Geboren 1960, versuche ich ein Leben lang zu meiner Kreativität durchzudringen und sie gleichzeitig ein wenig in den Griff zu bekommen. Irgendwie muß man sich ja arrangieren. Meine ausufernde Fantasie hat sich in Gedichten, Super 8-Filmen, Geschichten, Zeichnungen, Fotos, Musik (Klavier, Gitarre) und Songtexten entladen. Die Schriftstellerei hat sich dabei nach vorne gekämpft und da bleibt sie auch.
Meiner Anteilnahme an der Volkswirtschaft wird nicht mehr so viel Wert beigemessen, deshalb zahlt "man" mir lieber etwas Geld und ich lasse die Volkswirtschaft in Ruhe. Als Autor habe ich noch keinen Verlag gefunden. Meine Projekte stelle ich auf meiner Homepage (www.vorlauf.de) vor. Zusammen mit meiner Lebenspartnerin Ylvy leite ich dieses Forum und wohne im hohen Norden Deutschlands - deswegen der Nickname.
Liebe Grüße, der Nordmann
Re: Nordmann
Kurzkrimi: Futteräpfel Hauptwachtmeister Dirk Hollerbach kletterte aus dem überhitzten Badewasser und quälte sich in seine Uniform. Er war gereizt, wegen des Mordes aber vor allem wegen seinem Ischias. Der Nerv klemmte, und der Schmerz breitete sich langsam aus. Das heiße Bad hatte nur kurze Linderung bewirkt. Er rumorte durch die Wohnung und verstaute Thermoskanne und Brotzeit in einem Rucksack. Fünfzehn Minuten später parkte er am Waldrand und hievte sich unter Schmerzen aus dem Wagen. »So, da wären wir.«Unterwegs hatte er seine Kollegin Evi Kutzbaum von zu Hause abgeholt. Sie war Verwaltungsangestellte in Teilzeit und hatte eigentlich frei.»Die Habinger hat sie gefunden und den Mord gemeldet«, erklärte er ihr. »Sie war dem Hund hinterher. Der Anblick wird dir nicht gefallen, schätze ich.«»Ich bin nicht zart besaitet.«»Bist du doch! Komm, lass uns das ansehen, bevor die Spurensicherung den Tatort zertrampelt.«Der Waldweg führte stetig bergan und machte ihm Mühe.Maria Habinger erwartete sie auf dem Waldweg. »Da hinten, durch die Tannen.« Sie deutete in den Wald. Ihr Hund zog an der Leine.»Kommen Sie noch mal mit.« Der Wachtmeister ging voran.»Muss das sein?« Hollerbach antwortete nicht, und sie folgte ihm. Er stapfte einen Wildwechsel entlang, der unvermittelt auf einer Waldwiese endete.»Oh Gott!«, war alles, was Evi Kutzbaum hervorbrachte, bevor sie sich übergab. »So, Kutzbaum, fertig?«, fragte Hollerbach aufmunternd. Er reichte ihr ein Taschentuch und sah sich um. »Das ist ja Gerdis Schießplatz.«Evi sah ihn fragend an. »Unser bester Bogenschütze im Verein, Gerdi Birchmann. Er übt hier zielen für das Schau-Schießen.«»Auf Menschen?«, fragte Evi.»Nein, er ...« Hollerbach wurde von einer Bewegung oberhalb der Wiese abgelenkt. Dort lehnte ein Mann an einem Geländewagen. »Ja, was macht denn der da?«»Das ist der Dornfeld!«, sagte die Habinger.»Ja, das seh' ich auch. Aber was macht er da?«»Fragen Sie ihn halt, der war von Anfang an hier.«»So, war er das? Ah. - danke, Sie dürfen dann gehen. Aber zeigen Sie bitte der Kripo noch den Weg. Die müssten gleich eintreffen.« Die Wiese lag umgeben von Mischwald an der Flanke des Berges und wurde von einem munter murmelnden Bächlein in zwei Hälften geteilt. Einsam wuchs eine alte Buche in ihrer Mitte. Links neben der Buche stand eine provisorisch gezimmerte Bank. Getrübt wurde diese Idylle durch eine Frau. Sie war nackt, an den Baum gefesselt und offensichtlich tot. »Komm Kutzbaum, das schau'n wir uns an.