UN-Klimagipfel in Katar: Nationen suchen Kompromisse
Eine "historische Konferenz" soll es werden, kündigt Katar zu Beginn der Klimaverhandlungen an. Doch das muss sich in den kommenden zwei Wochen erst noch zeigen. Zunächst gibt es vor allem Mahnungen und Appelle.
Weitere Infos: http://www.n-tv.de/politik/Nationen-suchen-Kompromisse-article9610826.html
Re: UN-Klimagipfel in Katar. 26.11.2012
WZ vom 27.11.2012:
Zu Gast beim größten Klimasünder UN-Konferenz von Doha ringt um die Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen doch die Fronten bleiben verhärtet Doha
Gastgeber Katar hat zur Eröffnung des UN-Klimagipfels in Katar alle 194 Teilnehmerstaaten dringend zur Zusammenarbeit aufgerufen. Vor uns, in den kommenden Tagen, liegt eine goldene Chance. Wir müssen sie nutzen, sagte der Vizepremier des Golfstaates, Abdullah bin Hamad Al-Attiyah, gestern zur Eröffnung der zweiwöchigen Konferenz. Der Klimawandel sei eine gemeinsame Herausforderung aller Staaten.
Geopolitisch komme dieser Klimakonferenz eine ganz besondere Rolle zu, sagte die Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres. Erstmals finden die Verhandlungen in einem arabischen Land statt. Damit biete sich der Golf-Region eine unvergleichliche Weltbühne, um ihr Energiewachstum nachhaltiger zu gestalten und eine stärkere und sicherere Energieversorgung für alle Staaten auf den Weg zu bringen. Das Gas- und Ölland Katar hat den höchsten Pro-Kopf-Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit. Wir sollten uns aber nicht auf die Pro-Kopf-Emissionen konzentrieren, sagte Al-Attiyah. Vielmehr gehe es um die Gesamtemissionen einzelner Länder, sagte er und verwies auf nationale Klimabemühungen Katars, etwa bei der Solarenergie und der Forschung zur CO2-Abscheidung. Wir glauben daran, dass Technologie die Probleme lösen wird.
Klimaschützer äußerten zu Beginn der Verhandlungen die Hoffnung, dass die kleine Golfmonarchie aus der Konferenz als Spitze einer regionalen Allianz progressiver Länder hervorgehen würde. Dazu gehörten etwa die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten, sagte Thomas Hirsch von Brot für die Welt. Saudi-Arabien blockiere bislang.
Katar spielt bei der Lösung politischer Konflikte in der arabischen Welt zunehmend eine Schlüsselrolle. Das Emirat ist aber nicht nur Klimasünder. Es ist selbst vom Klimawandel bedroht: Der durch die Erderwärmung ansteigende Meeresspiegel gefährdet die niedrig gelegenen Küstenstreifen. Außerdem ist das von einer Wüstenlandschaft geprägte Emirat von Nahrungsimporten abhängig.
Die Positionen der Länder scheinen sich zum Beginn der Konferenz nicht geändert zu haben. Bei der Frage nach der Verantwortung der USA bei der Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen verwies der Vertreter aus Washington auf die Verantwortung aller Staaten und sprach von wichtigen neuen Akteuren. Die USA seien für weniger als 20 Prozent der weltweiten Emission verantwortlich, Spitzenreiter sei China mit über 25 Prozent.
China rief dagegen die Industriestaaten auf, eine Vorreiterrolle bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes einzunehmen. Wir haben bereits ehrgeizige Schritte ergriffen, um die Emissionen zu senken, sagte ein Vertreter der chinesischen Delegation. Das bevölkerungsreichste Land stützt sich zu zwei Drittel auf Kohle. Gleichzeitig aber investiert es weltweit am meisten in erneuerbare Energien.
Die Organisation Oxfam warnte, die Klimakonferenz drohe ein Flop zu werden, wenn nicht höhere Klimaschutz-Ziele auf den Tisch kämen. Die Staaten haben bereits beschlossen, mit ihrer Klimapolitik dafür zu sorgen, dass die Erde sich um maximal zwei Grad erwärmt. Das sehen Wissenschaftler als gerade noch beherrschbar. Jüngste Berichte aber zeigen, dass die Welt dank steigender Kohlendioxid-Emissionen eher auf bis zu vier Grad bis zum Jahr 2100 zusteuert. Um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen, bedürfe es eines drastischen Richtungswechsels in der Klimapolitik aller Länder, teilte die Umweltorganisation Greenpeace mit.Denise Donnebaum
Die grössten Treibhaus-Sünder ....
