Prokon: Ringen um Kapital. WZ vom 15.01.2014
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Immer mehr Anleger ziehen Geld von Prokon ab
Itzehoe/kim
Es wird eng für den Ökofinanzierer Prokon. Trotz massiven Drucks auf
seine 75 000 Anleger, kein Kapital abzuziehen und bestehende Kündigungen
rückgängig zu machen, wurden bis gestern Genussrechte in Höhe von 187,7
Millionen Euro gekündigt. Das teilte das Unternehmen auf seiner
Homepage mit. Damit wird das von Prokon selbst als überlebenswichtig
angegebene Limit von 95 Prozent des gesamten Genussrechtekapitals (1,4
Milliarden Euro) deutlich unterschritten. Fünf Prozent von 1,4
Milliarden Euro wären 70 Millionen Euro. Die zurzeit gekündigten knapp
188 Millionen Euro machen gut 13 Prozent des Kapitals aus. Dabei ist
wie mehrere Fachleute versichern derzeit eine Kündigung gar nicht
notwendig. Sie erhöhe nur das Insolvenzrisiko, ohne die eigene
Forderungsposition zu verbessern. Genussscheine stehen nämlich im
Gläubiger-Ranking ganz hinten. Daran ändere auch
eine Kündigung nichts, betont zum Beispiel die Siegburger Fachkanzlei
Göddecke und weist darauf hin, dass zunächst das Finanzamt, die
Sozialkassen und danach Banken und Anleihegläubiger bedient werden.
Experten raten zur rechtlichen Prüfung
Auch Michael Herte von der Verbraucherzentrale in Kiel rät nicht dazu,
jetzt noch zu kündigen. Wer jedoch schon gekündigt habe, solle unbedingt
daran festhalten, denn dieses ergibt eine fällige Forderung, die
Grundlage für einen vollstreckbaren Titel ist, so der Experte. Die
Kanzlei Göddecke rät Anlegern, zudem zu prüfen, ob sie
Schadensersatzansprüche gelten machen, etwa wegen des Jonglierens mit
Zahlen in der Anlegerkommunikation. Ein zweiter Ansatzpunkt sei die
Anfechtung der Genussscheinbedingungen. Vor Gericht könne geltend
gemacht werden, dass Prokon den Anlegern intransparente
Vertragsklauseln aufgetischt hat. Die Verträge sind dann unwirksam und
die Anleger haben bei der Verteilung der Insolvenzmasse automatisch
bessere Karten, so die Kanzlei. Nach Ansicht von Ökonomen krankt das
System Prokon daran, dass mit kurzfristig kündbarem Kapital
langfristige Investitionen etwa Windkraftanlagen finanziert wurden.
Auch gestern war in der Unternehmenszentrale in Itzehoe telefonisch
niemand für einen Stellungnahme zu erreichen.
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Prokon: Ringen um Kapital und ein Baustopp
Itzehoe /lpe
Alles aus einer Hand das ist das Credo bei der Firma Prokon. So
wurde die eigene Windkraftanlage P3000 konzipiert, für deren Fertigung
im vergangenen Juni ein großer Neubau an der Kirchhoffstraße eingeweiht
wurde. Ein erster Prototyp des Rotors steht seit August in Mecklenburg-Vorpommern,
der zweite soll nach Firmenangaben in Kürze in Nortorf bei Wilster
aufgestellt werden. Alles aus einer Hand gilt auch bei Werbung und
Vertrieb. Eigens dafür wird zurzeit an der Einfahrt zum Innovationsraum
der nächste Neubau der Firma errichtet, der auch eine Druckerei
aufnehmen soll. Das Gebäude ist fast fertig, nun ruhen die Arbeiten
allerdings.
Der Grund ist der Kampf Prokons gegen die Insolvenz. Diese hatte das
Unternehmen selbst angekündigt für den Fall, dass weiter
Genussrechtskapital abfließt. Täglich werden nun auf der Internetseite
neue Zahlen veröffentlicht. Die Summe des gekündigten Kapitals stieg
demnach gestern auf 187,7 Millionen Euro. Parallel wurde aber gestern
Nachmittag die Nachricht veröffentlicht, dass 4091 Genussrechtsinhaber
ihre Papiere gehalten oder erhöht hätten oder Kündigungen zurückgenommen
hätten. So sei Prokon Kapital in Höhe von annähernd 82,7 Millionen Euro
nicht entzogen worden.
Beunruhigt zeigt sich in einer Erklärung der CDU-Bundestagsabgeordnete
Mark Helfrich: Für die Energiewende seien Privatanleger unverzichtbar.
Es sei unerlässlich, dass Prokon das Vertrauen in seine
Geschäftsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit wiederherstelle: Das
Unternehmen sollte mit größtmöglicher Transparenz auf die Vorbehalte
reagieren. Auch die Landesregierung sei gefordert, alles Denkbare zu
tun, gerade mit Blick auf das Prinovis-Aus.
Mit den Interessen der Anleger und 1300 Jobs gehe es um viel, so
Helfrich. Nicht direkt betroffen ist dagegen der Kindergarten
Schatzinsel, dessen 45 Plätze fast voll belegt sind: Prokon hat ihn
gebaut, Mieter ist aber ein Trägerverein. Dabei bliebe es auch bei einer
Insolvenz.