Kippt heute das CCS-Gesetz im Bundesrat? Berlin/Hannover /dpa
Das umstrittene Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) steht vor der Ablehnung im Bundesrat. Das verlautete gestern aus Kreisen der Bundesländer. Die Positionen seien sehr festgefahren, daher sei ein Scheitern heute wahrscheinlich. Besonders umstritten ist die sogenannte Länderklausel, die auf Druck von Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingefügt worden war. Damit können Länder unter bestimmten Voraussetzungen CO2-Speicher verhindern. Brandenburg kritisiert, mit der Klausel könnten sich Länder aus der Verantwortung stehlen. Scheitert das Gesetz im Bundesrat, kann die Regierung den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern doch noch eine Lösung zu finden. Da die EU von allen Mitgliedsstaaten eine Regelung fordert, müsste ein Kompromiss gefunden oder bundesweit eine Anwendung ausgeschlossen werden.
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Alles steht auf dem Spiel: CCS-Gesetz droht heute das Aus Berlin/Kiel
Das umstrittene Gesetz zur unterirdischen Kohlendioxidspeicherung (CCS) wird heute im Bundesrat höchstwahrscheinlich keine Mehrheit finden. Die meisten Länder lehnen es in seiner jetzigen Fassung ab nur Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern befürworten es uneingeschränkt. Selbst das bisher aufgeschlossene Mecklenburg-Vorpommern und das schwarz-gelb regierte Sachsen haben Einwände gegen die Pläne der Bundesregierung. Wenn das Gesetz scheitert, steht alles Erreichte auf dem Spiel, warnte gestern Schleswig-Holsteins Bundesbevollmächtigter Heinz Maurus (CDU). Auch das von Kiel erkämpfte Vetorecht für die Länder gegen CO2-Lager auf ihrem Gebiet wäre wieder in Gefahr.
Eben dieses Vetorecht ist aber ein Grund für den Widerstand im Bundesrat. So missbilligen Brandenburg, Hamburg und inzwischen auch Sachsen dieses Schlupfloch für die Länder und wollen es schließen. Von Hamburg hätten wir mit Sicherheit mehr Solidarität erwartet, kritisierte Maurus den Nachbarn. Andere Länder wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wollen das Gesetz grundlegend korrigieren und nur für CO2 aus Industrieanlagen, nicht aber aus Kohlekraftwerken gelten lassen. Und gleich neun Regierungen lehnen einen Passus ab, der sie zwingen kann, 30 Jahre nach Stilllegung der Speicher die Haftung vom Betreiber zu übernehmen. Den SPD-Ländern warf Maurus darüber hinaus übergeordnete Gründe für die Ablehnung vor nämlich taktische Überlegungen, der schwarz-gelben Bundesregierung eine Schlappe beizubringen.
Offen ist noch, ob die Länderkammer das Gesetz rundweg ablehnt oder ob es eine Mehrheit für ein Anrufen des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat gibt. Dann könnte der Entwurf überarbeitet und noch gerettet werden. Einigen sich die Ländern dagegen nicht darauf, müssten das Parlament oder die Regierung den Ausschuss anrufen sonst ist das Gesetz gescheitert. Allerdings wäre dann dennoch ein neuer Anlauf nötig: Eine EU-Richtlinie zwingt Deutschland, ein CCS-Gesetz zu beschließen. Es hätte sogar schon seit Ende Juni in Kraft sein müssen und könnte auch den völligen Ausschluss von CO2-Speichern hierzulande vorsehen. Genau den fordern etwa die CCS-Gegner in Schleswig-Holstein.
Die Bundesregierung aber will das nicht. Sie sieht in der CCS-Technik eine Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel. Kritiker hingegen fürchten ungeklärte Risiken der Technik. So haben sie die Sorge, dass beim unterirdischen Verpressen des Kohlendioxids Salzwasser ins Grundwasser gedrängt wird aber auch, dass das Gas wieder aus der Erde austritt.
Henning Baethge
Re: CCS-Gesetz droht heute das Aus. WZ vom 23.09.2011
sh:z-online vom 23.09.2011 um 13:54 Uhr von dpa:
CO2-Gesetz scheitert an Bundesländern
Aufatmen in Nordfriesland - es wird vorerst keine unterirdischen CO2-Lager unter dem Wattenmeer geben. Das CCS-Gesetz ist im Bundesrat gescheitert.
In Deutschland wird es vorerst keine unterirdischen Kohlendioxid-Endlager geben. Im Bundesrat fand der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung am Freitag wegen unterschiedlicher Auffassungen der Länder keine Mehrheit. Die Regierung wollte die Technologie zur CO2-Abtrennung und Speicherung aus Klimaschutzgründen bis 2017 erproben lassen. Zwei bis drei Lager sollten auf Kapazitäten von maximal je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr beschränkt werden.
