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Aus für Asbest-Transporte? WZ vom 11.01.2012

Aus für Asbest-Transporte? WZ vom 11.01.2012

Aus für Asbest-Transporte
Gutachten: Gesundheitsgefahren für Bevölkerung zu groß / Umweltministerin lehnt Lagerung im Norden ab
Kiel/Schwerin /ge

Bürgerinitiativen und Umweltverbände können jubeln: Nachdem Mecklenburg-Vorpommern den Transport von Asbestschlamm und -scherben als rechtswidrig eingestuft hat, will auch Schleswig-Holstein
den Müll nicht mehr. „Nach meiner Einschätzung ist die
Geschäftsgrundlage für die Transporte in der geplanten Form entfallen“,
sagte Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU) gestern. Rumpf will zwar die
Vorlage des gesamten Rechtsgutachtens zum Ende der Woche abwarten, sie
rechne aber „angesichts des deutlichen Signals nicht mehr mit einer
Realisierung des Vorhabens“.


In Schleswig-Holstein sollten rund 30 000 Tonnen Asbestmüll aus dem niedersächsischen Wunstorf zur Deponie Rondeshagen (Kreis Herzogtum-Lauenburg) gebracht werden. Weitere 145 000 Tonnen zur Deponie Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern
– jeweils als Schüttgut auf Lastwagen, abgedeckt nur mit Planen. Doch
die mikroskopisch kleinen Asbestfasern sind krebserregend. Die
Landesregierung Schwerin gab deshalb ein Gutachten bei der auf
Abfallrecht spezialisierten Berliner Kanzlei Gassner-Groth
in Auftrag. Darin heißt es, dass „ein solcher Transport ohne
behördliche Ausnahmegenehmigung gegen Gefahrgut- und Gefahrstoffrecht
verstoßen würde“. Und eine solche Ausnahmegenehmigung gebe es nicht,
erklärte Mecklenburg-Vorpommerns
Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Es sei auch zweifelhaft, ob sie
über so weite Strecken überhaupt erteilt werden könne, weil die
Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung zu groß sei. Auch einen Transport
in luftdichten Verpackungen – sogenannten Big-Bags – lehnte Sellering ab: „Wir werden keine neuen Verhandlungen aufnehmen.“


Schleswig-Holstein will sich bei seiner
Ablehnung auf das Gutachten berufen, und Ministerin Rumpf schließt einen
Transport in luftdichten Big-Bags ebenfalls aus: „Rondeshagen hat ein Transportangebot für Lastwagen gemacht, Big-Bags
würden sich nicht rechnen.“ Schadensersatzforderungen fürchtet sie
nicht. „Es handelt sich ja nicht um eine politische Entscheidung,
sondern um eine Änderung der Sachlage.“ Niedersachsen hätte jetzt noch
die Möglichkeit, das Gutachten anzufechten oder selbst eine
Ausnahmegenehmigung für Transporte zu erteilen. Rumpf appellierte aber
an die Verantwortlichen, den Müll in Wunstorf zu belassen.

Kommentar von Seite 2:



Erfolgreicher Bürgerprotest
Keine Asbesttransporte nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
Eckard Gehm

Ein Rechtsgutachten hat die Asbesttransporte gestoppt. Tatsächlich
aber gebührt der Dank dafür den Bürgerinitiativen in Rondeshagen, Lübeck
und Schönberg. Durch ihre Hartnäckigkeit und ihre Proteste haben sie
die Regierenden von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern
zum Handeln gezwungen. Sie haben jenen öffentlichen Druck aufgebaut,
der notwendig war, um ein gefährliches Geschäft noch einmal zu
überdenken.


Damit ist uns viel erspart geblieben. Experten gehen davon aus, dass
nicht nur 175 000 Tonnen Asbestmüll in Wunstorf liegen, sondern 280 000.
Und nicht nur Asbestschlämme und -scherben, sondern tückische Stäube.
Bereits eine einzige Asbestfaser kann tödlich sein. Geschäftemacher
stört das leider wenig. Das elende Sterben von 2000 Arbeitern der
Eternit-Fabrik im italienischen Casale
Monferrato, das derzeit vor Gericht verhandelt wird, zeigt dies nur zu
deutlich. Deshalb sollte noch einmal darin erinnert werden, wer
überhaupt auf die Idee gekommen ist, die Krebsgefahr durchs Land zu
karren.


Verursacher des Mülls ist die Firma „Fulgurit“, ehemals einer der größten Asbestzement-Hersteller
Deutschlands. Er kippte bis 1990 die Reste seiner Produktion auf eine
Halde bei Wunstorf, heute provisorisch mit Erde bedeckt. Die Firma
existiert nicht mehr, ein Rechtsnachfolger lässt sich nicht finden – nur
Asbest.


Eine Sicherung der Halde würde laut Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland drei Millionen Euro kosten, der Abtransport neun Millionen
Euro. Er wird von der Region Hannover (Landkreis und Landeshauptstadt)
als vollständige Sanierung gepriesen, tatsächlich aber soll das Gelände
neu genutzt werden, wobei – es ist nicht schwer zu erraten – Profit
winkt.


