Die sog. Reformen
Hallo @ll,
jetzt sind sie ja "glücklich" beschlossen, die sog. Reformen, die meiner Ansicht nach nur den Wohlhabenden und Konzernherren nützen. Der Rest wird gezielt in die Armut getrieben.
Interessant ist es trotzdem, was man für Antworten bekommt. Ich hatte mich nämlich an einer von "Attack" organisierten Protestmailaktion beteiligt und zu meiner Überraschung darauf eine Antwort in meinem e-mail-Postfach gefunden, die ich euch nicht vorenthalten möchte:
"Sehr geehrter Absender, sehr geehrte Absenderin einer Protestmail,
Ich möchte Ihnen im Folgenden unsere Position zur AGENDA 2010 und den Hartz-Gesetzen vorstellen.
Im Anhang finden Sie detailliertere Informationen zu den Hartz-Gesetzen. Die Gesetze zur Modernisierung von Dienstleistungen am Arbeitsmarkt können nicht isoliert betrachtet werden. Die Hartz-Gesetzgebung ist Teil des Gesamtprojektes Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierungen.Ziel dieser Reformbemühungen ist es, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Das Kernprojekt der Agenda 2010 ist die Senkung der Lohnnebenkosten und die Beseitigung von Einstellungsbarrieren. Wir wollen die Beschäftigungsschwelle senken.
In Deutschland entstehen erst Arbeitsplätze ab einem Wirtschaftswachstum von 2%. Damit steht Deutschland im internationalen Vergleich sehr schlecht da. Gleichzeitig bremsen die hohen Lohnnebenkosten die Konjunkturentwicklung.
Die Hartz Gesetzgebung will als ein Baustein der Agenda 2010 durch das Prinzip von Fördern und Fordern die Vermittlung in Arbeit verbessern, damit im Aufschwung schneller, umfassender und passgenau vermittelt werden kann. Wenn wir jetzt nicht die Grundlagen legen, wird jeder Wachstumsimpuls auf dem Arbeitsmarkt schnell verpuffen.
Die Agenda 2010 ist ein umfassendes Reformkonzept. Wir wollen u.a. die Lohnnebenkosten senken, in den Bereichen Gesundheit und Rente Reformen grundlegende durchführen und den Meisterzwang bei Existenzgründungen im Handwerksbereich lockern.
Zu hohe Lohnnebenkosten hemmen Unternehmen bei Neueinstellungen. Die Lohnstückkosten steigen und können dazu führen, dass die Produktion ins Ausland verlagert wird. Die weitere Abwanderung von Arbeitsplätzen vom Produktionsstandort Deutschland wollen wir nach Möglichkeit verhindern. Bei der Gesundheitsreform waren uns eine schnelle Senkung der Lohnnebenkosten und Strukturreformen, die dauerhaft die Qualität und Wirtschaftlichkeit unseres Gesundheitswesens verbessern besonders wichtig. Im Einzelnen erreichten wir: Die Stärkung der Patientenrechte, die Stärkung der Patientensouveränität, mehr Transparenz im Gesundheitswesen, eine konsequente Qualitätssicherung, eine Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen, mehr Bedarfsorientierung, weniger Budgetierung, Neuordnung des Arzneimittelmarkts, Stärkung der Gesundheitsversorgung in Ostdeutschland und eine deutliche Absenkung der Lohnnebenkosten ab 2004. Bei aller Kritik, die wir am Verhandlungsstil der Union haben, weisen diese Ansätze in die richtige Richtung. Allerdings hat sich die Union massiv für die Interessen der Ärzte und Apotheker eingesetzt und damit durchgreifende Reformen verhindert, durch die deren Privilegien beschnitten worden wären.
In der Rente wollen wir den einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen durch die Verhinderung des Anstieges des Rentenbeitrages und die die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors sichern. Der Nachhaltigkeitsfaktor würde zukünftig das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern bei der Anpassung der Renten berücksichtigen Gleichzeitig wollen wir die Riester-Rente einfacher und flexibler gestalte und die private Vorsorge stärken.
Der Meisterzwang ist nicht mehr zeitgemäß. Zur Förderung von Existenzgründungen und Ich-AGs brauchen wir flexiblere Modelle, statt bürokratische Regelungen, die unternehmerische Ideen hemmen.