... und die Folgen der Erderwärmung:
Eine noch als verträglich geltende Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad scheint immer schwieriger erreichbar. Die Weltbank fordert Regierungen dazu auf, die rund eine Billion Dollar (etwa 775 Milliarden Euro) hohen Subventionen für Kohle und andere fossile Brennstoffe in alternative Energien umzulenken. Andernfalls könne sich die Erde um vier Grad erwärmen. Sollte der Treibhausgasausstoß so weitergehen wie bislang, sei es zumindest wahrscheinlich, dass bis 2100 die Erwärmung zwei Grad Celsius übersteige, heißt es in einem internen Arbeitspapier des Weltklimarates. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms Unep wird der globale Treibhausgasausstoß ohne massiven Umschwung bis 2020 auf 58 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) pro Jahr steigen. Solle das Zwei-Grad-Klimaziel erreicht werden, dürfe der Anstieg bis dahin jedoch nicht mehr als 44 Gigatonnen betragen. Anstatt zu sinken, seien die Emissionen weltweit seit dem Jahr 2000 bereits um etwa 20 Prozent gestiegen. Die arktische Meereisfläche war 2012 nur noch halb so groß wie in den 1970er Jahren. Sie schmilzt damit schneller als berechnet. Auch der Meeresspiegel steigt rascher als vom Weltklimarat erwartet.
Kommentar von Seite 2:
Helden gesucht Der Klimagipfel von Doha und der verzweifelte Kampf gegen die Erderwärmung Kerstine Appunn
Die Lösung ist nur mittelmäßig kompliziert. Schon vor zwei Jahren haben Wissenschaftler ermittelt, wie viel Kohlendioxid-Emissionen sich die Menschheit noch leisten kann, sollen die Temperaturen auf der Erde erträglich bleiben. Daraus ergeben sich Länderemissionsvorgaben, die gesenkt und eingehalten werden müssen, aber auch gehandelt werden können. Ein Ding der Unmöglichkeit wäre es (noch) nicht, so den weltweiten fossilen CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 auf 750 Gigatonnen zu beschränken. Natürlich müssten dann auch noch eine Reihe Sonderpositionen und Ausgleichsregelungen beachtet werden, um das Ganze auch gerecht auszugestalten, aber am Ende könnten alle Politiker, die sich auf so einen Welt-Klimavertrag einigten, als Helden in die Geschichtsbücher eingehen.
Helden wie diese sollte eigentlich eine UN-Klimakonferenz wie die in Doha hervorbringen. Tut sie aber nicht. Trotz jährlich neuer alarmierender Veränderungen in unserer Umwelt scheint das kein Anlass für die Staaten der Welt zu sein, endlich das Allgemeinwohl über die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu stellen.
Doch langsam aber sicher läuft uns die Zeit davon. Selbst das viel beschworene, bindende Klimaabkommen, nach dem die Welt seit 20 Jahren strebt, könnte es nicht mehr richten: Das Zwei-Grad-Ziel ist mit den zur Zeit vorgebrachten Gelöbnissen der Länder, ihre CO2 - Emissionen zu drosseln, nicht mehr zu erreichen. Im Angesicht dieser Tatsachen können sich dennoch nicht einmal die deutschen Minister oder die EU-Länder auf eine Linie einigen. Ist alle Hoffnung auf einen weltweit funktionierenden Erwärmungsschutz also vergebens? Nicht ganz. Denn immerhin wird hinter den Kulissen der Klimakonferenzen weiter gearbeitet. Regenwaldschutzprogramme und die Klima-Finanzierung werden dabei hoffentlich immer konkreter. Und so müssen wir uns an den Gedanken klammern, dass diese Mechanismen in Zukunft in ein komplettes System eingebunden werden können. Eines, das irgendwann heldenhaft die Welt rettet.
Re: UN-Klimagipfel in Katar. 26.11.2012
Neue Zürcher Zeitung vom 28.11.2012:
Uno-Klimakonferenz in Dauha: CO2-Emissionen im Ländervergleich
Wieder verhandeln Ländervertreter über einen Fahrplan zu einem internationalen Klimaabkommen, diesmal in Katar. Der Golfstaat zählt zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen von Treibhausgasen weltweit.
Eine interaktive Infografik der Länder nach CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung ist hier ebenfalls zu finden.
