"Regierung gegen Gesetz für CO2-Speicherung", SHZ - 16.06.2009
"Regierung gegen Gesetz für CO2-Speicherung", SHZ - 16.06.2009
16. Juni 2009
Regierung gegen Gesetz für CO2-Speicherung
Der massive Widerstand zeigt Wirkung: Die Landesregierung will dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung des Klimakillers CO2 im Bundesrat nicht zustimmen.
Der massive Widerstand in Nordfriesland gegen ein unterirdisches Lager für verflüssigtes Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken zeigt rasche Wirkung in der Politik. Schleswig- Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) verkündete am Dienstag in Kiel, dass die Landesregierung dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung des Klimakillers CO2 im Bundesrat nicht zustimmen werde.
"Neue Technologie kann man nur erproben und anwenden, wenn es eine breite Akzeptanz dafür in der Bevölkerung gibt", sagte Carstensen. Diese Akzeptanz sei in den für eine Erprobung infrage kommenden Regionen an der schleswig-holsteinischen Westküste nicht vorhanden. Er nehme die Besorgnis der Menschen in den betroffenen Kommunen sehr ernst, sagte Carstensen. Er empfahl, den Entwurf des sogenannten CCS-Gesetzes (CCS/Carbon Capture and Storage) zurückzuziehen. Gleiches sollte der RWE-Konzern mit seinen Anträgen auf seismologische Untersuchungen tun.
Kein Klimabluff statt Klimaschutz
Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht (SPD) lobte Carstensens "Kurskorrektur". Das CCS-Gesetz müsse weg. "Das Ziel ist klar: Kein CO2-Endlager in Nordfriesland, kein Klimabluff statt Klimaschutz." Die CDU-Landtagsfraktion folgte am Dienstag Carstensens Entscheidung.
Die Landesregierung wolle eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfes, der so nicht entscheidungsreif sei, sagte der Ministerpräsident. So müssten für die Genehmigung von CO2-Speichern weitere sicherheitstechnische Anforderungen festgelegt werden. Die Landesbehörden müssten in den Planfeststellungsverfahren die höchsten Sicherheitsanforderungen durchsetzen können.
"Die Leute sind auf den Barrikaden"
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hatte den Bundestag vor wenigen Tagen aufgefordert, das vom Kabinett in Berlin beschlossene CCS-Gesetz zügig zu beschließen. Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) macht sich für die Technologie der Abspaltung von Kohlendioxid (CO2) aus Kohlekraftwerken und ihre Speicherung in tiefen Gesteinsformationen stark. Allerdings verlangten die Umweltberater der Bundesregierung einen Stopp des Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag und warnten vor "übereilten Weichenstellungen".
Nach Einschätzung des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) hat der Widerstand gegen ein unterirdisches CO2-Lager in Nordfriesland schnell das Ausmaß einer Volksbewegung angenommen. "Die Leute sind auf den Barrikaden; sie fühlen sich bedroht, sie haben Angst", sagte der Landtagsabgeordnete Lars Harms am Dienstag. Dies gelte für Anhänger aller Parteien und über alle Organisationen hinweg. Säle in Dörfern seien mit 600 bis 1000 Menschen gefüllt, wenn es um dieses Thema geht, sagte Harms. Es steht an diesem Mittwoch auch auf der Tagesordnung des Landtages.
Das CCS-Projekt sei umwelt- und energiepolitisch eine Katastrophe, sagte der SSW-Politiker Harms. Es würde die Nutzung der Kohlekraft weiter verlängern; auch sei die Technik noch nicht genügend erforscht. Wenn die Politik das Vorhaben doch durchsetzen wolle, könne die Protestbewegung dagegen durchaus ähnliche Ausmaße annehmen wie der Widerstand gegen das Atomkraftwerk Brokdorf in den siebziger und achtziger Jahren, sagte Harms.
