/Kultur als solches.
Sie beklagen in Ihrem Posting den - in Ihren Augen - Niedergang der Sprachkultur, trauern dem Ausdrucksstil Büchners und Schillers hinterher. Dies sei Ihnen unbenommen. Gleichzeitig äußern Sie sich (ent-)wertend über den heutigen Sprachstil - auch dies sei Ihnen unbenommen, wenn Sie - subjektiv gesehen - nichts damit anfangen können.
Daraus aber eine Verallgemeinerung zu machen und - im Umkehrschluss - zu fragen, ob die Menschen heute dümmer seien als damals.... DAS halte ich für falsch! Auch damals hatte sicher das Gros der Menschen einen schlichteren Ausdrucksstil als Büchner und Schiller, Mozart wurde in seiner Zeit sicher lange nicht als Genie wahrgenommen. Genauso ist es heute, denke und behaupte ich
Wer weiss schon, welcher Künstler von heute in 100 Jahren als Genie bezeichnet wird? 50 cent? Fettes Brot? Atonale Musik (graus;)?, Heino (nochmehrgraus, lach:)?
SIE mögen manche Inhalte - ganz subjektiv, wohlgemerkt, und oft teile ich sicher Ihre Meinung - als miserabel bezeichnen, aber wie empört waren die Menschen damals über Mozarts Opern? Kann es nicht sein, dass es heute genauso ist? Dass unser Geist - Ihrer und meiner - nicht in der Lage sein kann, Genies von heute HEUTE zu erkennen?
Und den Ausdrucksstil der schriftstellerischen Genies von damals kann man sicher nicht auf die allgemeine Masse übertragen und deren Klugheit daran messen - auch damals nicht!
Was MIR allerdings auffällt - und ich hoffe, Sie lassen sich auf meine Gedanken ein - ist, dass viele Worte, Sätze und Themen von "damals" einfach nicht besser gesagt werden können. Ewige Themen werden versucht in neue Worte zu kleiden (so es sich um intellektuell genug gebildete Verfasser handelt), aber die Inhalte scheinen ewig - und das wiederum finde ich sehr beruhigend
In diesem Sinne, hope
********************************* die Hoffnung stirbt zuletzt
Re: Waren die Menschen früher klüger?
Ich würde mich gerne einschalten in diese Diskussion und auch wie hope den Faktor des Zeitalters der Massenmedien nehmen, da heute natürlich viel mehr Reize auf den Menschen einwirken. Dadurch ist der Mensch meiner Meinung nach viel länger damit beschäftigt, dieses immense Material einzuordnen und zu sortieren, ohne wirklich mehr Zeit zu haben, selber etwas kreatives zu schaffen. So hat man vielleicht nicht mehr wie Schiller damals die Möglichkeit zehn Stunden am Stück an seinem Schreibtisch zu sitzen und an einer Kunst zu arbeiten. Zudem ist es finde ich in der heutigen Zeit schwerer geworden, als Individuum in einer Wissensgesellschaft wie heute heraus zu ragen, um zum Beispiel Literaturströmungen zu verändern. Dies ist meinem Empfinden nach ein Paradoxon, dass man trotz modernster Medienmöglichkeiten nicht die Möglichkeit mehr hat, die gegenwärtigen Zustände zu gestalten und sein Wissen in der Gesellschaft einzubringen. Das sind meine Gedanken zu dem Thema, viel Spaß beim weiteren diskutieren Gruß Hauke
"Es irrt der Mensch, so lang er strebt!"
Re: Waren die Menschen früher klüger?
Hi Hauke, ich stimme Deinem Gedanken:
"Zudem ist es finde ich in der heutigen Zeit schwerer geworden, als Individuum in einer Wissensgesellschaft wie heute heraus zu ragen, um zum Beispiel Literaturströmungen zu verändern."
absolut zu.
Insgesamt wäre aber doch zu klären, 1. was verstehen wir unter dem Begriff "Klugheit" und 2. wird man durch Massenmedien "klüger"? Für mich hat Klugheit viel mit Herzensbildung zu tun - und die erwirbt man recht schwer. Und die von Iwan angeführten Persönlichkeiten hatten das Glück und die Fähigkeit, diese Klugheit auch noch in Form von Kunst unter das Volk zu bringen. Es gibt sie bestimmt noch, diese Genies, aber sie gehen halt unter, das stimmt schon.
Weiter schreibst Du: "ein Paradoxon, dass man trotz modernster Medienmöglichkeiten nicht die Möglichkeit mehr hat, die gegenwärtigen Zustände zu gestalten und sein Wissen in der Gesellschaft einzubringen"
Dem widerspreche ich hier mal, aus aktuellem Erfahrungshintergrund. Die modernen Medienmöglichkeiten (meine das Internet) können sehr wohl dazu beitragen die gegenwärtigen Zustände zu gestalten! Ich nutze sie z.B. um mich zu informieren, mir eine Meinung zu bilden. Ich netzwerke, sowohl beruflich als auch privat, ziehe mir Wissen da raus und bringe meines z.B. in verschiedenen Foren ein. Für heutige "Kunstformen" würde ich z.B. youtube ins Spiel bringen wollen. Klar ist da viel Schrott, aber schau, selbst die Berlinale hat einen virtuellen Videofilmwettbewerb gestartet. Man macht seine "Kunst" (ohne inhaltliche Wertung, Iwan ) viel mehr Menschen zugänglich.
Na, das für hier und heute Lieber Gruss, hope
********************************* die Hoffnung stirbt zuletzt
Re: Waren die Menschen früher klüger?
Hallo hope ja da gebe ich dir recht hab mich da ein bisschen undifferenziert ausgedrückt Gruß Hauke