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Vattenfall-Klage belastet Haushalt. WZ vom 27.10.2014

Vattenfall-Klage belastet Haushalt. WZ vom 27.10.2014

Vattenfall-Klage belastet Haushalt

Schadensersatz-Verfahren wegen der Stilllegung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel kostet schon jetzt neun Millionen Euro

Berlin /sh:z


Die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen den Atomausstieg in Deutschland kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. „Die Bundesregierung geht auf Basis derzeitiger Annahmen von möglichen Gesamtkosten in der Größenordnung von circa 9 Millionen Euro aus“, heißt es in einer Antwort von Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion. Dabei geht es nur um Anwalts-, Gutachter-, Übersetzungs- und Gerichtskosten für das Verfahren vor einem internationalen Schiedsgericht in den USA.

Seit Beginn des Verfahrens im Jahr 2012 wurden aus dem Bundeshaushalt 3,23 Millionen Euro bezahlt, teilte Machnig mit. Vattenfall klagt wegen der Stilllegung der schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel auf 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz. Bis wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, ist unklar. Da auch der deutsche E.ON-Konzern mit 50 Prozent an Krümmel und mit 33 Prozent an Brunsbüttel beteiligt ist, könnte E.ON von Schadenersatz profitieren. Vattenfall kann als ausländischer Konzern gemäß der Energiecharta bei Investitionsstreitigkeiten vor ein Schiedsgericht ziehen.

Die Frage von Schiedsgerichten ist ein entscheidender Knackpunkt bei den Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen USA und EU (TTIP). Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte auf seiner ersten USA-Reise die großen ökonomischen Vorteile von TTIP betont und in einer Grundsatzrede an der Universität Harvard vor hysterischen Chlorhühnchen-Debatten gewarnt. „Ich glaube, das wäre ein historisches Projekt, das den großen Möglichkeiten einer neuen transatlantischen Agenda entspricht.“ Der Vizechef der Gewerkschaft IG BAU, Dietmar Schäfers, forderte von Gabriel, Schiedsgerichte unbedingt zu verhindern. Diese ermöglichten Klagen von Investoren „nicht nur gegen den Bund, sondern auch gegen Länder und Kommunen in Milliardenhöhe“.
Schleswig-Holsteins Energieminister Robert Habeck (Grüne) hat den schwedischen Energiekonzern Vattenfall wegen seiner Klage gegen den Atomausstieg in Deutschland scharf kritisiert. „Die Atomkonzerne klagen im Moment gegen alles und jedes. Aus ihrer Sicht mag es vor allem um Profit und Geld gehen. Politisch heißt das aber eindeutig, dass sie den parteiübergreifend und gesetzlich beschlossenen Atomausstieg nicht anerkennen“, sagte Habeck. Schleswig-Holstein sei konkret vom Pokern Vattenfalls betroffen. Das Unternehmen habe immer noch keinen Antrag für den Rückbau Krümmels gestellt. „Möglicherweise, weil es das AKW als Faustpfand für das Schiedsgerichtsverfahren in Washington behalten will“, sagte der Minister. Das „ist für mich nicht akzeptabel, der Rückbau muss vorangehen“.


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Standpunkt von Stephan Richter



Kernspaltung
Der lange Schatten des Atomausstiegs
Stephan Richter

Der 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima beschlossene
Atomausstieg droht Kanzlerin Angela Merkel einzuholen. Es kann teuer
werden für den Bund. Zugleich ist unter den auf dem deutschen Markt
tätigen Energiekonzernen eine Kernspaltung zu befürchten.


Weil der Energieriese Vattenfall, der bis zur Stilllegung 2011 die
Kernkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel betrieb, aus Schweden kommt,
steht ihm der Weg zum internationalen Schiedsgericht in Washington
offen. Dort fordert der Konzern für die erzwungene Abschaltung vom Bund
Schadensersatz von 4,7 Milliarden Euro. Die Chancen, vor dem
Schiedsgericht Recht zu bekommen, stehen offenbar nicht schlecht.


Das wiederum setzt die Energiekonzerne RWE und E.ON unter Strom. Sie
können als deutsche Unternehmen nicht in Washington streiten.
Stattdessen haben sie gegen den Atomausstieg Beschwerde beim
Bundesverfassungsgericht eingelegt; Schadensersatzforderungen in
zweistelliger Milliardenhöhe stehen im Raum. Was, wenn Karlsruhe anders
entscheidet als das Schiedsgericht in den USA?


Zu den finanziellen Risiken kommt damit eine besondere politische
Brisanz. Bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen (TIPP) geht
es auch um die Frage, ob künftig Unternehmen nationale Gerichte umgehen
und Schiedsgerichte anrufen können, wie es Vattenfall vorexerziert.
Investoren wird es freuen, für Verbraucher und Steuerzahler wird es
teurer.