Jens Rusch will ein auf Brunsbüttel bezogenes Krebskataster erstellen
Auf Spurensuche
Jens Rusch will ein auf Brunsbüttel bezogenes Krebskataster erstellen
Von Michael Behrendt DLZ 5.3.09
Brunsbüttel Durch Fakten ist es nicht belegt, und doch verfestigt sich bei vielen Bürgern das Gefühl: In Sachen Krebs kommen die Einschläge immer näher. Kaum jemand, dessen Familie oder Freundeskreis von Krebsfällen verschont ist. Jens Rusch bekommt solche Tendenzen direkt zu spüren und will ihnen nun auf den Grund gehen..
Seit einiger Zeit engagiert sich der Brunsbütteler Künstler, der vor Jahren selbst an einem Zungengrundtumor erkrankte, für Patientenkompetenz im regionalen Umfeld. Gerade erst hatte er eine Informationswoche zum Thema Komplementärmedizin organisiert, die auf eine große Resonanz stieß. Auch seine Bemühungen, die asiatische Heilpflanze Jiaogulan in unseren Breiten bekanntzumachen, sorgten dafür, dass in den zurückliegenden Monaten viele Krebskranke den Dialog mit ihm suchten. Ich bin inzwischen zu einer Anlaufstelle für Krebsbetroffene aus der Region geworden, sagt der 58-Jährige.
Besonders beunruhigt habe ihn, dass offenbar in unmittelbarer Schleusennähe sowie in einer Fahne nordöstlich von Brunsbüttel verstärkt Krebsfälle zu verzeichnen seien. Eine Mitteilung im täglichen Hafenbericht der Deutschen Schifffahrtszeitung über die Beimischung von chemischen Industrieabfällen in Schweröl in Rotterdam und einer weiteren niederländischen Hafenstadt ließ dann bei Rusch die Alarmglocken schrillen. Auch Greenpeace beschäftigt sich mit dieser Form der offenbar tolerierten Verbrennung von Schadstoffen auf offener See. Eine Bedrohung, die so zunächst relativ fern erscheint. Wenn da nicht die Schleusen wären, in denen jährlich tausende Schiffe vor sich hin tuckern.
Ob es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen den Krebserkrankungen am Ort und den Emissionen des Schiffverkehrs in den Schleusen geben könnte? Ursachen ließen sich besser lokalisieren, wenn man straßengenau wüsste, wo hier Krebserkrankte leben oder lebten, meint Rusch. Das Krebsregister des Instituts für Krebsepidemiologie an der Universität zu Lübeck schlüsselt Krebsfälle im Land lediglich bis zur Gemeindeebene auf beschnitten durch den Datenschutz. Das heißt: Man weiß dort zwar, wie viele Krebsneuerkrankungen und Todesfälle es in einer Stadt gibt, nicht jedoch, ob sich dort in einem bestimmten Gebiet Krebsfälle ungewöhnlich häufen.
Für sich gesehen seien die Brunsbütteler Zahlen unauffällig, erklärt Professor Dr. Alexander Katalinic, Direktor des Krebsregisters, im Gespräch mit unserer Zeitung (siehe auch Krebs-Statistik). Darüber hinaus könne er jedoch keine Angaben dazu liefern, ob es tatsächlich in Schleusen- beziehungsweise Kanalnähe eine erhöhte Dichte an Krebskranken gibt. Entsprechende Daten fehlen.
Dieses Manko will Jens Rusch beseitigen durch die Erstellung eines lokalen, Brunsbüttel spezifischen Krebskatasters. Aus diesem Grund plant er jetzt mittels eines Formulars, das er bei Ärzten und Apotheken auslegen will, Daten zu sammeln mit dem Zeitpunkt der Erstdiagnose sowie dem genauen Wohnort zum Zeitpunkt beziehungsweise, falls abweichend, in den Jahren vor der Diagnose. Diese Informationen will Rusch dann auf einem Stadtplan natürlich anonymisiert visualisieren, um so festzustellen, ob sich Krebsfälle tatsächlich irgendwo ballen. Und falls das so ist, der Ursache weiter auf den Grund gehen.
Krebs-Statistik
Mitte März wird das Institut für Krebsepidemiologie die neuesten Krebs-Statistiken für Schleswig-Holstein vorlegen, die auf Daten aus dem Jahr 2006 basieren. Demnach wurden in Dithmarschen 425 Krebsneuerkrankungen bei Männern sowie 366 bei Frauen registriert. Krebs-Todesfälle wurden kreisweit 193 bei Männern und 179 bei Frauen gezählt. Auf Brunsbüttel heruntergebrochen verzeichnete das Krebsregister 38 Neuerkrankungen bei Männern sowie 34 bei Frauen.
Zu den häufigsten Tumorarten in Ditmarschen wie auch im gesamten Bundesland gehören bei Männern Prostatakrebs, Lungenkrebs und Darmkrebs, bei Frauen Brustkrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs.
Unkritische Werte
Seit September 2008 lässt das Land in einer mobilen Luftmess-Stationin der Goethestraße (Foto) im Rahmen der allgemeinen Überwachung der Luftqualität Emissionen wie Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid aus dem Schleusenbereich messen, um festzustellen, wie sich der Schiffsverkehr auswirkt. Mitte des Jahres sollen die Ergebnisse ausgewertet werden, erklärte Joachim Lehmhaus vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume (ehemals Staatliches Umweltamt) gestern auf Anfrage. Bislang seien unkritische Werte verzeichnet worden.