Forum der BiGKU - Presseberichte Überregional

Strom fließt von Wilster in den Süden. WZ vom 06.02.2014

Strom fließt von Wilster in den Süden. WZ vom 06.02.2014

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Strom-Streit: Albig geht auf Seehofer los
„Murks“: Kieler Regierungschef kritisiert Forderung nach Ausbaustopp für Netze
Kiel/Berlin

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten
Albig hat seinen bayrischen Amtskollegen Horst Seehofer gestern scharf
kritisiert, weil der den Ausbau der Stromnetze nach Protesten von
Bürgern erst mal stoppen will. „Wir müssen den Menschen doch ehrlich und
mit Arsch in der Hose sagen, dass der Ausstieg aus der Atomenergie auch
Folgen hat!“, schimpfte Sozialdemokrat Albig. Dabei gehe es auch um
Folgen, die zwar keiner möge, sagte Albig mit Blick auf neue
Stromleitungen. Aber anders als bei der Kernkraft sterbe an diesen
Folgen „keiner wegen Verstrahlung“.


CSU-Chef Seehofer hatte dagegen argumentiert,
wegen der Pläne von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur
Deckelung der Windkraft seien weniger neue Leitungen nötig, die
Windstrom von Nord- nach Süddeutschland transportieren. Vor allem hält
er nach Bürgerprotesten und kurz vor den bayrischen Kommunalwahlen am
16. März eine geplante Gleichstromautobahn von Sachsen–Anhalt in den
Freistaat für fragwürdig, der er im Bundesrat noch zugestimmt hatte. Nun
will Seehofer, dass Gabriel zuerst seine Reformpläne vorlege. Dann
werde man sich noch mal anschauen, welche Stromtrassen wirklich
gebraucht würden. „Es kommt auf die Schrittfolge an“, sagte Seehofer.


Albig widersprach ihm. „Windenergie braucht neue Netze – sonst steht
unser Land bald ohne Strom da“, gab er zu bedenken und kritisierte
Seehofers Taktieren vor den Kommunalwahlen: Wenn das Schule mache, sei
zu befürchten, „dass immer die nächste Wahl Grund für den nächsten
Stillstand ist“. So komme nur „Murks“ heraus.


Auch Schleswig-Holsteins grüner
Energieminister Robert Habeck kritisierte gestern Bayerns
Regierungschef. „Wenn man jetzt den Netzausbau attackiert, dann kündigt
man in Wahrheit den Atomausstieg auf“, sagte Habeck. Er verlangte ein
Machtwort von der Bundeskanzlerin und ihrem Vize: „Wirtschaftsminister
Sigmar Gabriel und Angela Merkel müssen hier deutliche Worte finden.“


Gleichzeitig freute Habeck sich, dass die Pläne für das größte deutsche
Netzausbauprojekt seit gestern konkreter sind: Die Netzbetreiber Tennet
und Transnet BW haben ihren Vorschlag für den Verlauf der Nord-Süd-Stromtrasse zwischen dem schleswig-holsteinischen
Wilster und dem bayrischen Grafenrheinfeld präsentiert. Das Projekt
namens „Südlink“ soll Windstrom von der Küste nach Süden transportieren.
„Das ist in dreifacher Hinsicht ein Meilenstein“, sagte Habeck: „Für
die Energiewende, die überregionale Versorgungssicherheit und die
Einführung einer neuen Technologie.“


Seite 7:




Strom fließt von Wilster in den Süden
Schleswig-Holsteins Landesregierung begrüßt Pläne für neue Nord-Süd-Trasse – und übt scharfe Kritik an Bayerns Regierungschef Seehofer
Wilster/Berlin

Deutschlands größtes Ausbauprojekt bei den Stromnetzen nimmt Formen
an. Die Netzbetreiber Tennet und Transnet BW haben gestern ihren
Vorschlag für den Verlauf der geplanten Nord-Süd-Trasse zwischen dem schleswig-holsteinischen
Wilster und dem bayrischen Grafenrheinfeld präsentiert. Das
milliardenschwere Projekt namens „Südlink“ soll Windstrom von der Küste
nach Süddeutschland transportieren und so dort helfen, den Atomausstieg
zu bewältigen. Noch laufen allein in Bayern und Baden-Württemberg sechs Atomkraftwerke, die bis zum Jahr 2022 abgeschaltet werden.


