Vor 15 Jahren...
Vor 15 Jahren: Die militärische Intervention der NATO in der Bundesrepublik Jugoslawien
Am 24.03.1999 begann die
NATO wegen des ausufernden Kosovo-Konflikts ohne völkerrechtlich
legitimierenden Beschluss durch den Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen eine militärische Intervention in der Bundesrepublik
Jugoslawien (Serbien und Montenegro). Völkerrechtlich umstritten wurde
diese Intervention als humanitäre Intervention aufgrund schwerer
Menschenrechtsverletzungen durch die jugoslawischen und serbischen
Sicherheitskräfte gerechtfertigt. Infolge dieser Intervention kam das
Kosovo aufgrund der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom
10.06.1999 unter einer vorübergehenden Verwaltung durch die Vereinten
Nationen (UN). In der Präambel dieser Resolution wird die territoriale
Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien bekräftigt und der zukünftige
Status des Kosovos offen gelassen. Nach dem die serbisch-kosovarischen
Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovo aufgrund ihrer
gegensätzlicher Positionen keine Lösung brachten, erklärte das Kosovo am
17.02.2008 einseitig seine Unabhängigkeit und wird seitdem von über 100
Staaten völkerrechtlich anerkannt. Serbien erkennt das Kosovo bisher
nicht als unabhängigen Staat an und betrachtet das Kosovo weiterhin als
völkerrechtlichen Bestandteil Serbiens. Diese Auffassung vertreten
ebenfalls unter anderen die Russische Föderation, die Volksrepublik
China und fünf EU-Mitgliedsstaaten, darunter Griechenland. Trotz der
bereits erfolgten serbisch-kosovarischen Annäherung muss eine endgültige
Klärung noch herbeigeführt werden. Aufgrund der NATO-Intervention in
der Bundesrepublik Jugoslawien sollen nach Schätzungen etwa 3.500
Menschen getötet und etwa 10.000 Menschen verletzt worden sein. Auch 15
Jahre nach diesem Krieg sind die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur
in Serbien noch sichtbar.
Hintergründe zum Kosovo-Konflikt
Ausführlich wird auf den zugrunde liegenden Kosovo-Konflikt und seine Geschichte in dem Artikel "Vor 5 Jahren: Das Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit
eingegangen. Das mehrheitlich albanisch besiedelte Kosovo kam in Folge
der Balkankriege (1912/13) zu Serbien. Für Serbien hat das Kosovo vor
allem historische Bedeutung, denn das Kosovo gilt dort als Wiege der
serbischen Nation. Die verlorene Schlacht der Serben gegen die
osmanischen Eroberer des Balkans am 28.06.1389 auf dem Amselfeld
begründete einen Mythos, der bis heute den serbischen Nationalismus
prägt. Entsprechend wurde die albanische Bevölkerung im Kosovo aus Sicht
Serbiens als Fremdkörper angesehen und unterdrückt. Die Albaner im
Kosovo strebten ihrerseits die Vereinigung mit dem seit dem 28.11.1912
unabhängigen Staat Albanien an. Das Schicksal der Albaner außerhalb
Albaniens begründete die albanische Frage, die bis heute nachwirkt. Im
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bzw. dem Königreich
Jugoslawien von 1918 bis 1941 hatten die Albaner im Kosovo keinerlei
Autonomie und wurden weiterhin unterdrückt. Im Zweiten Weltkrieg wurde
unter italienischer Vorherrschaft unter Einschluss der albanischen
Siedlungsgebiete Serbiens einschließlich dem damals zu Serbien
gehörenden Teil Makedoniens von 1941 bis 1944 ein Großalbanien bzw. ein
ethnisches Albanien geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die
alten Vorkriegsgrenzen allerdings wieder hergestellt und das Kosovo kam
wieder zu Serbien. Im Rahmen der Volksrepublik Serbien als Teil der
Föderativen Volksrepublik Jugoslawien erhielt das Kosovo eine formelle
Autonomie, die bis Ende der 60er Jahre faktisch kaum umgesetzt wurde.
