Diskussionsfazit: "Energiesparen ist die Hauptenergiequelle". WZ vom 18.04.2009
Energie sparen ist die Hauptenergiequelle
Kohlekraft, Atomkraft, erneuerbare Energien im Elbeforum wurde die Zukunft des Stroms diskutiert.
Brunsbüttel
Die Schleusenstadt und die geplanten Steinkohlekraftwerke
eigentlich ist alles gesagt: Die Gegner fürchten langfristige Schäden
für Umwelt und Gesundheit, vor allem in der Wilstermarsch, die in der
Hauptwindrichtung der Abgasfahnen aus den Brunsbütteler Schloten liegt.
Die Befürworter warnen vor einer Energielücke, wenn erstmal die
deutschen Atommeiler abgeschaltet sind ohne Kohle gehe es dann nicht.
Die Lösung dürfte in der Mitte liegen, in einem Energiemix aus
Atomkraft, Kohlekraft und vor allem den erneuerbaren Energien. Das
machte am Donnerstag einmal mehr eine Podiumsdiskussion zum zum Thema
im Elbeforum deutlich.
Eingeladen hatte die Klima-Allianz unter Mitwirkung der Brunsbütteler Jusos. Auf dem hochkarätig besetzten Podium saßen SPD-Landeschef Ralf Stegner, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake, der ehemalige schleswig-holsteinische
Energiestaatssekretär Willy Voigt und Stephan Klose (Bürgerinitiative
Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe) sowie Südweststrom-Geschäftsführerin Bettina Morlok und Brunsbüttels CDU-Fraktionschef Andreas Wohlert. Sie gingen der Frage zur Zukunft der Energieversorgung nach.
Einhellige Meinung: Ohne Energiemix geht es nicht. Doch über die Anteile an Atom- und Kohlekraft herrschte geteilte Meinung.
So stellte Ralf Stegner klar: Kernenergie habe für ihn keine
Zukunft, die sei schlicht zu gefährlich, der Ausstieg die einzige
Lösung. Erneuerbare Energien müssen Vorrang haben, unterstrich der
Sozialdemokrat. Denn: Die haben wir bis ans Ende unserer Tage. Und
nur bis diese Energiequellen richtig sprudeln, dürfe zeitlich
begrenzt auf fossile Brennstoffe wie Kohle zurückgegriffen werden.
Stegner nahm zudem jeden Einzelnen in die Pflicht: Energie sparen ist
die Hauptenergiequelle.
Eine klare Absage an die vielfach beschworene Stromlücke erteilte
Willy Voigt: Wir haben weder heute noch 2030 eine Stromlücke.
Kohlekraft habe gar keine Zukunft. Denn vor dem Hintergrund der
Zielsetzung zum Klimaschutz zeige sich, dass 2050 allein zehn bis 15
Kohlekraftwerke die Emissionsgrenzen ausreizen. Dann wäre für
Straßenverkehr, Industrie und Haushalte gar kein Raum mehr,
irgendwelche Abgase zu produzieren. Außerdem seien Kohlekraftwerke
nicht wirtschaftlich zu betreiben.
Dagagen wiederum wehrte sich Bettina Morlok. Die Geschäftsführerin
der Südweststrom, einem Zusammenschluss aus Stadtwerken, erklärte, das
für das Brunsbütteler Projekt sehr genau gerechnet werde. Schon 6000
Jahresbetriebsstunden genügten. Das Tübinger Unternehmen stehe zudem
nicht nur für rauchende Schlote, sondern betreibe seit Jahren einen
Energiemix. Kohlekraft werde nicht zu Lasten erneuerbarer Energien
eingesetzt. Morlok hob hervor: Man braucht eine solche Versorgung.
Die sei zudem bei den Produktionskosten günstiger als etwa Strom aus
Erdgas.
Doch weder Kohle- noch Atommeiler seien geeignet, flexibel auf
Engpässe zu reagieren, etwa weil wetterbedingt weniger Windstrom
erzeugt werde, stellte Rainer Baake fest. Sowohl die Notwendigkeit des
Klimaschutzes als auch die begrenzten Ressourcen fossiler Brennstoffe
zwängen zum verstärkten Umstieg auf erneuerbare Energien. Derzeit sei
Deutschland weit entfernt von einer Unterversorgung mit Strom. Es gebe
enorme Überschüsse, die exportiert werden: 22 Terawatt. Baake räumte
aber ein: Das bedeutet nicht, dass dies auch in 20, 30 Jahren noch so
ist.
Zustimmung erhielt Stephan Klose von Ralf Stegner, als er die
Arbeitsplatzfrage ansprach. Die in Brunsbüttel geplanten Kraftwerke
brächten langfristig nicht so viele Stellen. Stegner erklärte, dass vor
allem der Sektor der erneuerbaren Energien Arbeitsplätze schaffe.
Landesweit 6000 bis 7000 Stellen in den nächsten Jahren: Ein Großteil
davon muss nach Brunsbüttel kommen.
Verwundert registrierte Klose, dass die Politik offenbar machtlos
sei: In Brunsbüttel werde ohne Rücksicht auf die Wilstermarsch
entschieden, in Büttel ohne Absprache mit der Schleusenstadt. So eine
Dichte von Kohlekraftwerken wird es nirgendwo sonst geben, warnte
Stephan Klose.
Eine klare Marschrichtung seiner Partei auf überörtlicher Ebene
vermisste auch Andreas Wohlert. Der Brunsbütteler Ratsherr (Wir sind
ein Industriestandort, kein Kurort) hält den Bau eines Kohlekraftwerks
für unverzichtbar. Dass eines Tages im Industriegebiet, zu dem Bütteler
Flächen gehören, womöglich drei Kraftwerke vier Kohleblöcke betreiben,
bereite auch ihm Kopfzerbrechen. Die hätten wir nicht so gern.
Andererseits, so Wohlert, sehe sich die Stadt mit einem langwierigen
Entscheidungsprozess bei den Investoren konfrontiert. Auch Südweststrom
habe noch nicht mit dem Bau begonnen.
Doch Bettina Morlock versicherte vor den rund 300 Zuhörern im Elbeforum: Wir kommen.
Ralf Pöschus