«Sie gingen in einem Bogen auf den Baum zu. Hollerbach zeigte auf eine Stelle, an der mehrere Äpfel verstreut im Gras lagen. »Auf die schießt Gerdi immer, die großen vom Markt.« Sie gingen weiter bis zum Baum. »Setz dich auf die Bank, Evi. Das hier sehe ich mir alleine an.« Hollerbach stand vor der Toten. Überall an ihrem Körper waren Schnittwunden. Die Augen standen unnatürlich weit offen und starrten ins Nichts. In ihrem Mund steckte ein schrumpeliger, roter Apfel und in dem Apfel steckte ein Pfeil. Er trat hinten zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel wieder aus und seine Spitze steckte in der Rinde des Baumes. Hollerbach setzte sich schnaufend auf die Bank, holte Kanne und Brote heraus und ließ den Rucksack vor sich auf die Wiese rutschen. Vom Wald her näherte sich ein gedrungener Mann in Jagdkleidung und klopfte ihm jovial auf die Schulter. »Der richtige Ort für ein Frühstück, was?«»Friedhelm, setz' dich zu uns. Frau Kutzbaum hier gehört zu meiner Dienststelle.«»Guten Morgen!«»Evi, dass ist Friedhelm Dornfeld, er ist im Schützenverein und hat hier die Jagd gepachtet.« Dornfeld setzte sich auf den freien Platz am äußeren Ende der Bank. Hollerbach biss in sein Schinkenbrot. »Hast du hier etwas beobachtet?«, fragte er kauend.Der Jäger schüttelte den Kopf. «Ich war am Wagen, da hat es gebellt, und die Habinger hat geschrien.«Hollerbach kaute und sagte nichts.»Schrecklich! Wieso hat Gerdi das getan?«, sagte Dornfeld.»Ja, der Gerdi«, sagte Hollerbach.»Du hast ja immer ein Auge zugedrückt, wenn er hier draußen geübt hat. Der hielt sich doch für Wilhelm Tell, mit seinen Äpfeln. Da siehst du es!«Hollerbach sah ihn an. »Tell hat aber keine Frau erschossen.« Dann fragte er unvermittelt: »Gibt es neue Probleme in deinem Revier?«»Was meinst du?«»Na, Wilderei und Tierquälerei - die Fälle die da gemeldet wurden.«Dornfeld schaute auf den Boden. »Nein, mir ist nichts aufgefallen.«Der Wachtmeister goss dampfenden Kaffee in den Deckel der Thermoskanne und reichte ihn seiner Assistentin. »Du bist ganz schön blass. Nimm erst mal einen Schluck, das hilft ein bisschen.«Sie nahm die Tasse. »Das du hier was essen kannst ...«»Wenn einem zu Hause dafür die Zeit nicht gelassen wird.« Eine Weile sagte niemand etwas, dann fragte Hollerbach beiläufig: »Die Frau da, sie ist wohl nicht aus der Nachbarschaft?«Dornfeld schüttelte den Kopf. »Nie gesehen.«Evi Kutzbaum wollte etwas sagen, doch der Wachtmeister hinderte sie mit einer knappen Handbewegung. Dornfeld blickte nervös zum unteren Wiesenrand. Aus dem Wald waren Geräusche zu hören: Das Schlagen von Autotüren, Stimmen die Anweisungen erteilten und das Bellen eines Hundes. »Ah, die Infanterie rückt an. Dann sind wir hier ja fast fertig. Ferdinand, ich kann mich nicht bücken. Gibst du mir was aus dem Rucksack?«, fragte Hollerbach.»Klar, was brauchst du?« Dornfeld zog sich den Rucksack auf den Schoß, wühlte darin herum und brachte Hollerbachs Dienstwaffe zutage. Hollerbach nahm die Waffe und reichte sie an Evi Kutzbaum weiter. »Sind da irgendwo ein Paar Handschellen?