Ende der 60er Jahre und vor allem aufgrund der jugoslawischen
Verfassungsrevision von 1974 erhielt das Kosovo dann auch tatsächlich
eine weitgehende Autonomie. Der Status des Kosovo als Sozialistisch
Autonome Gebietskörperschaft war trotz der formellen Zugehörigkeit zur
Sozialistischen Republik Serbien vergleichbar mit dem einer
jugoslawischen Republik. Die Verfassung der Sozialistisch Föderativen
Republik Jugoslawien (SFRJ) definierte das Kosovo sowohl als Subjekt
der jugoslawischen Föderation als auch als autonomer Bestandteil
Serbiens. Serbien sah in dem hohen Grad der Autonomie der sozialistisch
autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) eine
Beschneidung seiner Staatlichkeit. Vor allem ab Mitte der 80er Jahre
nahm der Konflikt um den Status des Kosovo bzw. zwischen albanischen
Kosovaren und Serben wieder an Schärfe zu. Serbien wollte einerseits die
Autonomie des Kosovos wieder zurückschrauben, anderseits gab es im
Kosovo Kräfte, die die Umwandlung Kosovos in eine Sozialistische
Republik im Rahmen der SFRJ verlangten. Unter dem serbischen Präsidenten
Slobodan Miloević konnte sich dann ab 1989 der serbische Nationalismus
frei entfalten. In verfassungsrechtlich umstrittener Weise wurde die
Autonomie des Kosovos von Februar 1989 bis zum Erlass einer neuen
serbischen Verfassung am 28.09.1990 schrittweise aufgehoben. Die
albanischen Kosovaren proklamierten im Rahmen der jugoslawischen
Föderation am 02.07.1990 zunächst die Unabhängigkeit von Serbien und
erklärten das Kosovo durch den Erlass einer neuen Verfassung am
07.09.1990 zu einer (siebten) Republik der SFRJ. Zum Präsidenten
dieser Republik wurde Ibrahim Rugova gewählt. Seitdem bauten sich im
Kosovo parallele staatliche Strukturen auf. Die albanischen Kosovaren
erkannten die jugoslawischen bzw. serbischen staatlichen Strukturen
nicht an und die Serben die albanisch-kosovarischen Strukturen nicht,
duldeten sie jedoch weitgehend. Nach dem Zerfall der SFRJ in den Jahren
1991/92 proklamierten die beiden letzten zur SFRJ gehörenden Republiken
Serbien und Montenegro am 27.04.1992 die Bundesrepublik Jugoslawien
als Nachfolgestaat der SFRJ. Die albanischen Kosovaren nahmen diese
Proklamation bereits nicht mehr zur Kenntnis und boykottierten diesen
neuen Staat weitgehend. Bereits am 26.09.1991 stimmten in einem
Referendum über 90 Prozent der albanischen Kosovaren für die
völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovos. Bei den kosovarischen
Parlamentswahlen im Mai 1992 gewann die Demokratische Liga des Kosovo
(LDK) unter dem Vorsitz von Ibrahim Rugova, der wieder Präsident des
Kosovo wurde, die Wahlen. Er und die LDK standen für einen friedlichen
und passiven Widerstand, vergleichbar mit dem damaligen Widerstand von
Mahatma Gandi in Indien. Zunächst war der Widerstand der albanischen
Kosovaren gegen das serbische Regime im Kosovo friedlich und passiv. In
der internationalen Gemeinschaft war die Kosovo-Frage seinerzeit kein
großes Thema. Dauerhaft war dieser passive Widerstand jedoch umstritten,
da er das Problem um die staatsrechtliche Zukunft des Kosovo nicht
löste. Die wirtschaftliche Entwicklung des schon ohnehin sehr armen
Kosovo litt stark unter diesem Zustand. Ohne Zuwendungen von albanischen
Kosovaren, die im Ausland arbeiteten, war das Kosovo nicht lebensfähig.
Dauerhaft führte der Status quo zu einer wachsenden Spannung innerhalb
der kosovarischen Gesellschaft, da sie sich eine normale Zukunft und
eine prosperierende Wirtschaft wünschten. In Folge dessen ging der
gewaltlose Widerstand in einen bewaffneten Konflikt über, der zwischen
der Befreiungsarmee des Kosovo UCK auf der einen Seite sowie
jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite
ausgetragen wurde.
Im Vorfeld der NATO-Intervention
Im April 1996 wurden nach der Erschießung eines albanischen Kosovaren
fünf Serben, darunter ein serbischer Polizist, von der bis dahin
unbekannten UCK (Befreiungsarmee des Kosovo) erschossen. Damit trat
die UCK zum ersten Mal in Erscheinung. Im November 1997 trat sie bei dem
Begräbnis eines von Polizisten erschossenen albanisch-kosovarischen
Lehrers erstmals in der Öffentlichkeit auf. Im März 1998 brach der
bewaffnete Konflikt zwischen der UCK auf der einen Seite und den
serbischen und jugoslawischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite
offen aus. Es kam zu ersten Massakern mit vielen Opfern. Die
internationale Staatengemeinschaft wurde auf dem Konflikt aufmerksam,
doch lehnten die serbischen Bürger bei einem Referendum im April 1998
jede internationale Vermittlung in diesem Konflikt ab. Im Juli 1998 nahm
die UCK erstmals für wenige Tage eine kosovarische Stadt ein, die
Rückeroberung durch jugoslawische und serbische Sicherheitskräfte
forderte rund 100 Tote. Zwischen Juli und Oktober 1998 fand eine
umfangreiche Offensive der serbischen Polizei und der jugoslawischen
Armee im Kosovo statt, bei der die gesamte Kontrolle über das Kosovo
zurückerobert, mehrere hunderttausend Menschen vertrieben und über 100
Dörfer zerstört wurden. Im Oktober 1998 verpflichtete sich der damalige
jugoslawische Präsident Slobodan Miloević unter Androhung eines
NATO-Luftangriffs zu einem Rückzug der Sicherheitskräfte aus dem Kosovo.