Erst wenn die Wirtschaft wieder Vertrauen fasst kann durch dieses miteinander in Wechselwirkung stehende Bündel an Maßnahmen, als Voraussetzung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, ein vertrauensvolles Investitionsklima entstehen. Dieses muß dann in Arbeitsplätze umgesetzt werden. Mit der Erneuerung der Bundesanstalt für Arbeit und der Einführung von Job-Centern und Arbeitslosengeld IIlegen wir dafür heute die Grundlagen.Durch die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld zum neuen ALG II werden heutige SozialhilfeempfängerInnen besser gestellt. Bündnis 90 Die Grünen werten das Dritte und Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt als politischen Erfolg und den Einstieg in eine aktivierende Grundsicherung, die sich an unseren seit Jahren vertretenen Vorstellungen einer bedarfsorientierten Grundsicherung ausrichtet.
Leistungsempfänger von Sozialhilfe wurden bisher auf dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt. Deren Chancen- und Zugangsgerechtigkeit verbessert sich durch die Hartz Gesetzgebung. So erfolgt künftig die Hilfe für alle Langzeitarbeitslosen aus einer Hand in den Job-Centern. Die Leistungen werden pauschaliert und LeistungsbezieherInnen müssen nicht mehr um jeden Küchenstuhl kämpfen.
Alle Erwerbslosen haben einen Zugang zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Die Zuverdienstmöglichkeiten für die bisherigen Sozialhilfeempfänger gehen weit über die bisherigen Sätze hinaus. Für die Erwerbslosen im ALG-II-Bezug werden Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 125 bzw. 78,- gezahlt. Das gesetzlich geförderte Altersvermögen wird vor Anrechnung geschützt. Durch einen Kinderzuschlag von bis zu 140,- werden Familien mit geringem Erwerbseinkommen vor dem Abrutschen in den Sozialleistungsbezug bewahrt.
Ein Verzicht auf Reformen ist keine Alternative. Zwar können staatlich finanzierte Sozialtransfers kurzfristig die Nachfrage stärken. Langfristig werden wir in Deutschland jedoch nicht vorankommen, wenn wir uns vor grundlegenden Reformen drücken.
Mit freundlichen Grüßen
i.A.Michael Schröter
Persönlicher Referent von Thea Dückert
Anhang:Arbeitsmarktreformen:
Verhandlungsmarathon abgeschlossen, Grundsicherung kommt.
Vermittlungsausschuss verabschiedet Kompromiss
Nach den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß ist nun sicher: die Hartz-Gesetze können zum 01.01.2005 in Kraft treten. Rot-grün hat bei der Zumutbarkeit ein für uns bitteres Zugeständnis an die Union machen müssen. Die Alternative war das Scheitern von Hartz 3 und 4.
Der Preis wäre zu hoch gewesen. Auch wenn die Zumutbarkeit verschärft wurde: Hartz 3 und 4 sind ein wichtiger Fortschritt in der Arbeitsmarktpolitik, von dem alle vorherigen SozialhilfeempfängerInnen profitieren werden. Wir machen damit einen großen Schritt hin zu einer besseren Betreuung und Integration von Langzeitarbeitslosen und der Modernisierung der Arbeitsvermittlung.
Zugleich entlasten wir die Kommunen mit 2,5 Mrd. EUR pro Jahr massiv, da der Bund von den Gemeinden die Kosten für die bisherigen Sozialhilfeempfänger übernimmt. Für die Kommunen entstehen so dringend benötigte finanzielle Spielräume. Die Mehrbelastung der Kommunen in den Neuen Ländern werden durch den Bund in einer Gesamthöhe von 1,33 Mrd. Euro ausgeglichen ("Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen"). Die Abtretung von Umsatzsteueranteilen der Länder an den Bund wird von 1,3 Mrd. Euro auf 0,3 Mrd. Euro reduziert. Im Ergebnis des finanziellen Ausgleichs werden alle Länder und Kommunen entlastet.
Aktivierende Grundsicherung im AufbauBündnis 90 / Die Grünen werten das Dritte und Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt als politischen Erfolg. Mit den Hartz-Gesetzen bauen wir eine aktivierende Grundsicherung auf und setzen wesentliche Anforderungen um, die Bündnis 90 / Die Grünen an eine bedarfsorientierte Grundsicherung stellen.