Re: UN-Klimagipfel in Katar. 26.11.2012
WZ vom 01.12.2012:
Erfolgsmodelle statt Verzichtsdebatten Der Kieler Wissenschaftler Mojib Latif und Umweltminister Robert Habeck diskutieren über den Gipfel von Doha und die Folgen des Klimawandels für Schleswig-Holstein
Herr Professor Latif, Sie haben Klimaschutzgipfel in früheren Äußerungen als erwiesenermaßen ungeeignetes Instrument beschrieben, um Lösungen zu entwickeln. Heißt das, dass Sie von der laufenden Konferenz in Doha rein gar nichts erwarten?
Latif: Das kann man so sagen. Wir stecken bei den internationalen Verhandlungen in einer Sackgasse. Das ist jetzt die 18. Veranstaltung ihrer Art seit 20 Jahren. Seitdem ist der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid um über 30 Prozent gestiegen. Insofern klaffen Anspruch und Wirklichkeit ziemlich weit auseinander. Ich habe mir deshalb überlegt, was man stattdessen tun sollte: Wir müssen Erfolgsmodelle entwickeln. Die können kleiner oder auch großer Art sein, wichtig ist vor allem, dass sie die Chancen einer Kehrtwende in den Vordergrund stellen und uns von einer Verzichtsdebatte wegbringen. Denn nichts anderes sind Klimakonferenzen.
Herr Habeck, gibt es für Sie ein Minimum, ab dem Doha für Sie kein völliger Fehlschlag ist?
Habeck: Man muss ja fast schon dankbar sein, wenn sich die Diplomaten und Minister dort auf Absichtserklärungen verständigen, auch wenn sie vielleicht noch nicht jetzt, sondern ab 2015 greifen. Das müsste dann auf jeden Fall die USA, China und Indien einschließen. Ich weigere mich aber, die Erwartung mit jedem weiteren Gipfel immer weiter nach unten zu schrauben und schon als Erfolg zu verkaufen, dass man sich wieder neu verabredet.
Herr Habeck, ist es für Sie realistisch, im Zusammenhang mit Klimaschutz von Verzichtsdebatten loszukommen?
Habeck: Ich würde nicht so weit gehen wie Herr Latif und sagen, dem Klimawandel könne man nur durch die Verheißung von Erfolg begegnen. Klimaschutzpolitik heißt für mich nicht, dass alle nur noch in Jute herumlaufen und dass es keinen Wohlstand mehr gibt. Klimaschutz bedeutet zwar eine gewisse Form von ökologischer Umverteilung gemessen am Status Quo für einige aber der Verzicht kann für viele mehr Lebensqualität und neue Wertschöpfungsketten bedeuten. Wenn wir weniger Benzin verbrennen, werden Öl- und bestimmte Autofirmen Einbußen haben, andere Industriezweige jedoch Zugewinne.
Entmutigt Sie für diese Debatte nicht die Erfahrung, die Sie dieser Tage in Sachen Energiewende machen? Jetzt, wo allmählich konkret wird, was diese den Verbraucher kostet, lässt die gesamtgesellschaftliche Euphorie, wie sie nach Fukushima spürbar war, deutlich nach.
Habeck: Sicherheitsfragen, Endlagerkosten, Umweltverschmutzung, Polizeitransporte für Atommüll tauchen nicht auf der Stromrechnung auf, werden aber über die Steuer von jedem einzelnen bezahlt. Die ganzen Kosten, die wir jetzt durch den Klimawandel zu bewältigen haben Erhöhung der Deiche, Anpassung der Landwirtschaft, Versicherungsschäden durch Unwetter, Todesfälle durch Hitzewellen werden auch nirgendwo auf der Stromrechnung vermerkt. Bei der Energiewende werden die Kosten zum ersten Mal transparent. Das ist ehrlich. Dazu gehört auch, zu sagen: Die Kosten steigen, aber ohne Energiewende würden sie noch stärker steigen, weil wir von den fossilen, teurer werdenden Energien abhängig sind. Wenn wir den Mut zur Ehrlichkeit haben, ist mir vor der Kostendebatte nicht bange.
Latif: Bei der Debatte über das Erneuerbare-Energien-Gesetz flammt immer die Forderung auf, die Regenerativen müssten sich ohne Subvention am Markt durchsetzen. Keine andere Energieform aber hat das jemals getan, ganz egal, ob Kohle- oder Atomindustrie. Nur wenn es um saubere Energie geht da wird sofort über Subvention geredet.
Sie treten für eine Kehrtwende weg von der Verzichtsdebatte hin zu Erfolgsmodellen ein. Wie definieren Sie solche Modelle in der Praxis?