Den Plänen zufolge wird die insgesamt 800 Kilometer lange Leitung
zunächst rund 50 Kilometer durch die Unterelbkreise Steinburg und
Pinneberg führen, teils auf schon bestehenden Stromtrassen, ehe sie
nördlich von Wedel bei Hetlingen die Elbe unterquert und weiter gen
Süden geht. Zwar wäre es auch „technisch möglich“, die bei
Hetlingen stehenden 227 Meter hohen Strommasten – die höchsten Europas –
zur Überquerung der Elbe zu nutzen, sagte Tennet-Projektleiter Christoph Thiel. Doch die Regierungen von Schleswig-Holstein
und Niedersachsen wollen hier ein Erdkabel. Schließlich sei die Elbe
„ein besonders sensibler Naturraum“, begründete die Sprecherin des
grünen Kieler Energieministers Robert Habeck den Wunsch. Auch wenn die
Leitung näher als 400 Meter an Siedlungen vorbei führt, sind laut Tennet
Erdkabel möglich.


Der präsentierte Korridor für das Südlink-Projekt sei ohnehin „noch nicht in Stein gemeißelt“, stellte Tennet-Chef
Lex Hartman klar. Vielmehr müsse man der Bundesnetzagentur sogar
alternative Trassenvorschläge unterbreiten. „Die wollen wir mit den
Bürgern auf vielen Veranstaltungen erarbeiten“, sagte Projektleiter
Thiel. So sei etwa auch an anderen Stellen eine Unterquerung der Elbe
denkbar. Thiel nannte Brokdorf oder den geplanten Autobahntunnel im Zuge
der A 20 bei Glückstadt, den man mitnutzen könnte. Da der aber kaum bis
zur geplanten Inbetriebnahme der Stromleitung in 2022 fertig werde, sei
diese Variante unwahrscheinlich. „Wir wollen uns nicht von einem
anderen Projekt abhängig machen“, sagte Thiel.


Minister Habeck freute sich über die Pläne. „Das ist in dreifacher
Hinsicht ein Meilenstein“, sagte er: „Für die Energiewende, die
überregionale Versorgungssicherheit und die Einführung einer neuen
Technologie.“ Die Gleichstromleitung kann Strom über weite Distanzen
ohne große Verluste transportieren. Eine zweite solche Leitung ist von
Brunsbüttel nach Großgartach bei Heilbronn geplant. Sie wird
größtenteils auf derselben Trasse verlegt wie die von Wilster nach
Grafenrheinfeld.


Habeck kritisierte gestern gleichzeitig Bayerns Regierungschef Horst
Seehofer, da der einen Stopp des Netzausbaus verlangt hatte. „Wenn man
jetzt den Netzausbau attackiert, dann kündigt man in Wahrheit den
Atomausstieg auf“, sagte Habeck. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) ging auf CSU-Politiker
Seehofer los: „Wir müssen den Menschen doch ehrlich und mit Arsch in
der Hose sagen, dass der Ausstieg aus der Atomenergie auch Folgen hat“,
sagte Albig. „Aber an diesen Folgen stirbt keiner wegen Verstrahlung.“ Henning Baethge



Re: Strom fließt von Wilster in den Süden. WZ vom 06.02.2014

Kommentar von Seite 2:



Der Ohne-Michel
Gegen neue Stromleitungen und Windräder: Horst Seehofer stellt die Energiewende in Frage
Henning Baethge

Es geht voran: Gestern haben die Netzbetreiber ihren Vorschlag für den Verlauf der großen Nord-Süd-Leitung vorgestellt, die Windstrom von Schleswig-Holstein
nach Bayern bringen soll. Wenn bis 2022 alle deutschen Kernkraftwerke
stillgelegt werden, kann so die Versorgung Süddeutschlands mit
erneuerbarer Energie sichergestellt werden. Dort stehen sechs der neun
noch abzuschaltenden Atommeiler.


Tatsächlich geht es aber doch nicht voran. Denn plötzlich legt sich
einer quer und sagt: Ohne mich. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer
will auf einmal keine neuen Leitungen mehr. Vor allem eine geplante
Trasse aus Sachsen-Anhalt stört ihn und viele Bürger. Daher will der CSU-Chef sehr zum Unmut von seinem schleswig-holsteinischen
Amtskollegen Torsten Albig die neuen Stromleitungen erst mal nicht mehr
weiterplanen – jedenfalls so lange nicht, bis Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel seine endgültigen Reformpläne für die Energiewende
vorgelegt hat.


