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Gemeinden müssen Netzvergabe ausschreiben. WZ vom 19.12.2013

Gemeinden müssen Netzvergabe ausschreiben. WZ vom 19.12.2013

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Gemeinden müssen Netzvergabe ausschreiben
Karlsruhe/sh:z
Viele Gemeinden wollen die Stromversorgung wieder in die eigene Hand
nehmen. Doch der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass Kommunen
die Netze nach dem Ablauf von Konzessionen für private Betreiber nicht
ohne Weiteres selbst betreiben können. Stattdessen müssen sie die
Netzvergabe ausschreiben und dürfen private Mitbewerber nicht
diskriminieren. Im konkreten Fall hatten die Stadt Heiligenhafen und 36
weitere Gemeinden in Schleswig-Holstein gegen die Schleswig-Holstein
Netz AG geklagt. Das Urteil gilt als richtungsweisend. Bis 2016 laufen
bundesweit mehr als 2000 Netzverträge mit privaten Versorgern aus.


Seite 10:

Strengere Regeln für Gemeinden bei Vergabe von Stromnetzen
Karlsruhe /sh:z/dpa

Nehmen Gemeinden die Stromversorgung wieder in die eigene Hand,
dürfen private Stromanbieter nicht benachteiligt werden. Die Vorgaben
des Wettbewerbs gehen vor den Eigeninteressen der Kommunen. Dies
entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in zwei gestern
veröffentlichten Urteilen. Die Urteile sind bundesweit für diverse
Gemeinden von Bedeutung. Konkret ging es in dem BGH-Verfahren um die Klage der Stadt Heiligenhafen sowie 36 weiterer Kommunen in Schleswig-Holstein auf Übereignung des Stromnetzes. Die dortigen Konzessionsverträge der E.ON-Hanse-Tochter Schleswig-Holstein
Netz AG waren ausgelaufen. Die Bemühungen des Unternehmens um neue
Konzessionsverträge blieben erfolglos: Die Stadt Heiligenhafen entschied
sich für einen Eigenbetrieb der Stromversorgung, die 36 Gemeinden gaben
einem kommunalen Versorgungsunternehmen den Zuschlag. „Gemeinden müssen
den Konzessionär für ihr Stromnetz in einem diskriminierungsfreien und
transparenten Verfahren auswählen“, betonte der Kartellsenat des BGH.
Die Vorinstanzen hatten die Klagen ebenfalls abgewiesen.


E.ON Hanse begrüßte die Entscheidung als Beitrag zu mehr
Rechtssicherheit. Hingegen erklärte der Verband kommunaler Unternehmen
(VKU): „Wir hätten uns hier eine andere Entscheidung des
Bundesgerichtshofes gewünscht.“ Die kommunalen Entscheidungsspielräume
seien nicht ausreichend gewürdigt worden.


Maßgeblich entscheidend soll das Urteil aus Sicht von Hans-Christoph
Thomale, Experte für Energierecht bei der Frankfurter Kanzlei FPS, nun
auch für das weitere Verfahren nach dem Volksentscheid in Hamburg sein.
In der Hansestadt gab es am 22. September eine Mehrheit für den
vollständigen Rückkauf der Energienetze durch die Stadt.



Re: Gemeinden müssen Netzvergabe ausschreiben. WZ vom 19.12.2013

Kommentar von Seite 2:



Stromnetz mit eingebauter Sicherung
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Urteil Grenzen der Rekommunalisierung aufgezeigt
Stephan Richter

Bei allem Respekt vor dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht: Auch der
Entscheidungsfreiheit von Gemeindevertretungen und Stadtparlamenten
sind Grenzen gesetzt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur
Vergabe von Stromnetzkonzessionen schafft in diesem Punkt nicht nur
Klarheit, sondern dient den Bürgern. Denn alle Erfahrung lehrt, dass
Verbraucher überall dort am besten fahren, wo Markttransparenz herrscht
und Wettbewerbsregeln für alle gelten. So sehr auch nach der
Privatisierungswelle der 90er Jahre Ernüchterung eingekehrt ist, birgt
die Rolle rückwärts noch mehr Gefahren. Die Rekommunalisierung der
Stromnetze liefert dafür ein Beispiel.


Stromnetze machen vor Gemeindegrenzen nicht halt; sie müssen über
nationale Grenzen hinweg funktionieren. Dazu ist ein hoher
Investitionsbedarf notwendig, wie die Anschlusskosten bei
Windkraftanlagen zeigen. Und es ist in schwierigen Situationen, wie dies
beim Sturm „Christian“ zu erleben war, viel geschultes Personal und
eine flächendeckende Zusammenarbeit notwendig, um die Stromversorgung zu
sichern. Ein Netzbetrieb, der einem Flickenteppich gleicht, macht weder
ökonomisch noch technisch Sinn. Da war Schleswig-Holstein zu Zeiten der „Schleswag“ schon einmal weiter. Der Schleswig-Holstein Netz AG als übergreifendem Stromnetz-Betreiber, an der neben der Eon Hanse rund 200 schleswig-holsteinische
Kommunen beteiligt sind, steht heute eine wachsende Zahl von Städten
und Gemeinden gegenüber, die sich entschieden hat, die Leitungen in
ihrem kleinen Bereich selbst in die Hand zu nehmen. Das gehört zum
Wettbewerb, nur darf des Selbstverwaltungsrecht nicht dazu führen, dass
die Kommunen sich die Konzession in die eigenen Tasche stopfen und
Fragen der Verbraucherfreundlichkeit und der preisgünstigen und sicheren
Versorgung hintenangestellt werden. So schön ein Aufsichtsratsposten
bei den heimischen Stadtwerken auch ist, so verlockend Gewinne aus dem
Eigenbetrieb der Netze für den kommunalen Haushalt auch sein mögen.


Das Bundesgerichtshof hat wie zuvor das Landgericht in Kiel und das
Oberlandesgericht Schleswig das Gemeinwohl im Blick behalten und der
Stromnetz-Kleinstaaterei Grenzen gesetzt. Das
bedeutet nicht, dass Gemeinden das Stromnetz nicht einem eigenen Betrieb
übertragen können. Aber dies muss transparent erfolgen. Wettbewerb ja –
aber mit eingedrehter Sicherung.