Zur Überwachung dieses Rückzugs und eines Waffenstillstands sollten bis
zu 2000 unbewaffnete OSZE-Beobachter im Kosovo stationiert werden. Doch
im Dezember 1998 brach der Konflikt zwischen der UCK und den
jugoslawischen bzw. den serbischen Sicherheitskräften erneut aus, bei
dem immer mehr Einheiten der jugoslawischen Armee und der serbischen
Sonderpolizei in das Kosovo verlegt wurden. Unter dem Druck der
Ereignisse wurden Vertreter der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. der
jugoslawischen Republik Serbien und der albanischen Kosovaren zu
Verhandlungen gezwungen, die am 16.02.1999 im französischen Rambouillet
bei Paris begannen. Am 17.03.1999 unterschrieb die Delegation der
albanischen Kosovaren ein Abkommen, wonach der Kosovo als
völkerrechtlicher Bestandteil der jugoslawischen Republik Serbien eine
umfassende Autonomie erhalten sollte, die vergleichbar mit dem
Autonomiestatus des Kosovo von 1974 gewesen wäre. Die UCK sollte gemäß
diesem Abkommen entwaffnet werden und NATO-Truppen für die Sicherheit im
Kosovo sorgen. Die jugoslawisch-serbische Delegation stimmte dem
Autonomiestatus des Kosovo grundsätzlich zu, nicht jedoch dem
vorliegenden Plan zur Stationierung von NATO-Truppen. Diese hätten sich
nicht nur im Kosovo sondern im ganzen Territorium der Bundesrepublik
Jugoslawien frei und uneingeschränkt bewegen dürfen, was als
unverhältnismäßige Einschränkung der Souveränität der Bundesrepublik
Jugoslawien abgelehnt wurde. Die jugoslawisch-serbische Delegation
unterschrieb das Abkommen somit nicht. Zuletzt versuchte US-Diplomat
Richard Holbrooke den damaligen jugoslawischen Präsidenten am 19.03.1999
vergeblich zum Einlenken zu bewegen. Am 23.03.1999 gab
NATO-Generalsekretär Javier Solana den Einsatzbefehl für die Operation
Alliet Force (sinngemäß übersetzt: Unternehmen Bündnisstreitmacht).
Bereits am 13.10.1998 hatte der Nordatlantikrat, das höchste
Entscheidungsgremium der NATO, den NATO-Generalsekretär autorisiert den
Befehl für Luftangriffe zu geben. Am Abend des 24.03.1999 gaben Javier
Solana und NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark den Beginn der Operation
öffentlich bekannt.
Die NATO-Intervention in der Bundesrepublik Jugoslawien
Die NATO startete am 24.03.1999 ohne durch den Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen dazu legitimiert zu sein ihre Luftangriffe gegen die
Bundesrepublik Jugoslawien. Zwischen 19 Uhr 41 und 3 Uhr 30 des darauf
folgenden Tages bombardierten etwa 200 Flugzeuge zahlreiche Ziele auf
dem gesamten Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien. Außerdem wurden
rund 50 Lenkwaffen eingesetzt. Zunächst war die Ausschaltung der
jugoslawischen Luftverteidigung und der Kommando-, Kontroll- und
Kommunikationszentren der Streitkräfte Jugoslawiens (Vojska Jugoslavija,
VJ) das vorrangige Ziel der NATO-Luftangriffe. Aufgrund der
NATO-Angriffe wurde innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien der
Kriegszustand ausgerufen und die Streitkräfte Jugoslawiens
teilmobilisiert. Die jugoslawische Luftwaffe versuchte zunächst mit fünf
MIG-29 Kampfflugzeugen der NATO-Luftstreitmacht zu begegnen, wurde
jedoch von einem großen Aufgebot an NATO-Abfangjägern gestellt. Alle
fünf MIG-29-Kampfflugzeuge wurden im Verlauf der Luftkämpfe
abgeschossen, wobei ein Pilot ums leben kam. Aufgrund der geringen
Einsatzbereitschaft der jugoslawischen MIG-29-Kampfflugzeuge wurden
weitere Flüge zur Luftabwehr bis auf weiteres nicht mehr durchgeführt.