Kritiker fürchten jedoch ein unkontrolliertes Entweichen des Gases. Vor allem in Nord- und Ostdeutschland, wo potenzielle Speichergebiete liegen, gibt es massive Bürgerwiderstände. "Wir wollen das in Schleswig-Holstein nicht", machte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) klar.
Gleichzeitig bedauerte Carstensen das Scheitern des Gesetzes. "Der Bundesrat hat heute eine große Chance verpasst, weil sozialdemokratisch geführte Länder taktische Interessen über die Sachargumente gestellt haben", erklärte er. "Für alle Gegner der CCS-Technologie ist deshalb heute ein bitterer Tag." Die Landesregierung werde alle politisch und rechtlich nutzbaren Wege gehen, um Kohlendioxid-Endlager in Schleswig-Holstein zu verhindern.
Umstrittene Sonderklausel
Bei der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) wird zum Beispiel in Kohlekraftwerken das klimaschädliche CO2 abgetrennt, verflüssigt und über Pipelines in unterirdische Lager verpresst. Da eine EU-Richtlinie umgesetzt werden muss, die von den Mitgliedsstaaten eine Regelung zum Umgang mit der CCS-Technologie fordert, müsste die Regierung nun den Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern anrufen oder aber CO2-Speicher für das gesamte Bundesgebiet ausschließen - wie etwa Österreich dies tut. Schleswig-Holstein hatte bei der Abstimmung mit Ja gestimmt.
Die Parlamentarische Umwelt-Staatssekretärin Katherina Reiche (CDU) sagte, es sei fünf Minuten nach zwölf. Da die Richtlinie der EU längst in Deutschland hätte umgesetzt sein müssen, laufe man in ein Vertragsverletzungsverfahren hinein. Man könne angesichts des Klimawandels nicht einfach die Tür für CCS zuschlagen.
Besonders umstritten war bis zuletzt die Sonderklausel in dem Entwurf, die auf Druck von Niedersachsen und Schleswig-Holstein eingefügt worden war. Damit können Länder unter bestimmten Voraussetzungen CO2-Speicher verhindern. Brandenburg kritisiert, mit der Klausel könnten sich Länder aus der Verantwortung stehlen.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) verteidigte die Länderklausel: "Es gibt in unserer Gesellschaft keinen Konsens für den Einsatz der CCS-Technologie." Es sei zweifelhaft, ob CCS dem Klimaschutz nütze. Der Energieaufwand für das Verfahren sei so groß, dass man für fünf CCS-Kohlekraftwerke praktisch ein sechstes bräuchte um die gleiche Menge Strom zu erzeugen, wie mit fünf herkömmlichen Anlagen. Die Risiken seien zudem nicht abwägbar und nicht ausgeschlossen, sagte Bode.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) wandte sich gegen die Länderklausel: "Deutschland gehörte bisher zu den Technologieführern bei CCS. Wir brauchen daher eine bundesweit einheitliche Lösung". Es gehe nicht nur um die Emissionen aus Kohlekraftwerken. 400 Millionen Tonnen CO2 jährlich würden allein in der Industrie ausgestoßen. Die CCS-Technologie sei ein wichtiger Bestandteil, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.
Mit dem vorläufigen Aus könnte sich auch der Energiekonzern Vattenfall aus dem bisher einzigen Projekt für ein 1,5 Milliarden Euro teures Demonstrationskraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde zurückziehen. Ohne das Kraftwerk dürfte es auch nicht mit dem Ziel klappen, CCS in Deutschland bis 2020 serienreif zu machen.
Große schwarze "CO2-Zeitbombe"
Vor dem Bundesratsgebäude demonstrierten am Freitag Gegner und Befürworter. Eine große Gruppe der Gewerkschaft IG BCE sprach sich für CCS aus, da es tausende Arbeitsplätze in Kohlekraftwerken sichern könnte. Benjamin Maeschke, Azubi im Vattenfall-Kraftwerk Schwarze Pumpe, betonte: "In Norwegen wird das schon länger ausprobiert, ohne dass es Probleme gibt". CCS sei gut im Kampf gegen den Klimawandel, "weil wir das CO2 nicht mehr in die Luft pusten müssen".
Greenpeace baute eine große schwarze "CO2-Zeitbombe" auf, um vor unkalkulierbaren Risiken, etwa für das Trinkwasser zu warnen. Im Gegensatz zu Greenpeace empfehlen andere Umweltverbände wie der WWF einen Test von CCS, weil so auch die CO2-Ausstöße in der Industrie vermindert und Fortschritte beim Klimaschutz erzielt werden könnten.