Latif: Das, was sich Deutschland nach Fukushima vorgenommen hat, hat das Zeug zum Erfolgsmodell. Wenn die Energiewende in einem Industrieland ohne allzugroße Verwerfungen gelingt, kann die Bundesrepublik als klimaschonendes Erfolgsmodell in den Rest der Welt ausstrahlen. Wir können es aber parallel im Kleinen machen, mit innovativen Produkten, mit energieeffizienten Nutzungsmethoden. Das sichert Arbeitsplätze und bezahlbare Energie, auch wenn die Ressourcen knapper werden und damit langfristig auch unseren Wohlstand.
Lässt sich ein Erfolgsmodell auch auf Bundesland-Ebene, namentlich in Schleswig-Holstein schaffen?
Habeck: Eindeutig ja, auch wenn wir hier nicht das Weltklima retten. Aber gerade Schleswig-Holstein kommt eine besondere Rolle zu. Dass sehr viele Bundesländer zu uns gucken, ist mir in den ersten Monaten meiner Amtszeit immer deutlicher bewusst geworden. Die Onshore-Windenergie ist die Paradeform der neuen Energien, bei uns vor der Haustür wird sie so günstig produziert wir nirgendwo sonst. Wenn es uns hier gelingt, Akzeptanz in Bezug auf die Energie-Infrastruktur, auch für die Netze, herzustellen, wird Schleswig-Holstein auf Deutschland ausstrahlen. Und auf Deutschland ist Europa angewiesen. Klimaschutz heißt aber nicht nur Energiewende. Der Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein wimmelt von Ansätzen, um sich als Vorreiter für den Klimaschutz zu profilieren.
Zum Beispiel kündigt der Koalitionsvertrag ein Klimaschutzgesetz für Schleswig-Holstein an. Das ist seit Regierungsantritt aber noch nicht wieder in der Landespolitik aufgetaucht.
Habeck: Das liegt mit daran, dass durch die Energiewende derzeit andere Aufgaben im Vordergrund stehen.
Aber wenn es kommt, worum geht es?
Habeck: Es ist ein Instrument, das es auf Bundesebene noch nicht gibt. Es geht darum, im Land verbindliche Einsparziele für CO2 vorzuschreiben. Das Ziel muss dann auf einzelne Bereiche heruntergebrochen werden, etwa auf den Verkehrssektor oder die Gebäudesanierung. Ein paar Daten müssen dafür noch erhoben werden. Man kann es sich so ähnlich wie das Naturschutzgesetz vorstellen, dessen Regelungen ja auch verschiedene Bereiche betreffen. Und wir müssen aufpassen, dass wir damit nicht funktionierende Selbstverpflichtungen kaputtmachen. Etwa den Klimapakt, in dem sich die großen Verbände der Wohnungsunternehmen auf Einsparziele verständigt haben.
In wieweit entscheidet sich in Doha auch das Schicksal Schleswig-Holsteins? Die tiefliegenden Halligen haben nur wir...
Latif: Darüber, dass der Meeresspiegelanstieg die Westküste unseres Landes in besonderer Weise bedroht, brauchen wir hier wohl nicht zu reden, das weiß ja jeder. Schon eher übersehen wird, dass auch Schleswig-Holstein wettermäßig durch mehr Starkregen und Dürreperioden im Zuge des Klimawandels betroffen sein wird. Wir werden auch mehr kleinräumige Stürme und Gewitter haben bis hin zu lokalen Tornados. Ein Problem gerade für Schleswig-Holstein, an das kaum jemand denkt, ist die Versauerung des Meeres. Je mehr CO2 in die Atmosphäre gepustet wird, desto mehr nehmen auch die Meere auf. Es ist ein unabwendbarer chemischer Prozess, dass Wasser und CO2 Kohlensäure ergibt. Übrigens umso mehr, je kühler das Wasser ist. Kohlensäure aber schränkt Organismen, die Kalkschalen oder Kalkskelette ausbilden, dabei erheblich ein. Es geht unter anderem um Kalkalgen, die man mit dem bloßen Auge gar nicht sieht, es geht um Muscheln und kleine Krebse. Da sie weit am Anfang der Nahrungskette stehen, wird das für viele Lebewesen im Meer Folgen haben, auch für die Fischbestände.
Herr Habeck, Sie haben die Konferenz in Doha zum Anlass genommen, in dieser Woche verschiedene Klimaschutzprojekte in Schleswig-Holstein zu besuchen. In welcher Hinsicht ist es Ihnen gelungen, dabei auf das Bedrohungspotenzial für unser Land durch den Klimawandel aufmerksam zu machen?