Dabei ist unabhängig von Gabriels Plänen klar, dass gerade das
wirtschaftsstarke Bayern nach der Energiewende mehr Ökostrom braucht.
Und da Seehofer Windräder im eigenen Land auch nur in weiter Ferne sehen
mag, wird der Freistaat auf Stromexporte und damit auf Leitungen aus
dem Norden angewiesen sein – deren Bau Seehofer im Bundesrat übrigens
zugestimmt hat.


Dass der Bayer davon nun nichts mehr wissen will und anders als Albig
und dessen grüner Energieminister Robert Habeck den Weg des geringsten
Widerstands in seinem Land einschlägt, kann zwei Gründe haben. Entweder
will der Ohne-Michel Seehofer nur für seine CSU
ein möglichst gutes Ergebnis bei den bayrischen Kommunalwahlen im März
herausholen. Dann wirft sein Widerstand die Energiewende wohl nur um
einige Wochen zurück. Oder aber er will ernsthaft den Atomausstieg in
Frage stellen und die vier bayrischen Kernkraftwerke weiterlaufen
lassen. Dann wäre die Energiewende gescheitert.







Re: Strom fließt von Wilster in den Süden. WZ vom 06.02.2014

WZ vom 07.02.2014:

Seite 1:

Stromnetze: Nord-CDU attackiert Seehofer
Kiel /sh:z

Mit seiner Forderung nach einem Moratorium beim Stromnetzausbau stößt
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in Schleswig-Holstein
auch im Unionslager auf heftigen Widerspruch. „Bayern hat der
Energiewende zugestimmt, ich erwarte Vertragstreue“, sagte CDU-Landtagsfraktionschef
Johannes Callsen gestern in Kiel. „Wir reden nicht über eine
Weißwurstproduktion, die man nach Lust und Laune drosseln und wieder
hochfahren kann.“


Ähnlich hatten bereits am Vortag Ministerpräsident Torsten Albig
(SPD) und Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) auf die Forderung
aus Bayern reagiert.


Bei der Energiewende gehe es um ein zeitlich, räumlich und technisch eng
aufeinander abgestimmtes Milliardenprojekt, sagte Callsen. „Ohne die
Höchstspannungsleitungen bleibt Bayern die Wahl, den Bayerischen Wald
und die Alpen mit Windstromanlagen zu pflastern, die Donau-Ebene als Stausee für Wasserkraftwerke zu fluten oder Atomstrom aus Tschechien zu beziehen.“ Das könne niemand wollen.


Seite 5:

Kritik an Bayerns Netzboykott
Berlin /dpa

CSU-Chef Horst Seehofer zieht mit seinem Ruf
nach einem Planungsstopp für große Stromtrassen in den Süden massive
Kritik auf sich. Grünen-Fraktionschef Anton
Hofreiter nannte Seehofer einen „feigen Populisten“. „Gerne will die CSU
für die Energiewende sein, aber wenn es um unangenehme Themen geht,
wird populistisch dagegen geschossen“, sagte er der „Rheinischen Post“.


Die für die Steuerung des deutschen Stromtrassenausbaus zuständige
Bundesnetzagentur betonte gestern, es gebe trotz der geplanten Ökostrom-Reform
mit einer Drosselung des Windausbaus keinen Bedarf für eine
„grundsätzliche Strukturänderung“ der Stromnetzausbaupläne. Die
bayerische Staatsregierung um Ministerpräsident Seehofer hatte
argumentiert, durch die Reform ändere sich die Geschäftsgrundlage, es
müsse geschaut werden, wie viel Bedarf es an Höchstspannungstrassen
überhaupt noch gebe. In dem jährlich festzulegenden Szenariorahmen
würden die Pläne ohnehin laufend überprüft, sagte hingegen eine
Sprecherin der Netzagentur.


Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger
(CDU) kritisierte die CSU. In Bayern gingen bald mehrere Kernkraftwerke
vom Netz. „Die Leitungen sind notwendig – und zwar sehr schnell“, sagte
er der „Welt“. Oettinger rief Seehofer zum Einlenken auf. „Wenn er den
Bau der Stromtrassen ermöglicht und mitwirkt, dass die Akzeptanz steigt,
ist das sehr willkommen.“


Die Stromtrasse „SuedLink“ soll von Schleswig-Holstein nach Bayern führen. Hinzu kommen eine 450 Kilometer lange Trasse zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) und Meitingen (Bayern) sowie eine 500 Kilometer lange Leitung von Emden nach Philippsburg in Baden-Württemberg.