Forum der FSW - Abschlussjahrgang 2006 - VWL / Politik

Unterricht 17.01.2004: Bürgerversicherung und Kopfprämie

Unterricht 17.01.2004: Bürgerversicherung und Kopfprämie

Eine solidarische Finanzierung der Sozialausgaben, an der alle Berufsgruppen, oder alle Erwachsenen beteiligt sind

In der Diskussion um einen Systemwechsel bei der Finanzierung der Sozialsysteme sind vor allem zwei Modelle im Gespräch: die Bürgerversicherung, bei der alle Berufsgruppen und sämtliche Einkunftsarten mit individuellen Beiträgen herangezogen werden, und die Kopfpauschale, bei der jeder Erwachsene unabhängig vom Einkommen einen Pauschalbetrag bezahlt.

Bürgerversicherung:
Die Umwandlung der Sozialversicherungen in eine Bürgerversicherung wird vor allem von den Grünen gefordert. Aber auch Teile der SPD und Gewerkschaften sowie der Unions-Verhandlungsführer bei der Gesundheitsreform, Horst Seehofer (CSU), machen sich dafür stark. Zur Finanzierung der Bürgerversicherung sollen grundsätzlich alle Einkunftsarten - auch Zinsen, Mieteinnahmen und Aktiengewinne - herangezogen werden. Alle Bürger müssten in diese gesetzliche Pflichtversicherung entsprechend ihrer Einkünfte einzahlen: der Millionär ebenso wie der Beamte und der Selbstständige. Die privaten Krankenkassen, die Leidtragende des Systemwechsels wären, warnen vor Verstaatlichung und haben bereits verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Sie würden - weil ihnen die Neumitglieder abhanden kämen - regelrecht austrocknen.

Kopfprämie:
Für die Kopfprämie - im Gespräch sind etwa 200 Euro im Monat - haben sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sowie der Regierungsberater Bert Rürup ausgesprochen. Entfallen würde dabei die beitragsfreie Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehegatten. Der Haupteinwand gegen das Kopfpauschalen-Modell lautet: Es entlastet obere Einkommen besonders, käme also einer Umverteilung von unten nach oben gleich. Kritiker geben ferner zu bedenken, dass weder Bürgerversicherung noch Kopfpauschale die Strukturprobleme des Gesundheitssystems - die eine Explosion der Beiträge befürchten lassen - langfristig und grundsätzlich lösen können.

Re: Unterricht 17.01.2004: Bürgerversicherung und Kopfprämie

Bürgerversicherung plus Kopfpauschale
Kann ein Kombimodell "Bürgerprämie" die Probleme im Gesundheitswesen lösen helfen?

Noch ist das Gesundheitsmodernisierungsgesetz nicht verabschiedet, da wird bereits über eine Weiterentwicklung der Krankenversicherung diskutiert. Die Politik lässt die Menschen nicht zur Ruhe kommen, Angst und Verunsicherung bleiben. Deshalb böte es sich an, erst einmal die zunächst geplanten Schritte auf dem Weg zur Reform des Gesundheitswesens zu gehen statt die Diskussion über einen weiteren Reformvorschlag anzuheizen.

Zur Diskussion stehen die Modelle "Bürgerversicherung" und "Kopfpauschale", die bereits in der Rürup-Kommission erörtert wurden. Aber die Mitglieder der Kommission konnten sich mehrheitlich weder für das eine noch das andere Modell entscheiden. Das Ende ist offen.

Nun hat Bundesaußenminister Joseph Fischer eine Kombination beider Modelle vorgeschlagen. Er ist nicht der einzige, der sich für die Einführung einer so genannten Bürgerprämie ausspricht. Alle Bürger sollen dabei ein "Standardpaket" an Gesundheitsschutz kaufen und dafür eine pauschale Prämie bezahlen. Diese Bürgerprämie wäre aber keine Einheitsprämie, da jede Versicherung sie selbst berechnen könnte, je nachdem, was sie dafür anbietet. Es gäbe also einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen den Anbietern. Und die Versicherten könnten zwischen den Anbietern wählen, auch zwischen der heutigen gesetzlichen Krankenkasse und der privaten Krankenversicherung. Alle Versicherungen müssten in einen Risikoausgleich einzahlen.

Eines steht jetzt schon fest: Erfolgt eine Abkoppelung von der paritätischen Finanzierung und soll dann aus dem Bundeshaushalt ein sozialer Ausgleich gezahlt werden, entstünde eine Abhängigkeit, die erneut Probleme mit sich bringt. Deshalb sollte überlegt werden, ob man - wie im Nachbarland Frankreich geschehen - für den sozialen Ausgleich eine Familienkasse schafft, in die der Staat seinen Anteil abführen muss. Aber auch die Arbeitgeber kann man nicht völlig aus ihrer bisherigen Verantwortung entlassen. Deshalb sollte die Gelegenheit genutzt werden, um einen Teil der Ausgleichszahlungen über die Wertschöpfung der Unternehmen zu finanzieren. Damit könnten auch die gewandelten Produktions- und Dienstleistungsstrukturen der Wirtschaft berücksichtigt werden. Zugleich würde damit die Chancengleichheit von lohn- und kapitalintensiven Betrieben hergestellt. Da nicht mehr das gesamte Gesundheitssystem zu finanzieren wäre, würde sich das hierfür benötigte Finanzvolumen in Grenzen halten. Schließlich wäre nur der soziale Ausgleich in Höhe von rund 25 Milliarden Euro aus einer solchen Familienausgleichskasse zu finanzieren.

Allerdings steht fest: Man kann nicht beide Modelle nebeneinander diskutieren. Zunächst muss man sich entscheiden, ob man das Gesundheitsmodernisierungsgesetz weiter beraten und tatsächlich verabschieden will. Erst dann ist es an der Zeit, im Detail über neue Wege nachzudenken.

Re: Unterricht 17.01.2004: Bürgerversicherung und Kopfprämie

Gesundheitsprämie (Kopfpauschale)
In der Diskussion um eine Reform der Sozialversicherungen in Deutschland spielen zunehmend Forderungen nach einer Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) eine Rolle.

Bereits im April hatte die Rürup-Kommission alternativ zu einer Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung ein Gesundheitsprämienprinzip zur Auswahl gestellt. Die Gesundheitsprämie ist ein Pauschalbeitrag zur Sozialversicherung. Alle erwachsenen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen danach eine feste Monatsprämie, die den durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben der jeweiligen Kasse entspricht. Damit wird die Finanzierung der Krankenversicherung von den Arbeitsverhältnissen abgekoppelt. Steigende Beiträge sorgen nicht länger dafür, dass aus Kostengründen Stellen wegrationalisiert werden.

Der soziale Ausgleich wäre über das Steuer-Transfer-System zu organisieren – die Beitragsfreiheit für Kinder und die Familienkomponente blieben erhalten. Die Gesundheitsprämie ist vollständig von Löhnen und Gehältern abgekoppelt. Sie wird von den erwachsenen Versicherten unabhängig von der Höhe ihres jeweiligen Einkommens erhoben.

Für die Einführung der Gesundheitsprämie errechnet der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2003/2004 einen Beschäftigungszuwachs von 2,4 Prozent (Tz 325). Der steuerfinanzierte Sozialausgleich - ein einkommensabhängiger Zuschuss zur Gesundheitsprämie . ließe sich auf der Basis eines konzentrierten Leistungskatalogs vollständig über die Versteuerung des ausgezahlten Arbeitgeberanteils zur Krankenversicherung finanzieren[b]