Forum der BiGKU - Presseberichte Regional

Zwei Jahre nach Fukushima: Atomkraft-Rückbau stoppt. WZ vom 11.03.2013

Zwei Jahre nach Fukushima: Atomkraft-Rückbau stoppt. WZ vom 11.03.2013



Zwei Jahre nach Fukushima: Atomkraft-Rückbau stockt
Energieminister Habeck drängt auf konkreten Ablaufplan für den Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel
Brunsbüttel / Kiel

Es sind die Bilder, die viele Menschen nicht vergessen können. Die
Bilder, die genau vor zwei Jahren von rauchenden Reaktoren im
Atomkraftwerk Fukushima in Japan entstanden, und um die Welt gingen.
Seitdem ist viel passiert, Deutschland hat den Ausstieg aus der
Kernenergie beschlossen, der Energiekonzern Vattenfall hat für das seit
2007 abgeschaltete Kernkraftwerk in Brunsbüttel einen siebenseitigen
Genehmigungsantrag auf Stilllegung gestellt. Nicht genug, meint
Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert
Habeck (Grüne): „Der Antrag muss jetzt zügig konkretisiert werden.
Vattenfall kommt bei Brunsbüttel nicht in die Puschen.“ Trotz Drängens
habe der Konzern keine weiteren Unterlagen eingereicht. Eine sachliche
Prüfung aufgrund des Kurz-Antrags, der nur eine
grobe Rahmenbeschreibung enthalte, sei aber nicht möglich, so Habeck.
„Es bedarf eines konkreten Zeitplans und eines Arbeitsablaufplans.“ Eine
Prüfung dauere mindestens drei Jahre bevor es eine
Stilllegungsgenehmigung geben könne.


Das weiß auch Vattenfall. „Wir arbeiten an einem detaillierten Konzept. Das wird etliche Ordner füllen“, sagt Vattenfall-Sprecherin
Sandra Kühberger. Wie lang die Zusammenstellung dauert, kann sie nicht
sagen – nicht einmal, ob es sich um Monate oder Jahre handelt. Nur so
viel: „Wir wollen mit der nötigen Sorgfalt daran gehen.“ Und: „Unter der
in etwa vier Jahren erwarteten ersten Stilllegungs- und
Abbaugenehmigung werden einzelne Schritte im bewährten
Aufsichtsverfahren beantragt und gutachtlich durch von der Behörde
hinzugezogene Sachverständige begleitet.“ Ob der Rückbau des Kraftwerks
zur grünen Wiese so in den von Vattenfall prognostizierten 20 bis 30
Jahren klappt, muss abgewartet werden.


Habeck kann nicht mehr tun, als immer wieder öffentlich aufs Tempo zu
drücken – etwa so: „Der Atomausstieg muss unumkehrbar sein. Dazu gehört
die zügige Stilllegung von Brunsbüttel.“ Denn laut Atomgesetz kann
Habeck dem Konzern keine Fristen setzen. Und Vattenfall hat seinen
Antrag nur unter Vorbehalt gestellt. „Wir brauchen ab 2019 ein
genehmigtes Endlager für die anfallenden rund 10 000 Tonnen schwach- und
mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad. Denn wir müssen die aus
Brunsbüttel ja irgendwo hin bringen. Dort reicht unser Lager nicht aus“,
sagt Kühberger. Ob das Lager bei Salzgitter dann genehmigt ist, ist
offen. Das Energiewendeministerium weist jedoch daraufhin, dass
Vattenfall in seinem siebenseitigen Antrag bereits selbst
„Nutzungsänderungen von Raumbereichen und/oder die Errichtung eines
neuen Lagers für radioaktive Abfälle“ in Brunsbüttel in Aussicht stellt.
Die hochradioaktiven Stoffe, die beim Rückbau anfallen, könnten im
Zwischenlager, das ein paar hundert Meter neben dem Reaktorgebäude
steht, untergebracht werden. Das ist bis 2040 genehmigt.


Vattenfall bestreitet, den Rückbau zu verzögern. Es gehe nicht darum,
Zeit beim Rückbau zu schinden, um etwaige Verfahren zu beeinflussen,
sagt Sprecherin Kühberger. Der Konzern hat die Bundesregierung auf
Entschädigung für den vorzeitigen Entzug der Betriebsgenehmigung und die
Untersagung des Verbrauchs der Reststrommengen verklagt – um wie viel
Geld es geht, sagt Vattenfall nicht. Partner E.ON, der das Kraftwerk in
Brunsbüttel und das im benachbarten Brokdorf mitbetreibt, will acht
Milliarden Euro haben. „Ich denke, Vattenfall will Krümmel als Pfand für
seine Klage gegen den Atomausstieg behalten. Für mich ist das
inakzeptabel“, sagt Habeck dazu. „Vattenfall pokert.“


Wann die Bilder vom Abriss der schleswig-holsteinischen
Atomkraftwerke in die Köpfe der Menschen kommen, bleibt also unklar.
Noch sind dort die von rauchenden Kernkraftwerken in Fukushima. Für den
heutigen Jahrestag sind allein in Schleswig-Holstein mindestens 15 Gedenkveranstaltungen geplant.Kay Müller