So ist sichergestellt, dassdie Hilfe für alle Langzeitarbeitslose aus einer Hand in den Job-Centern erfolgt, die Leistungen pauschaliert werden und LeistungsbezieherInnen nicht mehr um jeden Küchenstuhl kämpfen müssen.
eine aktivierende Grundsicherung für alle bedürftigen Erwerbslosen geschaffen wird.
alle Erwerbslosen einen Zugang zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik haben.
die Zuverdienstmöglichkeiten weit über die bisherigen Sätze hinausgehen.
für die Erwerbslosen im ALG-II-Bezug Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 78 bzw. 125 gezahlt werden.
das gesetzlich geförderte Altersvermögen vor Anrechnung geschützt wird.
durch einen Kinderzuschlag von bis zu 140 Familien mit geringem Erwerbseinkommen vor dem Abrutschen in den Sozialleistungsbezug bewahrt werden.
Die Einsparungen aus der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe werden zur deutlichen Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Mrd. genutzt. Damit haben die Kommunen neue Freiräume, um in Kinderbetreuung zu investieren. Jetzt liegt es an den Kommunen, für den Abbau der Frauenerwerbslosigkeit zu sorgen. Sie steht mit dem Fehlen von Kinderbetreuungsplätzen in Deutschland in einem direkten Zusammenhang.
Die finanzielle Situation des Bundes macht es nicht möglich, die Leistungssätze im ALG II oberhalb des heutigen Sozialhilfeniveaus anzusiedeln. Das Arbeitslosengeld II wird in Höhe der neuen pauschalierten Sozialhilfesätze gezahlt. Bei der Anrechnung des Partnereinkommens haben wir hart verhandelt, konnten uns aber schon im Gesetzgebungsverfahren des Bundestages nicht gegen die SPD durchsetzen. Vereinbaren konnten wir aber eine verstärkte Förderung von Frauen, die aufgrund der verstärkten Anrechnung des Partnereinkommens keinen eigenen Leistungsanspruch mehr haben. Dabei ist es auch im Vermittlungsausschuß geblieben.
Die Bundesanstalt für Arbeit wirdentbürokratisiert und in Zukunft selbstverantwortlich und effektiver arbeiten.
Vermittlung in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellen.
mit der Bundesregierung Zielvereinbarungen über Eingliederungserfolge und Vermittlungsleistungen abschließen, an deren Erreichung die Bundesanstalt gemessen wird.
mit der Vereinfachung des Instrumentariums der aktiven Arbeitsmarktpolitik von Verwaltungsaufgaben entlastet. Damit wird die Arbeitsmarktpolitik effizienter gestaltet. Der Umfang der Leistungen an die Beitragszahler ist davon nicht berührt.
in Zukunft Bundesagentur für Arbeit heißen.
Eine bittere Pille: Zumutbarkeit
Im Parlamentarischen Verfahren hatten wir den ersten Gesetzentwurf der Bundesregierung weiter verbessert. Fast alle diese Punkte haben auch den Vermittlungsausschuß überstanden. Die Präzisierung bei den Zumutbarkeitsregelungen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht hatten, wird allerdings zurückgenommen.
Im Bundestagsbeschluß hatten wir festgeschrieben, dass nur tarifliche ortübliche Löhne zumutbar sein sollten. Diesen Passus mußten wir auf Druck der Union wieder streichen.
Aber auch damit wird in Zukunft nicht jede Arbeit zu schlechten Bedingungen zumutbar sein. Denn: Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Strafgesetzbuch ist es verboten und strafbar, die Zwangslage eines Menschen dazu auszunutzen, ihm ein Lohnniveau aufzunötigen, das in einem deutlichen Missverhältnis zur Tätigkeit liegt. Die Drohung mit Leistungskürzung bedeutet eine solche Zwangslage. Auf der Grundlage dieser Rechtslage liegen eine Reihe von Urteilen vor, die Lohndumping als sittenwidrig verbieten.
