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St. Michaelisdonn: Energie für die Zukunft. WZ vom 09.03.2010

St. Michaelisdonn: Energie für die Zukunft. WZ vom 09.03.2010



Mit Energie in die Zukunft
Dorfrundgang mit Bürgermeister Volker Nielsen: von Fahrradhotel über Golfplatz bis Bioanlage und Solarfeld
St. Michaelisdonn

Wäre die Geestgemeinde ein Wirtschaftsunternehmen, ließe sich sagen,
St. Michel stellt sich neu auf. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der
Energieversorgung des 3650 Einwohner zählenden Orts zwischen Burg und
Marne. Ein weiteres Standbein soll der Tourismus werden.


„Wir müssen Schwerpunkte setzen, denn wir wollen nicht der
langweilige Ort sein, durch den man hindurchfährt“, sagt Bürgermeister
Volker Nielsen beim Gang durch die Gemeinde. Immerhin erfüllt St.
Michel die Funktion eines Zentralorts, hält Schulen und Kindergarten
vor, leistet sich sogar ein Freibad. Und die Einwohnerzahl sei seit
Jahren stabil, erzählt Nielsen stolz. Im Ort praktizieren fünf
Zahnärzte und fünf Allgemeinmediziner, es gibt eine Apotheke. Aber
reicht das, um zukunftsfähig zu sein?


Nicht ganz, gibt der Bürgermeister zu verstehen: „Die Gemeinde muss
ein Image entwickeln, mit dem sie andere anspricht.“ Gerade die
günstige Energieversorgung für die Einwohner könne ein Lockmittel sein.


Den Grundstein dafür legte schon 1996 die Biogasanlage, damals die
erste im Land – und bei manchem Anlieger zutiefst ungeliebt. Die
Biogasanlage ist seither in Betrieb, doch die Idee, die erzeugte Wärme
in unmittelbarer Nachbarschaft zu verkaufen, scheiterte am plötzlichen
Abzug der Zuckerfabrik. „Die Schließung war für uns ein Schock“,
erinnert Nielsen. 120 Arbeitsplätze in einem Traditionsunternehmen plus
Beschäftigte in Fremdfirmen waren vom Abzug der Zuckerfabrik betroffen.
„Die war die Wirtschaftskraft für St. Michaelisdonn.“ Die Gemeinde
hatte mit einem Mal eine Industriebrache am Bein, für die eine neue
Nutzung nötig wurde.


Die ist inzwischen gefunden: Auf 9,5 Hektar reihen sich
Solarkollektoren aneinander, Betreiber ist ein Unternehmer aus
Frestedt. Dahinter schließt sich die ebenfalls von einem Unternehmer
betriebene Biogasanlage an, auf weiteren vier Hektar Fläche verfügt die
Gemeinde über Möglichkeiten zur Erweiterung des Geländes. „Wer hier
Strom und Wärme produziert, ist ebenso willkommen wie jemand, der Strom
und Wärme kauft“, wirbt Nielsen für den Energiestandort St.
Michaelisdonn.


Hintergrund: Bis 2038 möchte die Gemeinde den gesamten im Ort
benötigten Strom selbst produzieren. Aus erneuerbaren Energien. Mit
diesem Konzept hat St. Michel im vorigen Jahr bei der Energie-Olympiade den Sieg in der Kategorie „100 Prozent Erneuerbare-Energien-Kommune“ erzielt.


Um die Aktivitäten zu bündeln, wurden Gemeindewerke gegründet, im
Amtshaus sitzt die Energieberatung. Zum Konzept gehört auch die
Übernahme des Stromnetzes. Zudem wurde ein Testfeld für
Kleinwindkraftanlagen beschlossen. Und endlich kann etwas in Angriff
genommen werden, was in der Vergangenheit an der den Ort durchziehenden
Bahntrasse scheiterte: die Nahwärmeversorgung von Schulen und
Schwimmbad. Auch Anlieger der Trasse sollen davon profitieren.


Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, sei ein langer Atem nötig, gibt
Bürgermeister Nielsen zu. Aber die Gemeinde will sich nicht in
Alleingängen verstricken – die Einwohner werden in seit langem in die
einzelnen Projekte mit einbezogen. „Netzwerke“ sind ein oft von Nielsen
gehörtes Wort beim Rundgang durchs Dorf. Aber nur gemeinsam lasse sich
das große Ziel auch erfolgreich ansteuern, weiß er.


St. Michels Weg zur Energiegemeinde schafft auch Arbeitsplätze,
mittlerweile stehen in den örtlichen Unternehmen von Windkraft über
Biogas bis Solarstrom 50 Menschen in Lohn und Brot.


Weitere Arbeitsplätze soll der Tourismus bringen. Ein Thema, das
schon in der Ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalyse als
Perspektive angerissen wurde. Doch erst in jüngerer Zeit macht sich die
Gemeinde auf den Weg, dies umzusetzen.


So etwa mit dem privat betriebenen Campingplatz unmittelbar neben
dem Sportflugplatz im Ortsteil Hopen. Das ganze Jahr hindurch haben
dort Camper Gelegenheit, ihre Zelte aufzuschlagen. Wobei es in erster
Linie Urlauber mit Wohnmobilen und Wohnwagen sind, die den Platz
ansteuern. Mittlerweile ist auf dem Gelände der ehemaligen
Fallschirmspringerschule Raum für 50 Fahrzeuge. Damit nicht genug, das
zentrale Gebäude mit Küche, Aufenthaltsraum und Sanitäreinrichtungen
wird zurzeit aufgestockt: Ein Fahrradhotel entsteht.


„Wenn man Touristen hier haben will, muss man was anbieten.“ Und da
ist es vor allem die einmalige Landschaft, mit der St. Michel locken
kann: Das Areal am Klevhang, dort wo einst die Nordseewellen an die
Geest schlugen, bietet viel Natur und vor allem die Gelegenheit, den
Blick weiter übers südliche Dithmarschen schweifen zu lassen.
Nordseeradwanderweg und die NOK-Route, ist
Nielsen überzeugt, bringen Gäste auf den Donn. Denn: „Zwischen
Brunsbüttel und Beldorf gibt es kein Quartier für Radler.“ Daher
versuche die Gemeinde den Standort für beide Fahrradrouten zu
profilieren.


Rund um den Flugplatz, der einst ein Regionalflughafen für das
Brunsbütteler Industriegebiet werden sollte ziehen sich diverse
Wanderwege. Auch diese sind mit Hilfe von Netzwerken ausgebaut worden:
„Ich habe die Bürger zwei Jahre lang zu Arbeitsdiensten aufgerufen“,
erzählt Volker Nielsen. Damit dieser Einsatz Bestand hat, kümmern sich
ehrenamtlich Senioren um die Wege, sagen Bescheid, wenn etwas nicht in
Ordnung ist. Der nächste Wanderweg ist bereits in Planung: Er wird sich
um das Erweiterungsgelände des Golfclubs ziehen, das gerade in Arbeit
ist. 13 Hektar werden für die Golfer vorbereitet, ursprünglich die
größte landwirtschaftliche Fläche in Hopen.


Was aber in St. Michaelisdonn kaum noch zu retten ist, ist der
Wochenmarkt. Der habe sich, so Nielsen, „auf einen Anbieter
hingekränkelt“. Aber diese Entwicklung schreibt der Bürgermeister der
Differenz aus Angebot und Nachfrage zu. Wenn letztere nicht mehr
ausreiche, um den Markt für Beschicker attraktiv zu halten, sei das
Angebot auf Dauer eben nicht zu halten.


Ralf Pöschus