Weniger Kündigungen: Schonfrist für Prokon . WZ vom 21.01.2014
Weniger Kündigungen: Schonfrist für Prokon
Hälfte der Anleger halten Unternehmen die Stange: 720 Millionen Euro bleiben
Itzehoe
Es wird schon weitergehen so war gestern aus Mitarbeiterkreisen
bei Prokon zu hören. Alle seien dabei, die Post der Anleger auszuwerten,
und dies gehe wohl noch einige Tage so weiter. Zwar werde über die Lage
diskutiert, aber eine Krisenstimmung herrsche nicht.
Bis gestern um 17.30 Uhr haben laut Prokon-Webseite
45 500 der etwa 75 000 Anleger abgestimmt, ob sie ihre Genussrechte
behalten oder kündigen wollen. Zurzeit überschneiden sich der Eingang
und die Erfassung von Kündigungen und Kündigungsrücknahmen. Das heißt:
Bei den fehlenden Anlegerabstimmungen kann noch keine Aussage über
weitere potenzielle Kündigungen getroffen werden, teilte das
Unternehmen mit.
Fast 39 000 sollen bis gestern einer verlängerten Kündigungsfrist
zugestimmt und somit 720 Millionen Euro bei Prokon belassen haben. 6500
Anleger kündigten dagegen zusammen 100 Millionen Euro. Am vorigen
Freitag betrug der Summe der Kündigungen noch 226 Millionen Euro. Eine
Entwarnung ist das noch nicht, aber das Unternehmen hat sich demnach
mehr Luft verschafft. Erst vor elf Tagen hatte Prokon erklärt, dass eine
Insolvenz nur zu vermeiden ist, wenn mindestens 95 Prozent des gesamten
Genussrechtskapitals bis zum 31. Oktober 2014 nicht gekündigt werden.
Anleger dürfen also nur 70 Millionen Euro abziehen. Da dieser Betrag
noch um etwa 30 Millionen höher liegt, bleibt die Zukunft der Windkraft-Energie-Firma weiterhin ungewiss, ist auch eine Insolvenz nicht auszuschließen.
Doch auch eine Planinsolvenz muss nicht das Ende des Unternehmens
sein, wie die Geschäftsleitung der Belegschaft bereits ausführlich im
Vorfeld erläutert haben soll. Aus der Firma heißt es: Eine
Planinsolvenz kann auch eine Chance sein, gesund zu werden. Immerhin
gebe es sehr viele sich drehende Windmühlen und auch Einnahmen aus den
beiden anderen Bereichen. Natürlich werde die Firma kleiner werden, aber
es könne weiter gehen. Aus dem Umfeld von Geschäftsführer Carsten
Rodbertus ist zu hören, dass es auf jeden Fall weitergeht. In der
vergangenen Woche hatte er unter Berufung auf einen Insolvenzrechtler
erklärt, dass eventuell die Voraussetzungen für eine Insolvenz doch
nicht gegeben sind.
Unterdessen hat Prokon in diesen Tagen im Nortorfer Ortsteil Poßfeld
(Kreis Steinburg) den zweiten Prototyp seiner Windenergieanlage P 3000
aufgestellt. Die erste Anlage aus eigener Fertigung war voriges Jahr in
Krackow (Mecklenburg-Vorpommern) in den Probebetrieb gegangen.
Die Bundesregierung will aus den Vorgängen um Prokon Konsequenzen
ziehen. Die aktuelle Debatte um Prokon zeigt, dass der
Verbraucherschutz im Bereich des Finanzmarkts gestärkt werden muss,
sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustiz- und
Verbraucherschutzministerium, Ulrich Kelber, dem Handelsblatt. Die
Finanzaufsicht Bafin sollte möglichst schnell in die Lage versetzt
werden, Finanzprodukte zu verbieten oder den aktiven Vertrieb zu
untersagen, sofern diese die Finanzmarktstabilität gefährden oder
unverhältnismäßige Risiken für Anleger bergen.
Dieter Brumm