Neben dem Jagdgeschwader bestand die integrierte Luftverteidigung der
Streitkräfte Jugoslawiens aus der 250. Raketenbrigade. Diese verfügte
zwar hauptsächlich über militärisch veraltetes Gerät, dafür jedoch in
großer Anzahl. Am 27.03.1999 konnte die jugoslawische Flugabwehr mit dem
Flugabwehrraketensystem S-125 Newa ein Tarnkappenflugzeug vom Typ
F-117A der Vereinigten Staaten abschießen. Der Pilot der F-117A konnte
sich mit dem Schleudersitz retten und wurde noch in der Nacht des
Abschusses von Spezialeinheiten der US-Luftwaffe gerettet. Dieser
Abschuss war ein taktischer Erfolg für die jugoslawische Flugabwehr und
führte zu einem operativen Strategiewechsel bei der NATO. In Folge
dessen wurden die Sicherheitsbestimmungen für die weiteren Luftangriffe
dauerhaft verschärft. So durften die Tarnkappenbomber fortan nur noch
mit Begleitschutz fliegen. Die Luftoperationen der NATO konzentrierten
sich nun größtenteils auf die Ausschaltung der jugoslawischen Raketen-
und Radarstellungen. Insgesamt führten die NATO-Luftangriffe jedoch zu
keinem durchschlagenden militärischen Erfolg gegenüber den
Jugoslawischen Streitkräften und ihren Einrichtungen. Trotz zahlreicher
Zerstörungen blieb diese einsatzfähig und operierte auch weiterhin im
Kosovo, was zur Flucht von mehreren hunderttausend albanischer Kosovaren
führte. Erschwerend kam hinzu, dass innerhalb der NATO kein Konsens
über den möglichen Einsatz von Bodentruppen erzielt werden konnte.
Deshalb wurde die NATO-Operation auch auf Ziele der zivilen
Infrastruktur ausgeweitet. Durch diese zusätzliche Eskalation sollte die
Bundesrepublik Jugoslawien in die Knie gezwungen werden. Angriffsziele
der NATO lagen nicht nur in der damaligen jugoslawischen Republik
Serbien, sondern auch in der damaligen jugoslawischen Republik
Montenegro und in der Serbischen Republik von Bosnien und Herzegowina.
Innerhalb des Kosovos kam es während der NATO-Operation zu massiven
Bodenkampfhandlungen zwischen den dort stationierten Einheiten der
Streitkräfte Jugoslawiens unter Oberbefehl von Dragoljub Ojdanić und der
kosovarischen Befreiungsarmee UCK. Unterstützt wurde die UCK dabei
durch NATO-Luftangriffe auf die im Kosovo stationierten Einheiten der
Streitkräfte Jugoslawiens. Folgende Bedingungen formulierte der
Nordatlantikrat am 12.04.1999 für die Einstellung der Luftoperationen
gegenüber der Bundesrepublik Jugoslawien:
Die Bundesrepublik Jugoslawien stellt das Ende der militärischen
Operationen im Kosovo sicher und beendet die Gewaltaktionen und
Unterdrückung der albanischen Kosovaren,die Bundesrepublik Jugoslawien stellt den Abzug aller ihrer
offiziellen Sicherheitskräfte (Streitkräfte, paramilitärischer Einheiten
und Polizei) aus dem Kosovo sicher,die Bundesrepublik Jugoslawien akzeptiert die Stationierung einer internationalen Militärtruppe im Kosovo,die Bundesrepublik Jugoslawien akzeptiert die bedingungslose und
sichere Rückkehr aller kosovarischen Flüchtlinge und den ungehinderten
Zugang von internationalen Hilfsorganisationen zu ihnen unddie Bundesrepublik Jugoslawien bekräftigt ihren Willen, eine
politische Lösung auf Basis der Verhandlungen in Rambouillet, dem
Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen herbeizuführen.
Gegenüber dem parlamentarischen Kontrollausschuss für die
amerikanischen Streitkräfte erklärte der damaligen US-Außenminister
William Cohen am 15.04.1999, dass Ziel der Angriffe sei die Zerstörung
der jugoslawischen Militär- und Sicherheitsstrukturen, die dem
jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloević dazu dienen würden, die
albanisch-kosovarische Mehrheitsbevölkerung im Kosovo zu entvölkern und
zu zerstören. Nach Auffassung der damaligen jugoslawischen Regierung
dienten die Einsätze der jugoslawischen Sicherheitskräfte im Kosovo dem
Schutz der serbischen Kosovaren vor den Übergriffen der UCK.
