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Bundesgerichtentscheid über anhörung der Kinder bei Scheidung

Bundesgerichtentscheid über anhörung der Kinder bei Scheidung

Scheidungskinder ab Sechs müssen angehört werden

Ein Richter muss Kinder ab sechs Jahren anhören, wenn er bei Scheidung oder Trennung der Eltern Anordnungen über die Kinder trifft. Diesen Grundsatzentscheid hat das Bundesgericht gefällt.


Aus wichtigen Gründen kann der Richter allerdings von einer Anhörung absehen.

Konkret hatte das Bundesgericht einen Fall aus dem Kanton Aargau zu beurteilen. Bei der Scheidung der Eltern im Jahr 1999 wurden die beiden Töchter - heute acht und neun Jahre alt - unter die elterliche Sorge des Vaters gestellt, weil die Mutter damals ein Drogenproblem hatte und mit der Erziehung der Kinder überfordert gewesen wäre. Inzwischen hat sich die Mutter allerdings wieder gefangen und hat einen neuen Partner, mit dem sie einen gemeinsamen Sohn hat.

Vor drei Jahren verlangte die Frau die Zuteilung der beiden Töchter und forderte das Gericht auf, die beiden Kinder anzuhören. Das Obergericht des Kantons Aargau hörte die Kinder nicht an und wies die Klage Ende November 2004 ab. Das Bundesgericht hat nun aber eine dagegen eingereichte Berufung gutgeheissen und die Aargauer Justiz aufgefordert, die beiden Mädchen anzuhören und dann neu über die Zuteilung zu entscheiden.

Erstmals hat das Bundesgericht klar erklärt, ab welchem Alter Kinder in solchen Situationen anzuhören sind. Im Sinne einer Richtlinie haben die Lausanner Richter entschieden, dass die Kinderanhörung grundsätzlich ab dem vollendeten sechsten Altersjahr möglich ist. Indes schliesst das Bundesgericht nicht aus, dass sich auch die Anhörung eines etwas jüngeren Kinds aufdrängen könnte, etwa wenn von mehreren Geschwistern das jüngste kurz vor dem Schwellenalter von sechs Jahren steht.

Eine Anhörung der Kinder bleibt aber weiterhin dann ausgeschlossen, wenn wichtige Gründe gegen eine Anhörung sprechen. Dies ist etwa bei begründetem Verdacht auf Repressalien gegenüber dem Kind der Fall, oder wenn die Gesundheit des Kinds durch die Anhörung beeinträchtigt wird. Nach Meinung des Bundesgerichts wäre es auch sinnlos, ein Kind anzuhören, das geistig behindert oder in seiner Entwicklung zurückgeblieben ist, so dass seinen Ausführungen kein Aussagewert beigemessen werden könnte. Unzulässig wäre es aber, auf die Anhörungen mit dem - nicht weiter belegten - Vorwand zu verzichten, dem Kind solle die Belastung erspart werden.


(Urteil 5C.63/2005 vom 1. Juni 2005)

Quelle: AP



Re: Bundesgerichtentscheid über anhörung der Kinder bei Scheidung

siehe www.bundesgericht.ch  --> rechtsprechung --> urteile ab2000: neuheiten --> 28 07 2005  --> 01.06.2005 5C.63.2005

allgemein interessant in der thematik sorgerechtsänderung, weil etwas anders, als der obige titel verspricht.