Habeck: Klimastrategien im Land sind weit mehr als der Generalplan Küstenschutz, der die Deicherhöhung über 100 Jahre dem Anstieg des Meeresspiegels um anderthalb Meter anpasst. Ein 1,50 Meter höherer Meeresspiegel entspräche einer Erderwärmung von maximal vier Grad. Behüte uns Gott, dass es so weit kommt. Aber es gibt eine Menge anderer Aspekte. Der Wald ist nicht nur Senke und Speicher von CO2. Wir müssen Herr Latif sprach es an mit höheren Sturmschäden rechnen und auch mit höherem Schädlingsbefall durch den Klimawandel. Der Wald ist umso verwundbarer, je höher der Nadelbaumanteil ist. Deshalb treiben wir den Umbau zu Mischwäldern voran. Moore binden außerordentlich viele Treibhausgase. Sie wiederzuvernässen, ist ein Landesprojekt. Auf der anderen Seite: Weite Teile des Landes, die Niederungen, werden entwässert. Wenn der Meeresspiegel steigt, wird man permanent pumpen müssen. Siel- und Deichverbände werden dadurch vor enormen Herausforderungen stehen. Obwohl sich dies alles abzeichnet, ist mein Eindruck aus der internationalen Diskussion: Die Mühen, sich dem Klimawandel anzupassen, werden im Allgemeinen weit weniger gescheut als Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Wenn Sie als jetzt zuständiger Minister den Deichbau vorantreiben, betreiben Sie auch Anpassung.
Habeck: Genau. Und ich habe mich oft gefragt: Ist es zynisch, wenn du dich der Frage der Anpassung auch stellst, weil du den Klimawandel doch eigentlich verhindern willst? Ich beantworte das für mich so: Die Anstrengungen, sich dem Klimawandel anzupassen, sind so enorm, dass es doch besser ist, ihn aufzuhalten. Es ist viel teurer, ihn zu bewältigen als ihn aufzuhalten.
Ob Doha oder anderswo: Krankt Klimaschutzpolitik nicht vor allem daran, dass die bedrohlichen Folgen noch nicht im Hier und Jetzt spürbar sind? Ist das nicht die Erklärung, weshalb Klimaschutz scheitert?
Latif: In der Tat, wir haben eine räumliche und eine zeitliche Entkopplung...
Habeck: Es kommt noch etwas hinzu: die Dimension. Es gibt Probleme, die einfach zu groß scheinen, als dass der einzelne sie sich noch vorstellen möchte. Klimawandel gehört dazu. Und das macht es brutal schwierig, Klimaschutzpolitik zu gestalten.
Wie kann ein Grünen-Politiker trotz dieser Entkopplung von der Notwendigkeit überzeugen?
Habeck: Das einfachste wäre, über Angstmache zu argumentieren. Aber das verbietet sich selbstverständlich, weil es an bestimmten Stellen billig, gar demagogisch wird. Argumente müssen über Vernunft funktionieren. Ein solches Argument ist: Gerade derjenige, der aus der Trägheit der Masse ausschert, wird Profiteur. Entwickelt neue Produkte und werdet damit Marktführer! Oder bezogen auf den politischen Dialog: Traut euch die abweichende Meinung zu. Politik ist nicht allein dazu da, Mehrheiten auszufüllen, sie muss auch Mehrheiten herstellen wollen.
Latif: Wir müssen schon unterscheiden zwischen Ursache und Anlass. Die Ursache für den Atomausstieg in Deutschland ist nicht Fukushima. Sie liegt viel tiefer. Das Feld war vorbereitet. Der Grund liegt darin, dass es in Deutschland seit Jahrzehnten ein atomkritisches Bewusstsein gibt. Mit dem entsprechenden Bewusstsein in der Zivilbevölkerung werden auch unmöglich erscheinende Dinge möglich. Andere Beispiele dafür sind der Käuferboykott in den USA, der im Angesicht des Ozonlochs zum FCKW-Verbot geführt hat, oder der Straßenprotest, der die Wiedervereinigung gebracht hat.
Dann ist die Frage doch: Wie bekomme ich eine Bürgerbewegung für den Klimaschutz hin?
Latif: durch Kontinuität. Wir dürfen nicht wackeln, die Menschen brauchen Orientierung. Es gibt dann immer wieder Anlässe, bei denen die Dinge in Bewegung kommen.
Bei aller grundsätzlichen Einigkeit hier am Tisch: Macht es den Politiker wahnsinnig, dass der Wissenschaftler zwar sagen kann: Ihr müsst die Deiche erhöhen aber nicht, um wieviel?