Positives Gesamtpaket: Viele Grüne Verhandlungserfolge
Die anderen Grünen Verhandlungserfolge aus dem parlamentarischen Verfahren bleiben bestehen:
Es wird keine Verordnungsermächtigung zur Definition der Erwerbsfähigkeit geben. Die klaren einfachen Kriterien des Rentenrechts gelten in Zukunft für alle Langzeitarbeitslosen. Nur wer zu jung, zu alt oder zu krank ist, wird weiter durch die Sozialämter betreut. Die entsprechenden Formulierungen aus dem SGB VI werden wortgleich übernommen, die Verordnungsermächtigung wird gestrichen. Damit ist sichergestellt, dass keine neuen Verschiebebahnhöfe zwischen Jobcentern und Sozialämtern eröffnet werden.Es wird - entgegen dem massiven Druck, den die Union in dieser Frage ausgeübt hat - keine wechselseitige Unterhaltspflicht von erwachsenen Eltern und Kindern beim Arbeitslosengeld II geben. Die ursprünglich vorgesehenen Vorschriften zu wechselseitigen Unterhaltsverpflichtungen bleiben komplett gestrichen. Wer mit 55 Jahren lange Zeit arbeitslos wird, muss nicht bei seinen Kindern betteln. Das ist eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zur Sozialhilfe. Eine Ausnahme davon gibt es: Bei Minderjährigen und bei Jugendlichen, die ihre Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben, können die Job-Center die Unterhaltspflicht der Eltern einfordern. Durch den von uns im parlamentarischen Verfahren durchgesetzten Freibetrag für die private Altersvorsorge werden sämtliche Formen der Altersvorsorge geschützt, die nach dem 60. Geburtstag ausgezahlt werden. Neben diesem neuen Freibetrag von zusätzlich 200 Euro pro Lebensjahr für die private Altersvorsorge besteht der Vermögensfreibetrag in Höhe von 200 Euro pro Lebensjahr fort.In der Reform werden Unterhaltsgeld und Arbeitslosengeld zu einer Leistung zusammengefasst. Wir konnten bereits im parlamentarischen Verfahren eine daraus resultierende drohende Verschlechterung für BerufsrückkehrerInnen abwenden, die keinen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr haben. Es bleibt sichergestellt, dass BerufsrückkehrerInnen in Weiterbildungsmaßnahmen Zugang zu Unterhaltsgeld haben, und zwar aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass mit der Neuregelung nicht hinter die Erfolge des Job-Aktiv-Gesetzes zurückgegangen werden darf. Ein Entschließungsantrag des Bundestages aus dem Oktober und die Einführung eines neuen § 8bSGB III stellen klar, dass Weiterbildungsmaßnahmen für BerufsrückkehrerInnen sichergestellt werden. Für die meisten BerufsrückkehrerInnen bleibt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen: Wer Angehörige pflegt, kann sich zukünftig freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern. Wer Kinder erzieht, wird bis zum 3. Lebensjahr des Kindes in der Arbeitslosenversicherung versichert. Erwerbslose, die aufgrund der stärkeren Anrechnung des Partnereinkommens keinen Anspruch auf Leistungen nach dem ALG II haben, erhalten Zugang zu aktiven Maßnahmen. Bis zu einem Jahr nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes werden sie ALG-II-BezieherInnen beim Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen gleichgestellt. Nach diesem Jahr ist der Zugang zu Weiterbildung eine Ermessensleistung, die durch Vorschriften zum Gender Mainstreaming flankiert wird. Eine Präzisierung in § 16 SGB II stellt nach wie vor klar, dass auch weiterhin öffentlich geförderte Arbeitsplätze für Erwerbslose geschaffen werden können. Damit wird die Zukunft der kommunalen Beschäftigungsträger gesichert. Zwar wird - wie bei ABM - nicht auf das Kriterium der Zusätzlichkeit für Gesamtprojekte verzichtet. Allerdings können normale Arbeitsplätze in bestehenden - kommunalen Betrieben - geschaffen werden. Diese Arbeit muss dann nicht zusätzlich sein. Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf war dies nicht möglich. Die freien und gemeinnützigen Träger hatten an diesen Punkten massive Kritik. Die Stellung der Träger der freien Wohlfahrtspflege wird gestärkt.
Der Bundestag wird bei der Erarbeitung der Zielvereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit beteiligt. Damit hat das Parlament ein Mitsprache- und Kontrollrecht, wenn die Arbeitsmarktpolitik in Zukunft ziel- und wirkungsorientiert gestaltet wird.
Durch einen begleitenden Entschließungsantrag haben wir beim Bundestagsbeschluß zu Hartz 3 und 4 im Oktober im Vorgriff auf die Zielvereinbarungen sichergestellt, dass strukturschwache Regionen durch BSI und ABM eine besondere Förderung erhalten sollen. Die Beschränkung auf umweltpolitische Maßnahmen in den BSI wird aufgehoben. Ein weiterer Entschließungsantrag betonte die Förderung von BerufsrückkehrerInnen.
