"Milchkuss" (Buch d. Schriftstellerin Mimoza Ahmeti)
"Milchkuss": Leiden am Schwanzsystem
14.11.2009 | 17:56 |
(Die Presse)
Die junge albanische Schriftstellerin Mimoza Ahmeti beschreibt in ihrem Roman "Milchkuss"weibliches Begehren und Verzweiflung.
Es ist ein Buch wie ein böser Traum. Mimoza Ahmetis Roman hat nur 130
Seiten, aber die reichen, um den Leser gehörig zu verstören. Da ist
eine Frau, nicht mehr ganz jung, nicht alt, und sie leidet an
Depressionen. Die halluzierende Frau, wie Ahmeti sie nennt, hat alles
versucht, damit sie von ihrer Krankheit geheilt wird: Sie ist bei
Psychiatern ein und aus gegangen, hat sich in die Behandlung von
dubiosen Physiotherapeuten begeben, hat Naturmedizin und Meditation
ausprobiert. Die Krankheit bestimmt ihr Leben, erfasst sie morgens oder
abends, unvermittelt, bei Spaziergängen oder beim Kaffeetrinken.
Kompliziert ist auch ihre Liebesbeziehung zu zwei Männern: Da ist
einerseits ihr Ehemann, der fürchtet, ihr nahezukommen, die Beziehung
geht in die Brüche. Und da ist ein 19-jähriger Jüngling, dessen
Eroberungsdrang jedoch zum Scheitern verurteilt ist.
Mitunter recht deutlich. Mimoza Ahmeti, eine 1963
in Albanien geborene Autorin, die sich in ihrem Land auch als Poetin
(Delirium nennt sich eine ihrer Gedichtsammlungen) und Sängerin einen
Namen gemacht hat, schildert die Geschichte einer Krankheit in einer
expressiven Sprache und eindringlichen Worten. Nicht alle Gefühlslagen
der Frau, der schließlich von einer Heilerin geholfen wird, erschließen
sich dem Leser, Ahmeti deutet vielfach nur an, vieles bleibt im
Dunkeln. Es ist ein weibliches Leiden an der Gesellschaft, an dem
Schwanzsystem, wie die Autorin die Frau sagen lässt. Mitunter wird
Ahmeti also doch recht deutlich. som
Mimoza Ahmeti: Milchkuss, 134 Seiten, Otto Müller Verlag, 18 Euro.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2009)