Gasförderung: Umweltrat warnt vor Fracking. 31.05.2013
Gasförderung: Umweltrat warnt vor Fracking. 31.05.2013
SpiegelOnline vom 31.05.2013 um 14:23 Uhr:
Gasförderung: Umweltrat warnt vor Fracking
Soll in Deutschland mit Hilfe von Chemikalien unerschlossenes Erdgas gefördert werden? Der Umweltrat der Bundesregierung hält die Risiken für zu groß. Er plädiert für Testprojekte.
Hamburg/Berlin /
Beim umstrittenen Fracking, der Förderung von unterirdischem Schiefergas, gibt es aus Sicht von Umweltexperten der Bundesregierung noch viele offene Fragen - vor allem über die Risiken der Technik. Fracking sei "im kommerziellen Umfang derzeit wegen gravierender Wissenslücken nicht zuzulassen", heißt es in einer am Freitag in Berlin vorgestellten Stellungnahme des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU).
Das wissenschaftliche Gremium, das die Bundesregierung in Sachen Umweltschutz berät, kommt zudem zu der Einschätzung, dass Fracking energiepolitisch nicht notwendig sei und keinen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende leisten könne. Eine Gewinnung von Schiefergas in Deutschland senke weder die Gaspreise, noch erhöhe sie die Versorgungssicherheit.
Geoforscher sind zuversichtlicher
Geoforscher hingegen halten die Technologie prinzipiell auch in Deutschland für praktikabel, sofern sie außerhalb von Trinkwasserzonen eingesetzt wird. Der Umweltrat setzt nun auf Tests: Fracking solle "zunächst nur im Rahmen von Pilotprojekten, die aussagekräftige Erkenntnisse zu den Risiken des Frackings ermöglichen" zugelassen werden, heißt es im SRU-Gutachten.
Nach Ansicht des Sachverständigenrats ist die Technologie erst dann verantwortbar, "wenn Pilotprojekte zu einem positiven Ergebnis führen". Die Kosten für die Pilotprojekte und Probebohrungen müssten "selbstverständlich" von der Industrie getragen werden, sagt der SRU-Vorsitzende Martin Faulstich.
Beim Fracking wird Wasser mit Chemikalien unter hohem Druck in das Gestein gepresst, so dass die Ausbeute deutlich höher wird. In den USA hat der flächendeckende Einsatz dieser Technik zu einer deutlich höheren Gasförderung und einem massiven Preisverfall von Erdgas geführt. Kritiker dagegen befürchten, dass der Einsatz von gefährlichen Stoffen zu unvertretbaren und nicht beherrschbaren Risiken für die Umwelt führt.
Ungeklärt sind laut SRU die umweltverträgliche Entsorgung der anfallenden Abwässer, die Sicherheit der Bohrlöcher und Förderanlagen hinsichtlich des Grundwasserschutzes, die langfristigen Folgen des Fracking sowie die Klimabilanz von Schiefergas. Es sei noch nicht einmal erforscht, ob Erdgas aus Schiefergestein eine bessere CO2-Bilanz habe als Kohle, sagte Faulstich.
Die Koalition plant eine Neuregelung zur Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten. Eine Befassung des Kabinetts war aber mehrmals verschoben und der Regierungsentwurf wiederholt verschärft worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte erst am Dienstag den Schutz des Trinkwassers hervorgehoben. "Wir müssen alles tun, damit wir Umweltrisiken nicht eingehen." Bei dem geplanten Gesetz zum Fracking gehe es darum, Genehmigungen künftig zu erschweren."
Innerhalb der EU gibt es unterschiedliche Positionen zum Fracking. So setzt Polen verstärkt auf die Technologie, während andere Staaten ein Verbot oder ein Moratorium erlassen haben. In den USA wird Fracking in großem Stil betrieben.