Die verschärften Sanktionen für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 konnten wir schon im parlamentarischen Verfahren nicht verhindern. Allerdings konnten wir erreichen, dass sanktionierte Jugendliche, die bisher nur noch einen Anspruch auf Wohngeld hatten, in Zukunft ergänzende Sachleistungen bekommen. Dieser Anspruch bleibt auch nach dem Beschluß des Vermittlungsausschusses bestehen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte die Vermittlung in Arbeit, Arbeitsgelegenheit und Ausbildung für Jugendliche gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Schon im Oktober wurde geklärt: Ausbildung steht an erster Stelle.
Bündnis 90 / Die Grünen haben seit Beginn der Verhandlungen für bessere Zuverdienstmöglichkeiten gestritten. Wir haben bereits im parlamentarischen Verfahren deutliche Verbesserungen erreicht gehabt. Im Vermittlungsausschuß wurden die Zuverdienstmöglichkeiten im ALG II nochmals erweitert. Damit geben wir den Leistungsempfängern die Möglichkeit, durch eigene Arbeit langsam aus dem Leistungsbezug herauszuwachsen. Die Zuverdienstmöglichkeiten sind zusätzlich nach Familiengröße gestaffelt, so dass größere Bedarfsgemeinschaften mehr von ihrem Einkommen behalten können als Alleinstehende. Beides bedeutet eine erhebliche Verbesserung zur bisherigen Regelung in der Sozialhilfe und eine erneute Verbesserung im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzentwurf.
Im Gesamtpaket bewerten wir auch die Verhandlungsergebnisse aus dem Vermittlungsausschuss positiv. Zentrale Forderungen, die die BDK in Cottbus und die Fraktionsklausur in Miesbach erhoben haben, bleiben umgesetzt.Kommunen auf gleicher AugenhöheBei der langfristigen Einbindung der Kommunen in die Arbeit der Job-Center waren sich die Koalitionspartner einig. In der Anhörung zum Gesetzentwurf war bestätigt worden, dass die Zusammenarbeit von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit auf gleicher Augenhöhe in den Job-Centern Ziel sein muss. Die Union wollte - wie im Koch-Modell - die reine kommunale Zuständigkeit durchsetzen, ist aber schon in der Anhörung zurückgerudert.Die Regelungen für die dauerhafte Einbindung der Kommunen in die Job-Center waren ein wichtiger Gegenstand der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Jetzt steht die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit im Gesetz. Der Vermittlungsausschuss ist damit einer Position gefolgt, die die Grünen von Anfang der Hartz-Beratungen im Frühjahr an engagiert vertreten hatten. Die Trägerschaft der Job-Center bleibt bei der BA. Landkreise und kreisfreie Städte, die sich dazu in der Lage fühlen, können allerdings nach dem Beschluß des Vermittlungsausschusses die Trägerschaft einfordern und erhalten. Wir sehen diese Änderung kritisch, aber halten sie für verschmerzbar. In der Regel dürfte es nicht attraktiv für die Kommunen sein, sich zusätzliche Lasten aufzubürden.Mit dem Kooperationsmodell können die Kommunen nun einen Weg gehen, der ihnen bereits entscheidende Mitspracherechte sichert und eine Bündelung der jeweiligen Kompetenzen von BA und Kommune ermöglicht. Die Kommune wird fachlich und finanziell für die Unterkunft und Heizung, die psycho-sozialen Dienste und die Kinderbetreuung der Leistungsempfänger zuständig sein, die BA wird für die Transferleistung und alle sonstigen Leistungen, insbesondere Vermittlung und Integration in den Arbeitsmarkt verantwortlich sein. Als Partner gründen beide Arbeitsgemeinschaften, in denen im Rahmen des SGB II über die Grundsätze der Betreuung vor Ort entschieden wird. Die Kommune behält über die finanzielle und fachliche Einbindung Einfluss und Interesse an der Integration der Langzeitarbeitslosen. Das Kooperationsmodell beherzigt die Erkenntnisse aus erfolgreichen Pilotprojekten in Köln und an anderen Orten und überführt sie in das neue Leistungssystem. Die bisher im Gesetz vorgesehenen Übergangsregelungen zur Zuständigkeit der Kommunen entfallen damit.
