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BIAB und BUND fordern bessere Filter. WZ vom 11.04.2014

BIAB und BUND fordern bessere Filter. WZ vom 11.04.2014



BIAB und BUND fordern bessere Filter
Quecksilberbelastung durch Holcim bereitet Bürgern weiter Sorgen
Itzehoe

Die Schilderung drastisch, die Reaktion eindeutig: „Kribbeln an Mund
und Lippen, gestörte Bewegungen, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust...“ –
betroffenes Schweigen im Café Schwarz, als der Kieler Toxikologe Dr.
Hermann Kruse beschrieb, welche Folgen die in unmittelbarer Nähe des
Zementwerkes Holcim in Lägerdorf gemessenen Schadstoffwerte an
Quecksilber beim Menschen haben könnten. Seine Botschaft
unmissverständlich: „Die Schadstoffkonzentration in der Luft ist viel zu
hoch und somit gesundheitsgefährdend. Das kann in die Nahrungskette
übergehen. Vor allem das inhalativ aufgenommene Quecksilber erzeugt mit
einer Latenzzeit irreversible neurologische Schäden.“


Die Bürgerinitiative zur Verhinderung der Verbrennung
gesundheitsgefährdender Abfälle bei Holcim (BIAB) und der Bund für
Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hatten zu einem
nicht-öffentlichen Informationsabend für Mitglieder geladen, etwa 60
Zuhörer waren gekommen.


Rainer Guschel (BUND) stellte klar: „Wir sind nicht gegen den Betrieb
oder das Werk Holcim. Der ist ein Global Player, der seinen Betrieb
fortführen muss, dessen sind wir uns durchaus bewusst.“


Diplom-Physiker Dr. Wilhelm Mecklenburg
machte auf den Widerspruch aufmerksam: Obwohl es sich mittlerweile eher
um eine Müllverbrennungsanlage handele, würden die geringeren
Höchstwerte für Zementfabriken gelten. Während Holcim pro Jahr 1,6
Millionen Tonnen Müll zur Zementherstellung verbrenne, erreiche die
Müllverbrennungsanlage SAVA lediglich 80 000 Tonnen im Jahr. „Das
Problem ist, dass die Genehmigungen nur ganz schwer vor Gericht
anzugreifen sind.“


Anstatt diese Mengen durch die zuständige Behörde Landesamt für
Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) so gering wie möglich
zu halten, habe die Behörde mit ihrer Genehmigung von 2012 der
Zementfabrik eine 100-prozentige Müllverbrennung zugestanden – „...mit
dem Ausstoß von 189 Kilogramm Quecksilber im Jahr“, so die BIAB-Vorsitzende
Sabine Dammann empört. Holcim mache kräftig Gewinn. „Warum“, so fragt
sie, „ist es dann nicht zumutbar, bessere Filter einzubauen?“


Bislang waren nur private Kläger zugelassen, seit 2011 können auch
Verbände klagen. „Wir verlangen, dass Emissionswerte überprüft werden
und der optimale Stand der Technik eingesetzt wird.“ Umweltvereinigungen
wie der BIAB komme eine besondere Rolle zu. „Wir verlangen weiterhin,
eine Umweltverträglichkeitsprüfung – eine Richtlinie, die seit 1988
gilt.“ Das LLUR habe das für Holcim nur einmal 2012 gemacht.


Umweltaktivist Karsten Hinrichsen meinte: „Die Firma macht gute
Gewinne. Die könnten mit Geld eine bessere Technik einrichten. Wenn die
Anwohner sich mehr auf die Hinterbeine stellen würden, wäre das auch
möglich.“


Auf eine Verwässerung deutscher Umweltstandards durch europäische Richtlinien machte Diplom-Ingenieur
Christian Tebert vom Umweltinstitut Ökopol aufmerksam, das
Umweltinitiativen und engagierte Gemeinden berät. Bei den darin fest
gelegten „verbindlichen Emissionsbandbreiten“ sei die „Beste verfügbare
Technik“ (BVT) entscheidend. „Das ist aber nicht unbedingt die
fortschrittlichste, sondern eher ein Durchschnitt, der für alle gilt.
Aber wir können in Deutschland mehr.“


Einen Erfolg könne sich die BIAB auf die Fahnen schreiben: „In der
europäischen Verordnung ist geregelt, dass ein Gewebefilter gar nicht
mehr abgeschaltet werden darf : Das ist ihnen vor Ort zu verdanken, weil
Sie diese Stelle jahrelang bekämpft haben.“ Die Staubbelastung bei
Holcim sei bereits nach und nach herunter gegangen, teilweise kaum noch
messbar, ein großer Erfolg der BIAB.


Der Stickoxidausstoß des Werkes könnte mit Hilfe von Katalysatoren
auf unter 200 Milligramm gesenkt, die Abwärme genutzt werden, um den
Katalysator zu beheizen. „Holcim stößt am oberen Limit des gesetzlich
Erlaubten aus. Ohne Katalysator ist das nicht optimal, aber billiger.“


Ludger Hinz