Obama redet über amerikanische Militärintervention in Mexiko
F. William Engdahl
Nur sechs Wochen nach seinem Amtsantritt spricht US-Präsident Barak Obama bereits von der Möglichkeit einer amerikanischen Militärintervention in Sri Lanka und in Mexiko. Außerdem hat er ja bereits die Verstärkung der US-Truppen in Afghanistan eingeleitet und eine deutliche Verzögerung beim Rückzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak angekündigt. Es wird immer schwerer festzustellen, was von dem »Friedenspräsidenten« Obama noch übrig geblieben ist. Aber das ist keine Überraschung. Denn weil sich der Präsident weigert, den mächtigen Wall-Street-Banken in der sich verschärfenden Finanzkrise den entscheidenden Schlag zu versetzen, greift er zu dem einzigen Machthebel, der den USA jetzt noch verblieben ist: rohe globale militärische Machtprojektion. Doch diese Strategie ist unter Barak Obama genauso zum Scheitern verurteilt wie zuvor unter George W. Bush.
Die Diskussion über die Entsendung amerikanischer Truppen nach Mexiko geschieht nominell im Zusammenhang mit dem sogenannten Krieg gegen das Rauschgift. In jüngster Zeit berichtet die Presse in dramatischem Ton über den Krieg zwischen rivalisierenden Drogenbanden in Mexiko. Es geht angeblich um die Kontrolle über den Kokainhandel in die Vereinigten Staaten und nach Europa.
Ein neues Vietnam-Modell?
Obama erhielt in den letzten Tagen vom Chef der gemeinsamen Generalstäbe (Joint Chiefs of Staff) der US-Streitkräfte, Admiral Michael Mullen, eine Lagebericht über Mexiko und die Möglichkeit eines verstärkten militärischen Eingreifens der USA in dem Nachbarland. Mullen war kurz zuvor von einer sechstägigen Reise durch mehrere lateinamerikanische Länder zurückgekehrt. In Mexiko City war er mit Mexikos Verteidigungsminister und führenden Vertretern der mexikanischen Streitkräfte zusammengetroffen und hatte mit ihnen über Vorschläge beraten, wie Washington unter dem Schirm des Plan Merida Mexikos Streitkräfte verstärkt unterstützen könnte. Im Zuge dieses Planes sollen die mexikanischen Streitkräfte von den USA nicht nur Ausrüstungsgegenstände und Unterstützung bei der Ausbildung erhalten, sondern auch noch »andere Hilfen«. Die Laufzeit dieses Programms in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar beträgt drei Jahre.
Bemerkenswerterweise sagte Mullen, das Pentagon sei bereit, den mexikanischen Streitkräften dabei zu helfen, dieselbe Taktik zur Aufstandsbekämpfung anzuwenden wie sie die amerikanischen Streitkräfte in den letzten Jahren im Irak und in Afghanistan angewandt haben. Die US-Streitkräfte »werden viel von dem weitergeben, was wir in den letzten drei bis vier Jahren bei unserem Vorgehen gegen Aufständische in unserem Kampf gegen die Terrornetzwerke gelernt haben«, so Mullen wörtlich.
Das Pentagon schlägt vor, in Mexiko die gleiche Taktik anzuwenden wie im Irak.
Mit Unterstützung der USA bemüht sich Mexikos Präsident Felipe Calderón nach Kräften, sein Land zunehmend zu militarisieren. Zehntausende Soldaten werden in den Gebieten zwischen Matamoros und Reynosa im Osten, bis nach Tijuana, Guerrero, Michoacán und Sinaloa im Westen eingesetzt. Am Vorabend von Mullens Besuch schickte das mexikanische Militär 5.000 zusätzliche Soldaten in das jenseits der Grenze von El Paso (Texas) gelegene Ciudad Juarez. Die dortigen Patrouilleneinheiten wurden verstärkt und die Stadt wurde mit Straßensperren von der Umwelt abgeriegelt.