Unterdessen stürzte am 02.05.1999 ein US-Kampfflugzeug vom Typ F-16CG
während eines Lufteinsatzes ab. Der Pilot konnte sich mit dem
Schleudersitz retten. Etwa einem Monat nach dem Abschuss der fünf MIG-29
Kampfflugzeuge setzte die jugoslawische Luftwaffe wieder ein MIG-29
Kampfflugzeug ein. In einem Luftkampf mit mehreren Dutzend NATO-Jägern
wurde die MIG-29 am 04.05.1999 abgeschossen, wobei der Pilot und
Kommandant des 204ten Luftregiments der jugoslawischen Luftstreitkräfte
ums Leben kam. Die verbliebenen Flugzeuge der 127. Jagdfliegerstaffel
der jugoslawischen Luftstreitkräfte wurden danach nicht mehr eingesetzt.
Zu einem folgenschweren Einsatz der NATO kam es am 20.05.1999, bei dem
in der serbischen Stadt Varvarin eine Brücke über den Fluss Morava durch
zwei NATO-Kampfflugzeuge in zwei Angriffswellen zerstört wurde. Bei
diesem Angriff wurden zehn Zivilisten getötet und 30 verletzt, davon 17
schwer. Die zunehmende und ungeplante Dauer des NATO-Luftkrieges gegen
die Bundesrepublik Jugoslawien führte zu einer militärischen Eskalation,
indem statt militärischer Ziele immer mehr auch zivile Infrastruktur
angegriffen und zerstört wurde. Zunehmend wurden auch serbische
Großstädte durch die NATO-Luftstreitkräfte angegriffen. Scheinbar gab es
kein Konzept auf Seiten der NATO für längere Lufteinsätze, da man dort
ursprünglich von einem schnelleren Erfolg der Operation ausging. Eine
Bodenoffensive wurde aufgrund der Situation von Seiten der NATO immer
stärker in Erwägung gezogen und sollte im Juni der Bundesrepublik
Jugoslawien offiziell angedroht werden. Allerdings gab es keine
Vorbereitungen für eine Bodenoffensive, so dass es bis zu einem
tatsächlich Einsatz von NATO-Bodentruppen wohl noch Monate gedauert
hätte. Im Ergebnis dürfte die militärische Eskalation zu einer erhöhten
Verhandlungsbereitschaft auf Seiten der Bundesrepublik Jugoslawien
geführt haben, den Konflikt diplomatisch zu lösen. Noch während der
NATO-Operation gab es bereits diplomatische Aktivitäten zur Beendigung
des Konfliktes.
Das Ende der NATO-Operation und die Übergangsverwaltungsmission
Die diplomatischen Bemühungen hatten schließlich Erfolg. Das
serbische Parlament billigte am 03.06.1999 einen von den G-8-Staaten am
06.05.1999 vorgelegten Friedensplan, dem auch der jugoslawische
Präsident Slobodan Miloević zustimmte. Allerdings gab es zwischen der
NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien weiterhin Unstimmigkeiten über
den militärischen Teil der Umsetzung des Friedensplanes. Die
Verhandlungen darüber zogen sich noch einige Tage hin und führten erst
am 09.06.1999 zu einer Einigung. Die Einigung sah den unverzüglichen
Abzug der jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo
vor. Stattdessen sollte im Kosovo im Rahmen eines entsprechenden
Mandates des UN-Sicherheitsrates eine NATO-geführte Friedenstruppe
stationiert werden. Der UN-Sicherheitsrat fasste am 10.06.1999 mit der
Resolution 1244 einen entsprechenden Beschluss. Mit dieser Resolution
wurde eine Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo
(UNMIK) festgelegt. Unter anderem wurde der UN-Generalsekretär
ermächtigt eine vorübergehende Zivilverwaltung für das Kosovo
einzurichten. Ziel dieser Mission war es für das kosovarische Volk eine
substantielle Autonomie herzustellen. Die Resolution 1244 legte folgende
zivile Aufgaben für die Übergangsverwaltungsmission UMNIK fest:
Die Etablierung einer unabhängigen Selbstverwaltung des Kosovo voranzutreiben,die Förderung eines politischen Prozesses mit dem Ziel den zukünftigen Status des Kosovo zu klären,die Koordinierung von humanitärer Hilfe und Katastrophenhilfe aller internationaler Organisationen,die Unterstützung bei der Wiederherstellung einer grundlegenden Infrastruktur,die Aufrechterhaltung der öffentlichen zivilen Ordnung,die Einhaltung der Menschenrechte voranzutreiben unddie Ermöglichung einer sicheren Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat.
Gleichzeitig betonte die Resolution in ihrer Präambel auch die
territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien. Über den
endgültigen Status des Kosovo trifft die Resolution 1244 keine
Festlegungen, dieser sollte im Rahmen von Verhandlungen zwischen den
betroffenen Parteien geklärt werden. Für die Sicherheit im Kosovo ist
gemäß der Resolution 1244 die Kosovo-Streitmacht KAFOR (Kosovo
Force) zuständig. Ihre Aufgaben sind vor allem:
Aufbau und Erhaltung eines sicheren Umfelds sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Kosovo,Überwachung, Prüfung und Durchsetzung des militärisch-technischen
Übereinkommens zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien undUnterstützung der Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UMINIK).
