Lamictal
Lamictal®: neu bei bipolaren Störungen
Nicht nur Wirkstoffe sondern auch neue Indikationsgebiete für schon bekannte Substanzen können Innovationscharakter besitzen, wie das Beispiel Lamictal® (»Lamotrigin«) eindrucksvoll zeigt.
»Lamotrigin« kam schon 1993 in Österreich als Antiepileptikum auf den Markt. Zehn Jahre später erhielt GlaxoSmithKline die Zulassungserweiterung für die genannte manisch-depressive Erkrankung. Die nun mögliche Verbesserung der Behandlung ergibt sich aus den Besonderheiten des bipolaren Erkrankungsverlaufes.
Wechselnd manisch und depressiv
Bipolare Störungen sind chronische, kompliziert verlaufende, affektive Krankheiten und gelten als Gemütskrankheit. Geschätzte 120.000 Österreicher dürften daran leiden.
manische Phase: Der Betroffene ist aufgekratzt, redet viel und ist über alle Maßen aktiv. Er überschätzt sich maßlos, und sein Verhalten steht im völligen Gegensatz zu sonst.
depressive Phase: Es ist, als ob der kranke Mensch in ein »Loch« gestürzt wäre. Er fühlt sich ausgepumpt, leer, traurig, schläft schlecht und leidet an Morgentiefs.
Jede dieser beiden Phasen, aber auch Mischphasen, können tage, monate, oder sogar jahrelang anhalten. Durchschnittlich entfallen auf eine manische drei depressive Phasen, die auch dreimal länger andauern. Leider beeinflussen die vorhandenen Antikonvulsiva gerade die depressiven Phasen nur ungenügend, wie die dünnen Pfeile in der Therapieübersicht (Abb. unten) signalisieren.
Verwendete Substanzgruppen zur Therapie bipolarer Störungen
Die heutige Therapie
Bipolare Störungen bedürfen in der Regel einer Dauertherapie. An die jeweilige
Akuttherapie (meist Wochen) mit Neuroleptika oder Antidepressiva schließt sich eine
Rezidivprophylaxe (Wochen bis Monate) mit Antikonvulsiva an, gefolgt von der
Phasenprophylaxe (jahrelang), um den krankheitsfreien Zeitraum zwischen den Episoden zu verlängern. Heute bezeichnet man die Phasenprophylaktika als »Stimmungsstabilisatoren«. Sie begleiten den Patienten lebenslang, um ihn vor manischen und depressiven Episoden möglichst zu schützen.
In der Akuttherapie der Manie ist der Goldstandard Lithium. Es verliert aber mit Zunahme der depressiven oder psychotischen Symptome seine Bedeutung. »Carbamazepin« und »Valproat« können diese Lücke zwar teilweise füllen, es hat sich aber gezeigt, dass die prophylaktische Gabe von Lithium bzw. der anderen Antikonvulsiva kaum in der Lage ist, eine bipolare Depression zu verhindern.
Kurzprofil Lamictal® bei bipolaren Störungen
Die vorbeugende Behandlung manisch-depressiver Episoden war bisher lückenhaft, weil die bislang verwendeten Antikonvulsiva gut antimanisch, aber zu wenig antidepressiv wirkten.
Das bekannte Antiepileptikum Lamictal® darf seit 2003 auch zur Prävention depressiver Episoden bei manisch-depressiven Patienten eingesetzt werden und füllt damit die oben beschriebene Lücke in der Therapie bipolarer Störungen.
Zur Dosistitration stehen 4 Stärken zur Verfügung, die nach einem ausgefeilten Schema über einen Zeitraum von 5 Wochen zum Einsatz kommen. Interaktionen mit der Begleitmedikation »Carbamazepin« bzw. »Valproat« sind dabei dosismäßig zu berücksichtigen.
Die Nebenwirkungen beschränken sich auf Hautreaktionen (vor allem bei zu rascher Dosiseskalation) und Schmerzen in Gelenken, Rücken- und Kopfbereich.
»Lamotrigin«
(Lamictal® lösliche Tabletten)
Die Zulassungserweiterung betrifft alle Stärken zu 5, 25, 50 100 und 200 mg »Lamotrigin«. Allerdings beschränkt sich die Kassenfreiheit weiterhin nur auf die IND-Verordnung bei therapierefraktärer Epilepsie. In Deutschland wurde »Lamotrigin« im Oktober 2003 unter einer eigenen Marke (Elmendos®) mit der ausschließlichen Indikation »bipolare Depression« in den Handel gebracht.
Chemie und Wirkweise
Die Entwicklung ging von der fälschlichen Annahme aus, dass die ersten Antiepileptika wie »Phenytoin« (Epanutin®, Epilan®) und »Primidon« (Cyral®, Mysoline®) ihren Effekt einer Dihydrofolatreduktasehemmung verdanken.
Wirkungsmäßig geht man heute von einer Hemmung pathologisch erhöhter Neurotransmitter-Spiegel (vor allem von »Glutamat« und »Aspartat«) aus.
Pharmakokinetik und Dosierung
Die Substanz zeichnet rasche und vollständige Resorption aus. Schon nach 2,5 Std. werden maximale Plasmaspiegel erreicht, wobei an Plasmaproteine etwa 55% der Wirkstoffmenge gebunden ist. Die Halbwertszeit beträgt nach mehreren Einzeldosen ca. 22 Std. Zugleich gegebene Antiepileptika wie »Carbamazepin« verkürzen sie auf ca. 14 Std., »Valproat« verlängert sie auf ca. 70 Std.! Zur Ausscheidung trägt vor allem die Leber bei, denn nur 10% der Dosis scheinen unverändert im Urin auf.
Dosierung: Die Behandlung beginnt stufenweise mit Dosisverdoppelung alle zwei Wochen, bis nach 6 Wochen die Zieldosis von 200 mg erreicht wird. Die Tagesdosis ist je nach gewählter Begleitmedikation zu erhöhen oder zu verringern. Alle Tabletten können in etwas Wasser »aufgelöst« (Suspension), als Ganzes mit wenig Wasser geschluckt oder gekaut werden.
Bei Umstellungen der Co-Medikation sind die Dosierungen ein- und ausschleichend zu wählen (Details siehe Austria-Codex Fachinformation).
Indikation: »Lamotrigin« wird zur vorbeugenden Behandlung bei manisch-depressiven Patienten mit einem Risiko für depressive Episoden empfohlen. Zur Vermeidung manischer Episoden ist eine Zusatztherapie notwendig, weil die diesbezügliche Wirksamkeit von »Lamotrigin« bisher nicht ausreichend belegt ist. Schon nach der dritten Behandlungswoche wird die antidepressive Wirkung klinisch manifest.
Sicherheit
Im Vordergrund der Nebenwirkungen stehen mit 9 bis 14% Hautausschläge, die besonders häufig bei zu rascher Dosiserhöhung in der Eskalationsphase zu beobachten sind. Unter »Lamotrigin« traten Gelenks- und Rückenschmerzen sowie Kopfweh in 1 bis 10% der Behandlungen auf. Es fehlt aber die bei den anderen Antikonvulsiva typische Gewichtszunahme, Sedierung und kognitive Beeinträchtigung.
Quelle: www.oeaz.at
Vorsicht: Da es sich bei Lamictal um ein Antiepilektikum handelt, darf das Medikament nur ausschleichend abgesetzt werden, da es sonst zu epileptischen Anfällen kommen kann!!!