Latif: Die Debatte darüber, in welcher Dimension der Klimawandel denn nun tatsächlich zuschlagen wird, ist absurd, weil es unserer täglichen Lebenspraxis widerspricht. Wenn die Chance, überfahren zu werden, 50:50 steht, gehen wir doch auch nicht über eine stark frequentierte Straße. Es gilt also das Vorsorgeprinzip. Warum müssen eigentlich nicht diejenigen, die die Atmosphäre verpesten, nachweisen, dass dies unschädlich ist? Warum muss ich zu einhundert Prozent nachweisen, dass etwas schädlich ist? Die Diskussion ist auf den Kopf gestellt.
Habeck: Ich finde den Grad an Unwissenheit beim Klimawandel vergleichsweise gering im Verhältnis zu Entscheidungen, die sonst in der Politik getroffen werden. In den Wahnsinn treibt mich nicht, ob es zwei oder drei Grad Erderwärmung sind das Handlungsziel ist doch trotzdem klar wie Kloßbrühe. In den Wahnsinn treibt mich, dass wir trotz der Erkenntnisse so viel Unbeweglichkeit in der Politik und der Gesellschaft erleben.
Was tun Sie persönlich für den Klimaschutz?
Latif: Meine CO2-Bilanz ist katastrophal, weil ich so viel unterwegs bin, das sollen die Leser ruhig wissen. Aber ich habe mein persönliches Tempolimit. Ich fahre auf der Autobahn nicht schneller als 100 Stundenkilometer.
Habeck: Ich glaube, meine berufliche CO2-Bilanz ist noch schlechter. Ich bin noch nie so viel Auto gefahren wie in meiner Zeit als Umweltminister. Es aber nicht zu tun, würde bedeuten, dass ich ein Minister bin, der nicht kennt, worüber er entscheidet.
Latif: Ich wünsche mir ein anderes Schlusswort. Ich möchte Albert Einstein zitieren: Wir können die Probleme der heutigen Zeit nicht mit derselben Denkart, lösen, die jene Probleme hervorgebracht hat. Wir müssen also die Mauern in unseren Köpfen einreißen. Klimawandel muss sein im übertragenen Sinne.
Habeck: politischer Klimawandel.
Interview: Frank Jung
Re: UN-Klimagipfel in Katar. 26.11.2012
WZ vom 04.12.2012:
Dänemark ist Weltmeister beim Klimaschutz Deutschland fällt im Ranking der Umweltorganisation Germanwatch leicht zurück Doha
Europa schneidet beim Klimaschutz weltweit am besten ab. Gründe dafür sind die Wirtschaftskrise und eine vergleichsweise gute Klimapolitik. Das geht aus dem neuesten Klimaschutz-Index hervor, den die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch gestern am Rande der UN-Klimakonferenz in Doha vorstellte. Spitzennoten verteilte Germanwatch in diesem Jahr aber nicht. Die Plätze eins bis drei blieben wieder frei, da keines der 58 untersuchten Industrie- und Schwellenländer nach Ansicht der Autoren genug tut, um den Klimawandel zu bremsen. Bestplatziertes Land ist Dänemark. Deutschland fiel in der Bewertung um zwei Plätze auf Rang acht.
Solange die EU blockiert ist und sich nicht darauf einigen kann, die Emissionen bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren, werden sich die Länder der EU nicht mehr lange auf den vorderen Plätzen halten können, warnte Wendel Trio vom Climate Action Network Europe.
Die Experten lobten in Dänemark den Trend zu immer weniger CO2-Emissionen sowie die Klimagesetzgebung. Schweden folgt auf Rang fünf. Für eine Überraschung sorgte in diesem Jahr der sechste Platz von Portugal, heißt es im Bericht. Bedingt durch die schwere Wirtschaftskrise seien dort wie auch in Spanien, Italien, Irland und Griechenland die Emissionen deutlich zurückgegangen. Anders als die übrigen Euro-Krisenländer habe Portugal aber seine positive Klimapolitik fortgeführt.
Deutschland hat etwas an Boden verloren, stellen die Autoren fest. Zwar könne die deutsche Energiewende ein Modell für andere Länder sein, die versuchen, von fossilen Energieträgern loszukommen. Gleichzeitig aber befürchten die Experten, dass die Energiewende in Deutschland ins Stocken geraten könnten. Berlin müsse entschlossener handeln, hieß es. Insgesamt aber seien die Investitionen in erneuerbare Energien vielversprechend und das nicht nur in Deutschland.