Die KAFOR rückte am 12.06.1999 in das Kosovo ein. Sie ist eine
NATO-geführte, aus internationalen Truppen bestehende Streitmacht.
Anfangs bestand sie aus rund 50.000 Soldatinnen und Soldaten, jetzt sind
nur noch einige Tausend im Rahmen der KAFOR im Einsatz. Offiziell für
Beendet erklärte der NATO-Generalsekretär Javier Solana die
NATO-Luftangriffe am 21.06.1999. Drei Tage später wurde in der
Bundesrepublik Jugoslawien der Kriegszustand aufgehoben. Die genaue
Anzahl der Opfer aufgrund der NATO-Luftangriffe in der Zivilbevölkerung
lässt sich nur schätzen. Human Rights Watch geht von etwa 400 bis 530
toten Zivilisten aus. Die Gesamtzahl der Toten wird je nach Quelle auf
bis zu 3.500 geschätzt. Etwa 10.000 Menschen sollen verletzt worden
sein. Hinzu kommen allerdings noch die Opfer, die aufgrund der
Bodenkämpfe im Kosovo getötet und verletzt worden sind. Die Hauptlast
des NATO-Einsatzes im Kosovo trug die Luftwaffe der Vereinigten Staaten
von Amerika. Daran beteiligt waren die Luftwaffen der NATO-Staaten
Deutschland, Italien, Niederlande und dem Vereinigten Königreich
(Großbritannien und Nordirland). Der NATO-Einsatz hatte nicht nur Folgen
für die Bundesrepublik Jugoslawien. Er offenbarte auch zahlreiche
Schwächen bei der Strategie und Taktik der NATO. Die Einsatzfähigkeit
der NATO und die Effektivität ihrer Luftangriffe hatten deutliche
Grenzen, die vorher so nicht erwartet wurden. Es gab auch innerhalb der
Befehlskette Streit, so dass immer wieder von höchster Stelle
eingegriffen werden musste. Insgesamt zeigten sich deutliche Schwächen
bei der NATO, die wiederum von jugoslawischer Seite strategisch und
taktisch verwertet werden konnten.
Die Folgen des NATO-Luftangriffes
Das Regime von Slobodan Miloević war angeschlagen und wurde im
Oktober 2000 gestürzt. In der Bundesrepublik Jugoslawien und in der
jugoslawischen Republik Serbien kamen bei freien Wahlen die bisher
oppositionellen demokratischen Kräfte an die Macht. Sie standen dabei
vor fast unlösbaren Aufgaben. Die Infrastruktur war weitgehend zerstört
und die Wirtschaft lag am Boden. Die jugoslawische Republik Montenegro
hat sich bereits seit 1998 zunehmend von Serbien distanziert und strebte
immer offener nach Unabhängigkeit. In Folge dessen wurde die
Bundesrepublik Jugoslawien am 04.02.2003 in den lockeren Staatenbund
Serbien-Montenegro umgewandelt. Auch dies war allerdings nur noch eine
auf äußeren Druck zustande gekommene Übergangslösung. Am 21.05.2006
stimmten die montenegrinischen Bürgerinnen und Bürger in einem
Referendum mit knapp 55,5 Prozent der Stimmen für die Unabhängigkeit
Montenegros. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 86,3 Prozent. Die
formelle Unabhängigkeitserklärung Montenegros erfolgte dann durch einen
Parlamentsbeschluss am 03.06.2006. Die Republik Serbien erklärte sich am
05.06.2006 zum völkerrechtlichen Nachfolger des Staatenbundes
Serbien-Montenegro. Damit gilt die Resolution 1244 des
UN-Sicherheitsrats weiterhin für die Republik Serbien, da sie damit
Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien ist. Die anschließenden
Versuche der Vertreter Serbiens und des Kosovos im Rahmen von
Verhandlungen den Status des Kosovos zu klären scheiterten. Zwar war
Serbien bereit dem Kosovo eine sehr weitgehende Autonomie bis knapp
unterhalb der Unabhängigkeit des Kosovos zu gewähren, doch verlangten
die albanischen Kosovaren die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovo
von Serbien. Nachdem weitere Verhandlungen keine Lösung brachten,
erklärte das Kosovo am 17.02.2008 einseitig als Republik Kosovo seine
Unabhängigkeit von Serbien. Diese Bestrebungen des Kosovos wurden von
den Staaten des Westens unterstützt, wenngleich diese Bestrebungen auch
dort nicht unumstritten waren. Was letztendlich den Ausschlag gab, die
Unabhängigkeit des Kosovos zu unterstützen, muss vorläufig Gegenstand
der Forschung bleiben. Darüber gibt es einige unterschiedliche
Ansichten. Mittlerweile wird das Kosovo von über 100 Staaten
völkerrechtlich anerkannt. Aus Sicht Serbiens ist das Kosovo immer noch
völkerrechtlicher Bestandteil der Republik Serbien. Dementsprechend
erkennt Serbien die Republik Kosovo auch nicht als unabhängigen Staat
an, ebenso wie noch fünf EU-Staaten (Griechenland, Rumänien, Slowakei,
Spanien und Zypern). Mittlerweile hat es zwischen Serbien und dem Kosovo
eine große Annäherung in vielen praktischen bilateralen Fragen gegeben,
die durch den Abschluss von entsprechenden bilateralen Verträgen auch