Re: Gasförderung: Umweltrat warnt vor Fracking. 31.05.2013
WZ vom 01.06.2013:
Fracking: Jetzt kommt die Woche der Entscheidung Ein neues Gutachten über die Risiken der umstrittenen Fördertechnik setzt Schwarz-Gelb unter Druck Berlin/Kiel
Kurz bevor die Bundesregierung über die Zukunft des Fracking in Deutschland entscheiden will, hat ihr Umwelt-Sachverständigenrat sich gestern gegen die umstrittene Methode zur Förderung von unterirdischem Schiefergas ausgesprochen. Die Technologie ist wegen gravierender Wissenslücken über die Umweltauswirkungen derzeit nicht im kommerziellen Umfang zuzulassen, mahnen die Experten in einem Gutachten, das sie gestern in Berlin vorstellten. Lediglich Pilotprojekte zur Klärung der offenen Fragen seien akzeptabel.
Pläne auch im Norden
Beim Fracken wird Wasser mit Chemikalien versetzt und mit hohem Druck in Schieferschichten gepresst, in denen Gas eingeschlossen ist. Das Gestein wird dann durchlässig und das Gas kann entweichen. Auch in Schleswig-Holstein prüfen Unternehmen in einigen Regionen, ob sich die Methode lohnt in Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Dithmarschen, Plön, Segeberg, Pinneberg, Stormarn und im Herzogtum Lauenburg. In diesen Kreisen und in Schleswig-Holsteins Landesregierung stoßen die Pläne allerdings auf Ablehnung.
Das neue Gutachten bestätigt die Bedenken im Norden. Insbesondere sehen die Fachleute Risiken, weil weder die umweltverträgliche Entsorgung der Abwässer noch die Langfristfolgen der Eingriffe ausreichend untersucht seien. Zudem könne Fracking keinen Beitrag zur Energiewende leisten, sagt Sachverständigenratschef Martin Faulstich. Und zu billigeren Preisen werde die Technik hierzulande anders als in den USA wegen der geringen förderbaren Mengen auch nicht führen.
Mit der Studie setzen die Umweltexperten die schwarz-gelbe Koalition in Berlin unter Druck. Die will nächste Woche entscheiden, ob sie noch vor der Bundestagswahl einen Anlauf für eine Neuregelung des Fracking startet oder das Vorhaben endgültig fallen lässt. Die Pläne von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sehen weitreichende Auflagen, aber kein Verbot des Fracking vor. So sollen die Wasserbehörden ein Vetorecht erhalten und Wasserschutzgebiete tabu sein. Zudem wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Da aber nicht nur die Zustimmung des rot-grün dominierten Bundesrats sehr fraglich ist, sondern selbst in der Union rund 60 Abgeordnete skeptisch sind, hat das Bundeskabinett die Entscheidung schon mehrmals verschoben. Selbst Kanzlerin Angela Merkel hatte kürzlich von äußerster Vorsicht im Umgang mit Fracking gesprochen.
Dabei wären die Koalitionspläne durchaus eine Verschärfung der jetzigen Rechtslage. Die erlaubt Fracking nämlich grundsätzlich ohne große Bedingungen. Diesen Zustand beenden wir mit dem Gesetz, wirbt der nordfriesische CDU-Bundestagsabgeordnete und Umweltpolitiker Ingbert Liebing für die Neuregelung. Fracking würde nach den Plänen der Regierung ausgeschlossen, solange es noch irgendwelche Risiken gibt, sagt er.
Habeck will ein Verbot
Schleswig-Holsteins grünem Umweltminister Robert Habeck reicht das allerdings nicht. Er will ein komplettes Verbot und hat dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht. Die sieht vor, dass keine human- oder ökotoxischen Stoffe zur Förderung eingesetzt werden dürfen. CDU-Mann Liebing hält dieses Schwert allerdings für stumpfer als die Berliner Pläne: Die Anforderung von Habeck ist nach Ansicht der erdgasfördernden Industrie längst erfüllt darum bringt sein Antrag gar nichts.
Aus der Wirtschaft kommt sogar generelle Kritik an allen Bedenken gegen das Fracken. Das Gutachten der Umwelt-Sachverständigen sei ein problematisches Signal, sagt der Chef des Industrieverbands BDI, Markus Kerber. Durch die ablehnende Haltung drohe die Entwicklung neuer, weltweit gefragter Technologien in Deutschland ausgeschlossen zu werden. Und die Handelskammer in Kiel fordert die Landesregierung auf, keine Initiativen zu ergreifen, die das Fracking verbieten oder erschweren.Henning Baethge