Widerspruch - und dann vor Gericht. WZ vom 19.07.2012
Widerspruch und dann vor Gericht
Bürgerinitiative BIAB zieht gegen Holcim-Genehmigung zu Felde / Spendenaufruf an alle 1600 Einwender, an Gemeinden und Sponsoren
Lägerdorf
Genehmigung für die Änderung der Anlage zur Herstellung von
Zementklinker. Was in einer amtlichen Bekanntmachung vom 25. Juni des
Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume zunächst eher
unspektakulär klingt, birgt für die BIAB reichlich Zündstoff. Nachdem
die Genehmigungsbehörde jetzt grünes Licht für den Einsatz von
kommunalem Klärschlamm und die Erhöhung des Abfallanteils im Brennofen
von derzeit 75 auf bis zu 100 Prozent gegeben hat, will die
Bürgerinitiative zur Verhinderung gesundheitsgefährdender
Abfallbeseitigung jetzt alle juristischen Register ziehen. Wir legen
Widerspruch ein und werden bei Abweisung auch Klage erheben, kündigen
Detlef Neubauer und Ingrid Kratzenberg vom BIAB-Vorstand an.
Kritik übt die Initiative dabei schon an den zeitlichen Abläufen.
Nach der Genehmigung am 7. Juni und der Bekanntgabe am 25. Juni hätten
die Bürger nur ganze zwei Wochen Zeit gehabt, sich durch die in
umliegenden Ämtern bereitgestellten sieben Aktenordner zu kämpfen. Das
ist ein Affront, meint Ingrid Kratzenberg. Schließlich seien jetzt
viele Menschen in Urlaub. Ihre Vermutung: Da wird die Öffentlichkeit
bewusst ausgeklammert.
Um Widerspruch und gegebenenfalls den Klageweg auf sichere Beine
stellen zu können, bedient sich die BIAB nun des auf diesem Gebiet
versierten Rechtsanwalts Wilhelm Mecklenburg. Die Initiative sei seit
wenigen Wochen als Umweltverband anerkannt und könne in dieser Funktion
auch Verbandsklage einreichen. Das kostet natürlich Geld, sagt Detlef
Neubauer. Auf die Schnelle müssten jetzt 10 000 Euro zusammengetragen
werden. Wenn uns das gelingt, würde uns auch die Gemeinde Münsterdorf
finanziell unterstützen, sagt Ingrid Kratzenberg. Sie ruft nun alle
Mitglieder, die 1600 Einwender aus dem Genehmigungsverfahren, betroffene
Gemeinden und Spender zu einer Einzahlung auf ein eigens eingerichtetes
Spendenkonto auf. Ingrid Kratzenberg ist zuversichtlich: Das Geld
bekommen wir zusammen. Wegen der einzuhaltenden Fristen und weil die
Gemeinde Münsterdorf auch noch die entsprechenden Gremien einschalten
müsse geht jetzt aber alles auf den letzten Drücker.
Ein Hauptkritikpunkt an der behördlichen Genehmigung für Holcim ist
für die BIAB der Einsatz von hundert Prozent Ersatzbrennstoffen. Für
uns ist das eine Müllverbrennungsanlage und die muss dann auch die
entsprechenden Auflagen bekommen, sagt Kratzenberg. Für völlig
unzureichend hält die BIAB auch die Filteranlagen gegen den Ausstoß von
Quecksilber. Detlef Neubauer: Hier gibt es sehr viel effektivere
Techniken. Natürlich ist das dann auch teurer. Bei den Produktionskosten
insgesamt fällt das aber kaum ins Gewicht. Weiterer Streitpunkt: Der
Einsatz von eventuell ebenfalls mit Quecksilber belasteten
Klärschlämmen.
Mit ihrem Widerspruch will die BIAB nach Darstellung von Ingrid
Kratzenberg Nachbesserungen im Genehmigungsbescheid erreichen, vor allem
auch künftigen Entwicklungen vorbeugen. Sie befürchtet, dass der
Zementkonzern schon in naher Zukunft die Produktionsleistung weiter
erhöhen will. Erforderliche Sondergenehmigungen würden dann in
nichtöffentlichen Verfahren abgewickelt. Und dann können wir gar nichts
mehr machen.
Kratzenberg und Neubauer versichern, dass sie nicht grundsätzlich
gegen die Zementindustrie eingestellt seien, die in diesem Jahr am
Standort Lägerdorf-Rethwisch immerhin schon ihr
150-jähriges Bestehen feiert. Allerdings müsse für die Bevölkerung ein
Höchstmaß an Gesundheitsschutz sichergestellt werden. Und da ist nach
dem Stand der Technik deutlich mehr möglich, ist Neubauer überzeugt.
Letztlich sieht Ingrid Kratzenberg das Unternehmen auch in einer
moralischen Verpflichtung. Schließlich, so fügt sie hinzu, werde mit
Lägerdorf eine ganze Gemeinde ausgebeutet. Gleichzeitig, so ihr
ergänzender Hinweis, fielen keinerlei Steuern mehr für die Gemeindekasse
ab.
Die finanzielle Unterstützung durch viele Mitstreiter vorausgesetzt, sind die BIAB-Akteure
davon überzeugt, dass sie am Ende Erfolg haben werden. Ingrid
Kratzenberg erinnert daran, dass 1996 schon einmal mit Erfolg geklagt
worden sei damals durch eine Einzelperson, die durch die BIAB
unterstützt worden war. Als anerkannter Umweltverband habe man jetzt
aber noch sehr viel bessere Chancen. Übrigens: Seit 1990 ist die BIAB
aktiv. Ingrid Kratzenberg kündigt schon jetzt an, dass mit Widerspruch
und Klage die Arbeit nicht beendet sein soll. Dann geht es um die
Kontrolle beim Einsatz der Ersatzbrennstoffe. Wir können uns nie
ausruhen.
Volker Mehmel
BIAB-Spendenkonto: Sparkasse Westholstein, Konto 3200025264, Bankleitzahl 22250020.