verbindlich erklärt wurden. Dafür begann die Europäische Union (EU) mit
Serbien am 21.01.2014 Beitrittsgespräche. In Serbien sind heute noch die
Folgen des NATO-Luftangriffes sichtbar. Auch wirtschaftlich geht es
Serbien weiterhin schlecht. Allerdings gibt es in Serbien einen großen
Konsens darüber, den friedlichen Weg der europäischen Integration zu
gehen. Wenn auch nicht de jure, faktisch geht Serbien von einem
unabhängigen Kosovo aus. Insgesamt hat sich das Verhältnis zwischen
Serbien und dem Kosovo im alltäglichen Umgang miteinander deutlich
verbessert. Doch müssen zwischen Serbien und dem Kosovo alle offenen
Fragen endgültig geklärt werden darunter auch der völkerrechtliche
Status des Kosovo.
Nachbetrachtungen zum NATO-Luftangriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien
Der NATO-Luftangriff erfolgte ohne entsprechende Legitimation durch
den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In Artikel 2 Absatz 4 der
Charta der Vereinten Nationen ist festgelegt: Alle Mitglieder (der UN)
unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die
territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines
Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.
Grundsätzlich darf nur der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemäß
Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen (Artikel 39 bis 51)
Maßnahmen bei Bedrohung und Bruch des Friedens und bei
Angriffshandlungen ergreifen. Nur die Selbstverteidigung eines Staates
bei einem Angriff ist gemäß Artikel 51 der Charta ohne Beschluss des
Sicherheitsrates zulässig, allerdings nur solange bis der Sicherheitsrat
geeignete Maßnahmen zu Wiederherstellung des Friedens getroffen hat.
Der NATO-Vertrag bezieht sich in seiner Präambel und in Artikel I auf
die Charta der Vereinten Nationen. So heißt es in Artikel I: Die
Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der
Vereinten Nationen, jeden internationalen Streitfall, an dem sie
beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der
internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht
gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder
Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen
der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind. Der Bündnisfall gemäß
Artikel 5 des NATO-Vertrages lag nicht vor. Die Bundesrepublik
Jugoslawien hat keinen NATO-Staat angegriffen. Nur in diesem Fall hätte
die NATO ohne Beschluss des Sicherheitsrates in Übereinstimmung mit der
Charta der Vereinten Nationen in der Bundesrepublik Jugoslawien
intervenieren dürfen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die
militärische Intervention der NATO in der Bundesrepublik Jugoslawien
formell völkerrechtswidrig war.
Auch wenn die NATO-Intervention formell völkerrechtswidrig war,
bleibt dennoch zu klären ob sie auch materiell völkerrechtswidrig war.
Die NATO rechtfertigte ihren Einsatz als humanitäre Intervention.
Aufgrund schwerster Menschenrechtsverletzungen und einem drohenden
Genozid an den albanischen Kosovaren war dieser Einsatz völkerrechtlich
gerechtfertigt und moralisch geboten. Im Völkerrecht wird unter dem
Begriff der humanitären Intervention im Allgemeinen die Anwendung von
militärischer Gewalt eines Staates oder mehrerer Staaten zum Schutze von
Bevölkerungsteilen eines anderen Staates vor Menschenrechtsverletzungen
oder Völkermord verstanden. Verbindlich festgelegt ist die humanitäre
Intervention in der Charta der Vereinten Nationen allerdings nicht, sie
kann höchstens vom bestehenden Völkerrecht abgeleitet werden. In
Artikel 2 Absatz 7 der Charta der Vereinten Nationen ist festgelegt: Aus
dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen
in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines
Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche
Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen,
nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel
VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt. Demnach wäre eine
humanitäre Intervention als Einmischung in die inneren Angelegenheiten
eines Staates grundsätzlich nicht zulässig. Allerdings berührt diese
Regelung nicht Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, wonach der
UN-Sicherheitsrat sehr wohl entsprechende Maßnahmen beschließe könnte.
Zu klären bleibt die Frage, unter welchen Umständen eine humanitäre
Intervention ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrates gerechtfertigt oder
sogar geboten sein könnte.