AusländerInnen und ALG II
Die Verhandlungen zum Arbeitsmarktzugang von AusländerInnen waren bereits mit der SPD im Oktober extrem schwierig gewesen. Wir konnten seinerzeit erreichen, dass AusländerInnen mit nachrangigem Arbeitsmarktzugang Zugang zum ALG II bekommen. Ursprünglich sollten sie auf die Sozialämter verwiesen werden. Den Zugang zu den Job-Centern für Menschen mit kleinem Asyl oder Asylbewerber, die bereits erwerbstätig waren, konnten wir hingegen nicht erreichen. Hier besteht eine grundsätzliche politische Differenz zwischen SPD und Grünen.
Die Förderung von Deutsch-Sprachkursen durch die Job-Center konnte nicht gewährleistet werden. Wir konnten aber erreichen, dass die begonnen Maßnahmen weiter gefördert werden (Art. 3 Nr. 10a).
Die Regelungen zum Arbeitsmarktzugang von AusländerInnen sind nach dem Abschluß des Vermittlungsverfahrens so bestehen geblieben, wie wir sie mit der SPD verhandelt haben.Was bleibt von Wisconsin?Die Union wollte Hartz 4 (Job-Center und Arbeitslosengeld II) im Vermittlungsausschuss blockieren. Besonders Koch kritisierte die rot-grünen Arbeitsmarktreformen heftig und verwies auf Wisconsin.
Durch das Existenzgrundlagengesetz (EGG), das die Union unter Federführung von Roland Koch als Alternative zum rot-grünen Gesetz vorgelegt hatte, zog sich die soziale Schieflage wie ein schwarzer Faden:
Unterhaltspflicht zwischen erwachsenen Eltern und Kindern
keine Beiträge zur Rentenversicherungkeine
verbindliche Krankenversicherungs-MitgliedschaftLeistungen unterhalb des Sozialhilfesatzes
Einführung eines flächendeckenden Niedriglohnsektors mit Lohndumping
Extreme Finanzbelastungen für die Kommunen und den Bund
Harte Sanktionen bis zur kompletten Streichung der Leistung, die umfassende Kontrolle durch Amtsärzte und Psychologen und umfassende Unterhalts- und Darlegungspflichten durch Verwandte waren für uns ein sozialpolitisches Horrorszenario.
Die nähere Ausgestaltung der Leistung sollte nach dem Willen der Union den Ländern vorbehalten bleiben.
Wir haben dagegen durchgesetzt: Armutsbekämpfung und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse bleiben bundesweit verbindlich geregelt sein.Die Unterhaltsplicht von erwachsenen Eltern und Kindern kommt nicht wieder. Langzeiterwerbslose bekommen Renten- und Krankenversicherungsbeiträge gezahlt.
Einen flächendeckenden Niedriglohnsektor mit Lohndumping, wie ihn die Union gefordert hatte, wird es nicht geben - und die Streichung der tariflichen Zumutbarkeitsregelungen findet ihre Grenze an der Rechtsprechung. Der zweite Baustein der Union für den Niedriglohnsektor - Leistungen unterhalb des Existenzminimums - wird nicht verwirklicht.
An die Stelle von Kochs finanzpolitischen Phantasievorstellungen ist eine solides Finanzierungsbasis weiterhin Grundlage von Hartz 3 und 4.
Im Ergebnis ist der Blockadekurs von Roland Koch gescheitert. Auch die Union konnte sich letzten Endes der Erkenntnis nicht verschließen: Die Hartz-Gesetze sind die richtigen Gesetze zum richtigen Zeitpunkt: für die Erwerbslosen und für weniger Langzeitarbeitslosigkeit. Wir haben jetzt die richtigen Werkzeuge an der Hand, um Bewegung in der Wirtschaft in Bewegung am Arbeitsmarkt umsetzen zu können."
Also mal wieder die übliche Polemik. Ich jedenfalls kam mir vor, als wären wir schon wieder im Wahlkampf. Warten wir's ab - ich persönlich denke, folgende "Devise" wird eintreffen:
"Gestern standen wir noch an einem Abgrund,
heute sind wir einen Schritt weiter."
In diesem Sinne - ein schönes Weihnachtsfest! Genießt es - das Nächste wird wohl um einige Grade "unschöner" werden.
Liebe Grüsse,
Eva
...we will stay by your side, let our voices be there to guide you... aus "Crimson Thunder"