Atomkraft: Plädoyer für längere Laufzeit. WZ vom 20.03.2009
Atomkraft: Plädoyer für längere Laufzeit
Podiumsdiskussion im Elbeforum: Befürworter
einer Laufzeitverlängerung des Brunsbütteler Atomkraftwerks hatten auf
Einladung von CDU und FPD der Schleusenstadt das Wort.
Brunsbüttel
Wir müssen die Laufzeit der Kernkraftwerke in Deutschland verlängern. Landes-Wirtschaftsminister
Dr. Werner Marnette umriss mit diesem Statement, wie er sich die
Zukunft: Kernenergie vorstellt. Dieses Thema diskutierten Marnette,
die FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Christel Happach-Kasan und der Technische Geschäftsführer der Vattenfall Nuclear Energy, Dipl-Ing. Ernst Michael Züfle im Elbeforum. Carsten Rauterberg (NDR) moderierte die Runde.
Marnette, der sich Ende vorigen Jahres beim Brunsbütteler
Industriegespräch noch verwundert zeigte über die seit beinahe zwei
Jahren anhaltende Zwangspause des Meilers in der Schleusenstadt, hat
sich inzwischen ein Bild gemacht. Der Stillstand sei unvermeidlich,
wenn dieses Kernkraftwerk ebenso wie das baugleiche in Krümmel auf den
aktuellen Sicherheitsstandard gebracht werde.
Allerdings sprach sich der Minister auf dem Podium nicht
ausschließlich für Kernenergie aus. Vielmehr forderte er einen
Energiemix aus Windstrom, Atomkraft und Kohlekraft. Andernfalls drohe
eine Energielücke. Denn bundesweit müssten aus ökologischen Gründen
eine Reihe alter Kohlemeiler durch moderne ersetzt werden, andererseits
reiche Windenergie allein nicht aus, um die Grundlast zu garantieren,
die permanente Versorgung mit Strom.
Auch aus einem anderen Grund spricht sich der Wirtschaftsminister
für eine Laufzeitverlängerung aus: Kernkraft erzeuge, anders als
Kohlekraftwerke, wenig CO2. Und er gab zu, dass dem Land durch den seit
Sommer 2007 anhaltenden Stillstand viel Geld entgehe. Uns fehlen
derzeit zwei Kernkraftwerke. Der wirtschaftliche Schaden ist
beachtlich.
Das bestätigte Ernst Michael Züfle für den Betreiber der beiden
Anlagen, Vattenfall. Er erteilte aber auch dem im vorigen Jahr von der
Steinburger CDU geäußerte Wunsch nach dem Neubau eines Atomkraftwerks
in Brunsbüttel eine Abfuhr. Der beschlossene Ausstieg aus der
Kernenergie in Deutschland lasse dies gar nicht zu.
Andererseits, so Züfle, sei nicht nachvollziehbar, dass der Reaktor
in Brunsbüttel nur noch zwei Jahre ans Netz dürfe und Krümmel immerhin
noch achteinhalb Jahre Restlaufzeit habe: Wir haben für beide Anlagen
eine unbefristete Betriebsgenehmigung. In vielen europäischen
Nachbarländern gehe es bereits wieder um den Ausstieg aus dem Ausstieg,
neue Reaktoren werden geplant, alte sollen länger betrieben werden.
Wer Klimaschutz ernst nimmt, muss sich damit auseinandersetzen, bestätigte Marnette. Der erste Schritt ist die Verlängerung.
Auch Christel Happach Kasan, stellvertretendes Mitglied des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, erwartet ein
schnelles Wiederanfahren der beiden schleswig-holsteinischen
Meiler. Wir können zurzeit auf diese Kernkraftwerke nicht verzichten.
Und weiter: Wir müssen uns von dem Ausstiegsbeschluss verabschieden.
Zudem müsse Deutschland wieder verstärkt in die Kernforschung
einsteigen.
Wie Marnette, dem die Bezeichnung grottenschlecht einfiel,
monierte die Abgeordnete eine in der Vergangenheit unzureichende
Informationspolitik durch Vattenfall. Vieles habe schlicht zu lange
gedauert. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, informiert zu
werden. Und zwar, so Marnette ergänzend: Klar, schnell und
umfassend. Man könne nicht von Stockholm aus Informationspolitik für
den Standort Brunsbüttel betreiben. Das, so Züfle sei inzwischen
behoben, eine Kommunikationsabteilung sei aufgestellt. Interessenten
lädt er ins Info-Center am Brunsbütteler Kernkraftwerk ein.
Ralf Pöschus