Wollte auch Schleswig-Holstein mitverdienen?
Das Land hält neben Hamburg eine Hälfte der defizitären Deponie
Rondeshagen. Aus dem Ministerium ist zu hören, das operative Geschäft
liege allein in den Händen der Betreiber, der Gesellschaft zur
Beseitigung von Sonderabfällen. Sie allein habe das Angebot abgegeben,
Man wisse nicht einmal, um welche Summen es gehe.


Folgt man dieser Lesart, hätten Geschäftsleute die Gefahr ins Land
geholt. Die Politik wäre unschuldig. Sie hat nun das Gutachten und kann
sich auch noch als Retter feiern. Für alle Bürger bedeutet das: weiter
so engagiert bleiben.







Re: Aus für Asbest-Transporte? WZ vom 11.01.2012

sh:z-online /dpa vom 11.01.2012 um 16:13 Uhr:

Jetzt drohen Schadenersatzforderungen

Schleswig-Holsteins Umweltministerin Juliane Rumpf bekräftigte am
Mittwoch noch einmal, dass die geplanten Asbest-Transporte aus Wunstorf
nicht stattfinden werden. Sie gehe davon aus, dass es keine
Geschäftsgrundlage mehr gebe, sagte die CDU-Politikerin vor dem
Umweltausschuss des Landtags in Kiel.


Rumpf verwies auf das am Vortag in Schwerin vorgestellte
Rechtsgutachten im Auftrag der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns.
Danach wären die geplanten Transporte von insgesamt 170.000 Tonnen Müll
unter anderem nach Rondeshagen im Kreis Herzogtum Lauenburg nicht
zulässig.


Gutachten wird abgewartet


Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein drohen jetzt allerdings
möglicherweise Schadensersatzforderungen des Abfallunternehmers. Das
sagte ein Sprecher der für die 170.000 Tonnen Müll zuständigen Region
Hannover am Mittwoch. Beide Länder hatten am Dienstag erklärt, dass sie
die vertraglich bereits besiegelte Abnahme des Mülls auf landeseigenen
Deponien in Rondeshagen bei Lübeck und Schönberg verbieten wollen.
Asbestfasern gelten als hochgradig krebserregend, wenn sie eingeatmet
werden.


Vor weiteren Schritten warten die Region und das Umweltministerium in
Hannover ein Gutachten aus Mecklenburg-Vorpommern ab. Es wird Ende der
Woche erwartet. Schwerin hatte, darauf gestützt, die Gesundheitsgefahren
für zu groß befunden. Kiel schloss sich den Bedenken an und verweigert
die Annahme des Mülls ebenfalls. Nach einer vom niedersächsischen
Sozialministerium in Auftrag gegebenen TÜV-Untersuchung ist der
Transport ungefährlich.


Juristen befassen sich mit der schwierigen Materie


Hinter den Kulissen sind Juristen in den niedersächsischen Behörden
intensiv mit der schwierigen Materie befasst. Formal meint man, das
Recht auf seiner Seite zu haben und die Transporte starten zu können.
Ohne eine einvernehmliche Lösung möchte aber niemand die Lastwagen auf
den Weg schicken. Sollte der Abtransport des Mülls platzen, drohen der
Region Hannover Mehrkosten in Millionenhöhe. Diese müssten eingeplant
werden, wenn die Halde mit dem Asbestabfall in Wunstorf bei Hannover für
eine endgültige Lagerung hergerichtet werden muss. Eine Spedition will
die Fläche gerne für einen Erweiterungsbau nutzen. Für eine solche
Schaffung von Gewerbeflächen gibt es Zuschüsse von Land und EU, die bei
dem bisherigen Entsorgungskonzept eingeplant waren. Für die Herrichtung
der Halde in Wunstorf gibt es keine Zuschüsse. In Niedersachsen selber
gibt es keine für den Asbestmüll geeignete Deponie mehr.


In Wunstorf lagert Asbestzementschlamm der inzwischen nicht mehr
existenten Firma Fulgurit. Die Firma galt jahrzehntelang als einer der
größten Produzenten von Asbesterzeugnissen in Deutschland. Seit 1993 ist
die Verwendung von Asbest in Deutschland wegen der nachgewiesenen
Gesundheitsgefahren verboten. Der Abtransport sollte ursprünglich im
November beginnen und bis August 2012 beendet sein.


Das Rechtsgutachten für die Schweriner Regierung ergab, dass der
Transport in der geplanten Art und Weise - als Schüttgut auf mit Planen
abgedeckten Lastwagen - ohne Ausnahmegenehmigung gegen Gefahrgut- und
Gefahrstoffrecht verstoßen würde. Mecklenburg-Vorpommern will den Müll
aber auch nicht annehmen, wenn der Transport in luftdichten Verpackungen
- sogenannten Big-Bags - angeboten werden sollte.