«Dornfeld reichte sie ihm und grinste. »Willst du ein bisschen Show vor den Experten machen?« »Nein«, sagte Hollerbach. «Eigentlich ist es eher so, dass ich die Show hier beenden will, bevor die Experten da sind.« Es machte zweimal 'klick'. Die Handschellen schlossen sich um die Gelenke des überraschten Jägers.»Au! Ja spinnst Du?« Hollerbach nahm seine Waffe wieder an sich, entsicherte, und richtete sie auf den Jäger. »Bleib schön sitzen. Das ist besser.«Dornfeld stieg die Zornesröte ins Gesicht. »Schnappst du jetzt total über? Was willst du von mir?«»Ferdinand, du hast das Recht zu schweigen, alles was du sagst, kann gegen dich verwendet werden. Du stehst unter Mordverdacht.«»Denkst du, ich habe sie erschossen? Ich kann einen Bogen nicht einmal richtig halten.«Hollerbach schüttelte den Kopf. »Geschossen hat wohl der Gerdi. Ich bin ja nicht blind. Wusstest du, das Tell damals gezwungen wurde, zu schießen?«»Was willst du damit sagen?«»Ich sehe hier Dinge, die gefallen mir nicht, Friedhelm. Gerdi hat geschossen. Aber warum? Eine Frau wird misshandelt, in deinem Revier werden Tiere gequält. Aber von wem? In einer der schönsten Gegenden Deutschlands sind in diesem Jahr bereits drei Damen vom Wohnwagen-Strich verschwunden, ohne eine Spur. Weißt du was, Herr Jäger? Ich denke, hier ist folgendes geschehen: Gerdi kommt zu ungewohnt früher Stunde hierher. Er sieht, welch fragwürdigen Neigungen du nachgehst und du bedrohst ihn. Seine Anwesenheit bringt dich dann aber auf die kranke Idee mit dem Apfel.«»Deine Schlussfolgerungen sind krank, Herr Wachtmeister. Beweis mal, was du da erzählst.«»Ja, erst einmal hat die Frau einen kleinen Futterapfel im Mund. Gerdi benutzt aber die großen Äpfel vom Markt. Die liegen da hinten, an seiner Achtzehn-Meter-Marke.« »Hat er es eben mal anders gemacht als sonst. Na und?«»Na und? Dann komm mal mit. Ich zeige dir was. Na los - steh' auf.« Der Wachtmeister dirigierte den Jäger zu einer Stelle, nicht weit vom Baum entfernt. »Du hast ihn mit dem Gewehr bedroht und gezwungen, mit dem Bogen auf dein Opfer zu schießen. Da, von dort musste er schießen und da, ein paar Schritte entfernt, sind die Spuren von deinen Stiefeln.«Dornfeld zuckte mit den Achseln. »Warum ist Gerdi dann abgehauen und ich bin noch hier?«»Ja, ist er denn? Evi, schau doch bitte hinten im Allrad nach, ob dem Gerdi noch zu helfen ist.« Evi blickte ihn aus großen Augen an, machte sich aber ohne ein Wort auf den Weg. »Als du hier aufräumen wolltest, kam die Habinger dazwischen und hatte ihr Handy am Ohr, bevor du überhaupt reagieren konntest. Du bist pervers Dornberg, völlig pervers.« Die ersten Beamten der Spurensicherung trafen auf der Wiese ein, ihr Spürhund pinkelte an einen Baum.Dornfeld wirkte angespannt, wie auf dem Sprung. Etwas Gehässiges machte sich auf seinem Gesicht breit. »Sie wäre sowieso gestorben, die Schlampe. Aber so hat es mir noch mehr Spaß gemacht. Du hast ja gar keine Ahnung, Hollerbach.« Evi rief vom Wagen, doch Dornfeld sah nicht hin. Unbeholfen und mit einem Knebel im Mund krabbelte Gerdi aus der Heckklappe des Allrads. Ein paar kleine, rotgelbe Futteräpfel rollten aus dem Wagen auf den Waldboden.