Bei seinen Gesprächen mit den Vertretern der mexikanischen Streitkräfte sprach Mullan offen von amerikanischer Unterstützung bei der »nachrichtendienstlichen Ermittlung, Überwachung und Aufklärung«, im US-Militärjargon auch als ISR (intelligence, surveillance, reconnaissance) bezeichnet. Der Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse läuft zwar schon seit einiger Zeit, aber laut Mullen »gibt es noch andere Felder im gesamten IRS-Bereich, die dabei zum Tragen kommen könnten«. Damit könnte der Einsatz von bemannten US-Aufklärungsflugzeugen und unbemannten Drohnen über mexikanischem Gebiet gemeint sein, oder auch der Einsatz von Sonderkampfeinheiten, wie z.B. den Green Berets oder privaten militärischen Auftragnehmern wie der Firma Blackwater.
Mullen wollte nichts dazu sagen, ob unbemannte Drohnen bereits über Ciudad Juarez und anderen mexikanischen Städten zum Einsatz gekommen sind. Mullen und Obama haben darüber gesprochen, wie die amerikanische Militärhilfe verstärkt werden kann.
Am 1. März lobte US-Verteidigungsminister Robert Gates den mexikanischen Präsidenten Calderón dafür, dass er »den Kampf [gegen den Drogenhandel] aufgenommen« und dabei die Armee eingesetzt habe. Angeblich seien »die alten Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit« zwischen Mexiko und dem Pentagon »beiseite geschoben« worden. Deshalb, so Gates, sei Washington nunmehr bereit, den mexikanischen Streitkräften »mit Ausbildung, Ressourcen und Maßnahmen zur Aufklärung und Überwachung zu helfen«.
Diese Anzeichen direkteren amerikanischen militärischen Eingreifens folgen auf viele Presseberichte, in denen Mexiko als potenziell »gescheitertes Land« und zunehmende Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA dargestellt worden ist. In ihrem Jahresbericht über die Einschätzung globaler Sicherheitsbedrohung ordnet das Kommando der Vereinigten Streitkräfte (Joint Forces Command) im Pentagon Mexiko zusammen mit Pakistan den Ländern zu, bei denen »ein plötzlicher und schneller Zusammenbruch in Betracht gezogen werden muss«. In dem Bericht wird ausdrücklich gewarnt: »Sollte Mexiko ins Chaos abgleiten, dann muss Amerika antworten, auch wegen der schwerwiegenden Auswirkungen auf die eigene innere Sicherheit« der USA.
Diesem Jahresbericht aus dem Pentagon folgte ein Dokument von General a.D. Barry McCaffrey, das im Januar von der Militärakademie der USA veröffentlicht wurde. General McCaffrey war unter Präsident Clinton Direktor der amerikanischen Bundesbehörde für Drogenbekämpfung (Office of National Drug Control Policy). Mexiko kämpfe, so schrieb McCaffrey, »um das Überleben gegen den Narco-Terrorismus« und sei auf ein weiteres Eingreifen der USA angewiesen. »Die vorgeschlagenen amerikanischen Finanzmittel zur Unterstützung der mexikanischen Regierung sind ein Tropfen auf einen heißen Stein im Vergleich zu dem, was wir im Irak und in Afghanistan aufgewendet haben«, schrieb er weiter. »Aber in Mexiko steht sehr viel auf dem Spiel. Wir können es uns einfach nicht leisten, einen Narco-Staat zum Nachbarn zu haben.«
In den Medien wurde unlängst beständig davor gewarnt, dass die mit dem Rauchgifthandel einhergehende Gewalt, die in Mexiko allein in diesem Jahr schon mehr als 1.000 Todesopfer gefordert hat, sich unweigerlich auch auf das Gebiet jenseits der Grenze ausbreiten wird.
Obamas Ministerin für Heimatschutz und Innere Sicherheit, Janet Napolitano, schloss sich in der vergangenen Woche bei einem Interview mit dem öffentlichen Fernsehsender PBS diesen Warnungen an. Sie bestätigte zwar, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass diese Gewalt bereits die Grenze übersprungen hätte, fuhr aber fort: »Aber machen wir uns absolut nichts vor. Es ist ein sehr ernster Kampf. Er könnte auf die Vereinigten Staaten übergreifen. Wenn dass geschieht, dann müssen wir gerüstet sein, um mit der Lage umgehen zu können.«
(Fortsetzung nächster Post)
"Immer weigere ich mich, irgendetwas deswegen
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Albert Einstein (1879-1955)