"Die Ausgangslage hat sich geändert"
Strom aus regenerativen Quellen,
aus der Atomspaltung UND aus fossilen Brennstoffen - das geht nicht
alles gleichzeitig im Netz. So könnten die Laufzeitverlängerungen einen
positiven Nebeneffekt haben: Kohlekraftwerke unwirtschaftlich machen.
Von Sarah Messina und Nick Reimer
Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten bringen offenbar bereits
Kohlekraftwerksprojekte ins Wanken. "Die Ausgangslage hat sich
geändert", sagt Karl-Heinz Steinzen, Geschäftsführer der Stadtwerke in
Winsen. Das kleine Städchen zwischen Lüneburg und Hamburg hat sich mit 3
Megawatt Leistung in das geplante Kohlekraftwerk Brunsbüttel
eingekauft, dass 2016 ans Netz gehen soll. "Legt man 6.000
Betriebsstunden zu Grunde, ergibt unser Anteil 18 Millionen
Kilowattstunden Strom", rechnet Geschäftsführer Steinzen vor.
Jede Menge Strom also. Verkaufen läßt diese
Elektrizität aber nur, wenn sie wettbewerbsfähig ist. Ab 2013 müssen
die Betreiber zu 100 Prozent Emissionszertifikate kaufen. Aktuell liegt
der Preis bei 15 Euro je Tonne, "befürchtet werden 30", sagt der
Stadtwerke-Direktor. Zudem steigt die Umlage des Erneuerbaren
Eneriengesetzes: Wegen des zuletzt rasanten Ausbaus hat sich der
EEG-Preis von 1,2 auf 2,05 Cent fast verdoppelt.
Das alles macht Kohlestrom natürlich teurer. Und wenn die Regierung
einerseits die Erneuerbaren ausbauen und andererseits durch die
Verlängerung der Atomkraftwerke den Strompreis niedrig halten will, dann
könnte sich Kohlestrom Mitte des Jahrzehnts nicht mehr rechnen. Mit dem
Laufzeitbeschluss der Regierung hat sich also die Ausgangslage
geändert. Stadtwerkechef Steinzen: "Der Aufsichtsrat wird sich mit dem
Thema befassen müssen".
Stadtwerke springen ab oder stellen Investitionen in Frage
Andere Stadtwerke sind da schon weiter. "Wir sehen in dem Projekt
keine Zukunft mehr", hatte Uwe Timm, der Geschäftsführer der Stadtwerke
Quickborn dem Branchendienst energate gesagt. Die Entscheidung für die
Investition sei in seinem Hause vor drei Jahren gefallen, jetzt hätten
sich die Parameter verschoben. "Das Kraftwerk sollte ja schon lange
fertiggestellt sein, aber bislang gibt es nicht einmal eine neue
Wirtschaftlichkeitsanalyse", so Timm. Es seien zwar zwei Blocks mit
jeweils 900 Megawatt geplant, aber es gebe noch nicht mal genug
Investoren für einen der beiden Blöcke.
Die Klima-Allianz hatte in dieser Woche gemutmaßt,
dass zudem die Stadtwerke Wedel, Rotenburg, Schleswig, Buchholz ihre
Beteiligung abtreten wollen. Zumindest eine Sprecherin der Stadtwerke
Wedel dementierte das gegenüber klimaretter.info: "Unsere Beteiligung
ist nicht zur Disposition gestellt".
Das Kohlekraftwerk Brunsbüttel steht dennoch insgesamt auf wackligen
Beinen: Der zweite Block sollte eigentlich gemeinsam von Stadtwerken und
Schweizer Energieversorgern getragen werden. Von vier Unternehmen aus
der Schweiz waren schon vor dem Energiekonzept drei abgesprungen, nun
steht nach Informationen der Klima-Allianz unter Berufung auf
Vorstandskreise auch die Hälfte der von deutschen Stadtwerken
übernommenen Leistung wieder zur Verkauf.
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Quelle: http://www.klimaretter.info/energie/hintergrund/6828-qdie-ausgangslage-hat-sich-geaendertq