Auch China (54) und die USA (43) hätten in den vergangenen Jahren massiv investiert. Das werteten die Autoren im Falle Chinas als einen Lichtblick, da sich das Emissionsniveau dort immer weiter verschlechterte. Die USA hätten ausgehend von einem sehr hohen Emissionsniveau ihren CO2-Ausstoß deutlich senken können. Grund dafür seien aber vor allem wirtschaftliche Einbrüche gewesen.
Schlusslichter sind erneut Saudi-Arabien, Iran und Kasachstan. Sie sind abhängig von ihren Öl- und Gasexporten. Katar wurde nicht bewertet. Bei den Emissionen aber schneide der Gastgeber der Klimakonferenz noch schlechter als Saudi-Arabien ab.
Für den Klimaindex bewerten die Experten die Höhe der Emissionen, den Emissionstrend, den Anteil erneuerbarer Energien und die Klimapolitik. Germanwatch hatte zusammen mit dem Climate Action Network (CAN Europe) 58 Länder untersucht, die für 90 Prozent der weltweiten, energiebedingten Kohlendioxidemissionen verantwortlich sind.Denise Donnebaum
Re: UN-Klimagipfel in Katar. 26.11.2012
ZEIT ONLINE vom 06.12.2012 um 10:54 Uhr:
Konferenz in Doha: Altmaier kritisiert zu langsamen Fortschritt beim Klimaschutz
Der Umweltminister hat mehr Anstrengungen gegen den Klimawandel verlangt. Dabei empfiehlt er Deutschland als Vorbild Greenpeace wirft ihm "nur flotte Sprüche" vor.
Bundesumweltminister Peter Altmaier hat auf der UN-Klimakonferenz in Doha zu mehr Tempo und Ehrgeiz beim Klimaschutz aufgerufen. "Die dramatische Entwicklung des Klimawandels steht im scharfen Gegensatz zu dem langsamen Fortschritt unserer Arbeit", sagte der CDU-Politiker vor den Delegierten aus 194 Staaten. "Wir müssen unsere Anstrengungen beschleunigen. Wenn wir so weitermachen, laufen wir Gefahr, die verzweifelten Hoffnungen vieler junger Menschen auf der ganzen Welt zu enttäuschen. Wenn wir nicht handeln, werden nicht nur einige in diesem Raum ihre Heimat durch den Anstieg des Meeresspiegels verlieren."
Welt-Klimagipfel kommt nicht voran Teilnehmer sehen kaum Chancen für einen Kompromiss weder bei den Finanzen noch bei den Reduktionszusagen / Altmaier enttäuscht Doha /dapd/dpa
Auf der Weltklimakonferenz in Doha im Emirat Katar am Persischen Golf hat sich auch gestern kein Kompromiss abgezeichnet. Beobachter erwarteten, dass sich die Beratungen über das offizielle Konferenzende gestern verlängerten. Viele Staaten äußerten sich während einer gemeinsamen Bestandsaufnahme daher besorgt über den Fortschritt der Verhandlungen. Symptomatisch für den Verhandlungsverlauf war der Aufruf von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard zu mehr Tempo. Gerichtet war er an den katarischen Präsidenten der UN-Klimakonferenz: Herr Präsident, wir haben nicht so viel Zeit! Sie haben nicht so viel Zeit! Abdullah bin Hamad Al-Attiyah, auch Vizepremier Katars, antwortete prompt: Ich habe viel Zeit. Ich kann hier ein Jahr mit Ihnen sitzen.
Umstritten sind vor allem die Details einer neuen Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll, die in wenigen Wochen endet. Und auch die finanziellen Zusagen für die Anpassung an den Klimawandel laufen Ende dieses Jahres aus. Ab 2020 sollen jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stehen. Eine Entscheidung darüber, wie diese Summe erreicht werden soll, wird aber voraussichtlich auf das nächste Jahr vertagt.
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich enttäuscht, dass es wahrscheinlich weder bei den Finanzen noch bei den Reduktionszusagen nicht schon jetzt zu verbindlichen Zahlen kommen wird. Auch die EU ist gespalten, vor allem was die Reduzierung des Treibhausgasausstoßes anbelangt. Ich hoffe, dass es uns gelingt auch innerhalb der Europäischen Union innerhalb der nächsten Monate unser Klimaziel so anzupassen, dass daraus eine ehrgeizige Politik erkennbar wird, sagte Altmaier und plädierte für eine Drosselung des Treibhausgasausstoßes um 30 Prozent bis 2020.
EU-Kommissarin Hedegaard konstatierte zwar einige Fortschritte, mahnte aber zugleich größere Anstrengungen an. Wir haben sehr stark das Gefühl, dass uns die Zeit davon läuft. Zugleich verwies sie darauf, dass die EU bereits Zugeständnisse gemacht hätte, indem etwa mehrere Staaten finanzielle Zusagen für Klimaschutzmaßnahmen auf den Tisch gelegt hätten.