Die Frage ist nun, was wiegt höher: Das grundsätzlich Gewaltverbot
und der Schutz der territorialen Integrität eines Staates oder der
Schutz der Menschenrechte. Die Befürworter für letztere These verweisen
darauf, dass die Menschenrechte zwingendes Völkerrecht (ius cogens)
darstellen. Bei deren Verletzung gelte jeder Staat der
Völkergemeinschaft als verletzt und dürfe sich zur Wehr setzen. Dabei
soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Mittel unter Umständen auch
die Anwendung von Gewalt zur Verhinderung oder Beendigung von
Menschenrechtsverletzungen erlaubt sein. Die Frage welches Recht nun
höher liegt, ist Gegenstand von Debatten und bis heute nicht
abschließend geklärt.
Die an den NATO-Luftangriffen beteiligte Bundesrepublik Deutschland
hat im Falle eines Angriffskrieges einen Verfassungsvorbehalt. In
Artikel 25 Absatz 1 GG heißt es: Handlungen, die geeignet sind und
in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der
Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges
vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
In diesem Fall setzte sich überwiegend die Auffassung durch, wonach
kein Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) vorliegt. Der Angriff der
Bundesrepublik Deutschland war nicht geeignet das friedliche
Zusammenleben der Völker zu stören. Im Falle der Bundesrepublik
Jugoslawien war bereits das friedliche Zusammenleben zwischen Serben und
albanischen Kosovaren erheblich gestört. Dennoch bleibt dieser Angriff
nicht unumstritten. In Artikel 25 GG ist festgelegt Die allgemeinen
Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen
den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die
Bewohner des Bundesgebietes. Mindestens formell dürfte von Seiten
der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Beteiligung an den
NATO-Luftangriffen gegen das Völkerrecht verstoßen worden sein.
Allerdings ist offen, ob sie auch materiell gegen Völkerrecht verstoßen
hat und die Beteiligung an der humanitären Intervention nicht ggf. doch
völkerrechtlich gerechtfertigt werden kann.
Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Blockierung des
Sicherheitsrates bei der notwendigen Ergreifung von geeigneten Maßnahmen
zur Verhinderung und Beendigung von Menschenrechtsverletzungen und
Völkermord stellt ein großes Problem dar. Unter Umständen können
alternative Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte und vor Völkermord
notwendig sein, die nicht durch bisheriges Völkerrecht gedeckt sind.
Ggf. können derartige Maßnahmen aus dem bestehenden Völkerrecht
abgeleitet werden. Im Falle des NATO-Angriffes auf die Bundesrepublik
Jugoslawien erfolgte zumindest eine nachträgliche Legitimierung durch
den UN-Sicherheitsrat, in dem es die Resolution 1244 beschloss. Diese
wird trotz gegenteiliger Auffassungen von den fünf Veto-Mächten im
UN-Sicherheitsrat und der Mehrheit der UN-Staaten getragen. Als
unerträglich völkerrechtswidrig werden die NATO-Luftangriffe
mehrheitlich nicht angesehen, ansonsten dürfte der Beschluss der
Resolution 1244 auch nicht möglich gewesen sein. Auch gab es keine
offizielle Verurteilung eines der beteiligten NATO-Staaten durch den
Internationalen Gerichtshof (IGH). Dieser hätte angerufen werden können.
Das Bundesverfassungsgericht hat für die Bundesrepublik Deutschland
ebenfalls weder eine Verletzung des Völkerrechts nach eine Verletzung
des Grundgesetzes festgestellt. Als Fazit kann festgehalten werden, dass
die humanitäre Intervention bisher formell noch völkerrechtswidrig ist.
Allerdings befindet sich die humanitäre Intervention als mögliche
Maßnahme in der Weiterentwicklung bzw. das Völkerrecht befindet sich
diesbezüglich in einem Wandel. Dieser Prozess ist noch offen. Daher
könnte eine humanitäre Intervention materiell rechtmäßig und mit dem
Völkerrecht im Einklang sein. Die humanitäre Intervention wäre als
Institution grundsätzlich eine sinnvolle Weiterentwicklung des
Völkerrechts. Der Schutz der Menschenrechte sollte schwerer Wiegen als
die territoriale Integrität eines Staates. Dennoch sollte das Monopol
für solche Maßnahmen grundsätzlich beim UN-Sicherheitsrat liegen. Im
Ausnahmefall und bei Handlungsunfähigkeit des UN-Sicherheitsrates sollte
eine humanitäre Intervention auch ohne Beschluss des
UN-Sicherheitsrates möglich sein. Im Falle aller Kriege auf dem Balkan
von 1991 bis 1999 dürfte eine humanitäre Intervention aufgrund
schwerster Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Völkermord geboten
gewesen sein.
[Quelle: http://pelagon.de/?p=4267]