Re: "Regierung gegen Gesetz für CO2-Speicherung", SHZ - 16.06.2009
Dazu noch der Artikel der WZ vom 17.06.2009:
CO2-Streit: Etappensieg für Endlager-Gegner im Norden CDU/CSU-Bundestagsfraktion stoppt das Gesetzesvorhaben / Ministerpräsident Carstensen fordert grundlegende Überarbeitung Kiel/Berlin/höv
Die Gegner eines unterirdischen Lagers für verflüssigtes Kohlendioxid in Nordfriesland haben einen Etappensieg erzielt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stoppte das Gesetzesvorhaben gestern vorläufig. Zunächst war ein Beschluss des Bundesrates für diesen Freitag vorgesehen.
Die Vorlage werde von der Tagesordnung der Länderkammer genommen, um noch einmal neu zu beraten, teilte der nordfriesische CDU-Bundestagsabgeordnete Ingbert Liebing mit. Man kann eine neue Technologie in Deutschland nicht gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung einführen, sagte er. Ähnlich hatte sich zuvor auch CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen geäußert, damit seine zunächst in Aussicht gestellte Zustimmung zu den Plänen allerdings revidiert. Ziel bleibe es, den Gesetzesentwurf für diese Legislaturperiode völlig aus dem Verkehr zu ziehen, sagte Liebing.
Der CDU-Politiker forderte den Energiekonzern RWE Dea zugleich auf, Anträge zu seismischen Untersuchungen zurückzuziehen. Diese sollen klären, ob der Untergrund für die CO2-Endlagerung geeignet ist.
Die RWE-Pläne sorgen seit Wochen für massiven Widerstand in Nordfriesland und in Teilen des Kreises Schleswig-Flensburg. Der SSW spricht von einer Volksbewegung. Die Leute sind auf den Barrikaden; sie fühlen sich bedroht, sie haben Angst, sagte der Abgeordnete Lars Harms in Kiel. Heute soll am Landeshaus in Kiel gegen die Pläne demonstriert werden, klimaschädliches Kohlendioxid 1000 Meter tief unter Nordfriesland zu entsorgen.
Carstensen erklärte, das CCS-Gesetz (CCS = Carbon Capture and Storage) müsse grundlegend überarbeitet werden. Nötig seien weitere sicherheitstechnische Anforderungen. Landesbehörden müssten in den Planfeststellungsverfahren zudem die höchsten Sicherheitsanforderungen durchsetzen können. Nach den RWE-Plänen sollen mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 unterirdisch eingelagert werden. Derzeit wird die CCS-Technologie lediglich in einer kleinen Pilotanlage im brandenburgischen Ketzin erprobt.
Liebing warnte nach dem vorläufigen Stopp der Gesetzespläne allerdings vor möglichen Alternativen. So werde derzeit ein Gesetz diskutiert, das auf drei geplante und von der EU geförderte Demonstrationsvorhaben zugeschnitten sei. Hier dürfe kein Maßnahmengesetz für das Kraftwerk in Hürth bei Köln mit Speicherung in Nordfriesland beschlossen werden.
Widerstand gegen die CO2-Endlagerungs-Pläne kündigte unterdessen auch die Kirche an. Der Vorstand der Kirchengemeinde Leck (Kreis Nordfriesland) beschloss, Firmen den Zugang zu ihren Ländereien zu verwehren, die dort seismische Messungen oder Testbohrungen starten wollen. Ähnlich wollen auch in den Kreisbauernverbänden Südtondern, Husum-Eiderstedt und Flensburg organisierte Landwirte verfahren.
... und dann gibt es da noch das "Zitat des Tages":
"Der Bau einer CO2-Pipeline aus dem Ruhrgebiet nach Nordfriesland, die dann auch noch der Steuerzahler bezahlen soll, ist eine verrückte Idee."
Nordelbiens Umweltpastor Thomas Schaack
Re: "Regierung gegen Gesetz für CO2-Speicherung", SHZ - 16.06.2009
Ein weiterer Bericht dazu und ein Kommentar vom Chefredakteur Stephan Richter aus der sh:z vom 17.06.2009:
Re: "Regierung gegen Gesetz für CO2-Speicherung", SHZ - 16.06.2009