Auch der Vertreter aus Swaziland, der für die Afrikanische Gruppe sprach, warnte vor Verzögerungen. Wir können nicht ohne Ergebnis nach Hause gehen, sagte er. Der Unterhändler Chinas warf den Industriestaaten vor, bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls nicht genügend Fortschritte gemacht zu haben. In einer emotionalen Rede kritisierte der Vertreter der Philippinen, wo der Taifun Bopha gerade mehr als 500 Menschenleben gefordert hat, viel Gerede und wenig Taten.
Konferenzpräsident al Attiyah rief die Delegierten auf, die Themen nicht isoliert zu betrachten. Niemand werde am Ende gänzlich zufrieden sein, sagte er. Anschließend wurden die Beratungen auf Ministerebene fortgesetzt.
Kommentar von Seite 2:
Schrecken ohne Ende Viel geredet nichts entschieden: Der Klimagipfel von Doha Kerstine Appunn
Es wird willkommen geheißen, angefordert, manchmal anerkannt, aber nur sehr selten entschieden. Die Dokumente über Treibhausgasemissionen und Klimaschutzfinanzen, die nach unzähligen Verhandlungensrunden am Ende der Konferenz in Doha kursierten, sind alles andere als fertige Verträge. Angesichts so vieler Baustellen hatte der Präsident Katars die Klimaunterhändler eingeladen, doch noch eine Nacht länger seine Gäste zu sein: Der Klimagipfel zeigt sich wie schon seine Vorgänger als ein Schrecken ohne Ende.
Diplomaten werden als frustriert und gleichgültig beschrieben andere brechen mitten in einer offiziellen Erklärung in Tränen aus, so verzweifelt langsam geht es voran. Ausgerechnet die EU wird zweimal zum Fossil des Tages gekürt, weil sie die Verhandlungen laut einer Umweltorganisation bremst.
Dabei ging es in Doha doch nur darum, endlich den technischen Pflichtteil hinter sich zu bringen. Wichtige Regeln über die Finanzierung der Klimaanpassung in Entwicklungsländern und ein neues Kyotoprotokoll, in dem zumindest einige der ursprünglichen Verursacher des Klimawandels mit gutem Beispiel voran gehen, sollten verabschiedet werden. Statt dessen sind erneut Nachverhandlungen erforderlich, so wird die Kür einen Weltklimavertrag bis 2015 auszuhandeln zusätzlich erschwert. Denn die bisherigen Konferenzthemen waren einfach, verglichen mit dem, was bis 2015 erreicht werden soll. Auf den kommenden UN-Gipfeln muss entschieden werden, welche Nationen bereits so industrialisiert und reich sind, dass sie sich durch harsche CO2-Reduktionen am Klimaschutz beteiligen müssen. Erst dann wird sich zeigen, ob aufstrebende Nationen wie China, Indien und Brasilien wirklich bereit sind, Verantwortung für ihren wirtschaftlichen Erfolg zu übernehmen, oder ob sie es wie die USA (die in Doha ebenfalls zum Fossil des Tages gekürt wurden) mit leeren Versprechungen und Hinhaltestrategien versuchen. Letzteres könnte die UN-Klimaverhandlungen endgültig scheitern lassen.
Süddeutsche.de vom 8. Dezember 2012 um 18:10 Uhr:
Welt-Klimagipfel in Doha
Klimakonferenz verlängert Kyoto-Protokoll bis 2020
Es ist ein Mini-Kompromiss: Die fast 200 Teilnehmerstaaten des Welt-Klimagipfels haben sich darauf geeinigt, das Kyoto-Protokolls bis 2020 zu verlängern. Doch die größten Klimasünder wollen sich an der Bekämpfung der Erderwärmung nicht beteiligen.
Die Verhandlungen sind zwar nicht gescheitert, doch das Ergebnis des Weltklimagipfels in Doha ist alles andere als ein Durchbruch. Die fast 200 Teilnehmerstaaten haben sich lediglich auf einen Mini-Kompromiss zur Bekämpfung der Erderwärmung geeinigt. Sie stimmten für eine Verlängerung des ursprünglich Ende des Jahres auslaufenden Kyoto-Protokolls bis 2020.
Hier weiterlesen: http://www.sueddeutsche.de/wissen/welt-klimagipfel-in-doha-klimakonferenz-verlaengert-kyoto-protokoll-bis-1.1545374