Einführung in die Welt der Internetfandoms und des Slash
Solche Dinge sollten öfters an die Öffentlichkeit kommen.^^
Internet Slash Die
andere Realität der Fans
Im Laufe seiner Entwicklung ist das Internet mehr und mehr
von der bloßen Möglichkeit, sich über ein Computernetzwerk zu verständigen, zu
etwas ganz Eigenständigem, etwas Lebendigem geworden. Ungeahnte Möglichkeiten
der graphischen Gestaltung verschiedener Webseiten schaffen für Netzuser die
Illusion einer riesigen, weiten Welt, in die er nur noch einzutauchen braucht.
Sicher war dies nicht im Interesse des US Verteidigungsministeriums, als es
1969 Computer vernetzte um simple Nachrichten - weiße Schrift auf schwarzem
Grund - hin- und herzuschicken.
Heute aber lässt sich das Medium nicht mehr wegdenken und es
schafft Grund und Boden, wo im realen Leben oftmals keiner ist. Ein besonderes,
von World Wide Web hervorgebrachtes Phänomen der Medienkultur ist die
Ausweitung und virtuelle Entwicklung der sogenannten Fandoms, was nichts
anderes ist, als der Begriff, der online für die Gesamtzahl aller Personen
gebraucht wird, die sich für eine Sache sehr interessieren. Unzählige
Webseiten, die sich ausgiebig einem Buch, einer TV-Serie, einem Film oder einer
Band widmen sind die logische Konsequenz des tiefen Wunsches eines jeden Fans,
sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, was in der Realität oft nicht möglich
ist. Denn seien wir ehrlich: wie viele Fantasy Fans findet man beispielsweise
schon in seinem nächsten Umfeld, wenn man sie sucht? Wie viele Anhänger
derselben Rockband oder Menschen, die von ein und demselben Buch ebenso
gefesselt waren, wie man selbst?
Und so erhält das Internet weiterhin jede Idee, die von mehr
als ein paar wenigen Leuten als nicht verwerflich erklärt wird, am Leben, ja, nährt
sie sogar. Die virtuelle Gerüchteküche brodelt, Bilder kursieren und verbreiten
sich in rasanter Geschwindigkeit und Fans wollen nicht länger untätig sein,
auch in ihrem Kopf wuselt es von Ideen, und die ganz eigene kleine Welt, die in
ihrem Kopf herangereift ist, brennt darauf, endlich Ausdruck zu finden. So entstehen
Geschichten, Bilder, alles, was auch nur im geringsten Ausdruck einer solchen
Idee sein kann. Fanfiktion nennen wir es. Fanart. Fans schließen sich zusammen
um Geschichten gemeinsam zu erzählen. Mehrere Köpfe sind bunter als ein
einziger, völlig logisch.
Ein Neueinsteiger, der, vom obengenannten Drang nach
Austausch, nach Verständnis und Reflexion seiner glühenden Leidenschaft für
eine Sache getrieben, das Neuland der Fan-Imperien betritt, wird es erst einmal
schwer haben, denn dutzende, ja hunderte von Begriffen, die nur in den Weiten
des Internets, keineswegs aber in einem herkömmlichen Wörterbuch existieren,
werden ihm um die Ohren wehen und anfangs wird er sie überlesen müssen, sie
fürs erste einfach ignorieren, um der Verzweiflung der Unwissenheit zu trotzen.
Ein Begriff, der in der Welt der Fangeschichten, ganz anders
als in der realen Welt, Gang und Gebe ist, ist der des Slash. Ein grüner
Einsteiger muss sich darauf gefasst machen, auf dieses außergewöhnliche
Phänomen des Fanseins an fast jeder Ecke des Internets zu stoßen. Auf
Internetportalen, die eigens dafür geschaffen wurden, Fans eine Möglichkeit zu
bieten, ihre (manchmal mehr, öfters weniger) literarischen Ergüssemit anderen zu teilen, ist der Slash-Sparte
meist eine eigene Kategorie eingeräumt., Wir sprechen hier von (überwiegend)
weiblichen Fans, die sich daran freuen, männliche Figuren aus ihrem Fandom auf
die unterschiedlichste Weise miteinander zu verkuppeln oder zu shippen, wie
sie es nennen. Frauen bleiben dabei meist auf der Strecke, es sei denn, zwei
von ihnen sind selbst Thema einer Geschichte, die mit Slash betitelt ist, was
zwar nicht ganz so häufig, aber durchaus auch vorkommt. Der Ausdruck Slash
leitet sich von der Konvention ab, die Namen des jeweiligen Paares oder
Pairings, wie es in der Fanwelt genannt wird, durch einen Schrägstrich zu
trennen, die sich bereits sehr früh durchsetzte.
Verträumte Autorinnen, von denen man erwarten würde, sie eine
Geschichte um einen männlichen Protagonisten herum zurecht spinnen zu sehen,
die eine Romanze enthält, mit deren weiblichem Part sie sich idealerweise
selbst identifizieren können, beginnen stattdessen, zwei männliche Charaktere
sich einander näher kommen und alle emotionalen Höhen und Tiefen durchwandern
zu lassen.
Slash ist in jeden Winkel der Medienwelt vorgedrungen und
existiert in allen Kulturkreisen. In Japan wird es mit Shounen Ai betitelt und
ist als Genre seit vielen Jahren so etabliert wie bei uns beispielsweise
Fantasy oder Science Fiction. Der Westen ist in dieser Hinsicht weniger fortgeschritten,
in einigen Fankulturen ist das Thema in den Bereichen jenseits des Internets
noch immer düsterer Untergrund. In
vielen Fällen jedoch sind Slash-Shippings bereits, wie es Fans bezeichnen
würden, Kanon, was nichts anderes bedeutet als allgemein anerkannt.
Das erste und vermutlich berühmteste Slash-Shippingkristallisierte sich bereits vor der großen
Ära des Internets heraus, existiert aber trotz dieser Tatsache in einer Zeit,
die uns noch weit voraus ist. Es beinhaltet die beiden Protagonisten der Star
Trek Originalserie: Captain Kirk und Commander Spock. Während viele Star Trek
Fans außerhalb des Internets vermutlich an diese Verbindung nie zuvor einen Gedanken
verschwendet haben, ist sie in der Realität des Internets bereits das
festgelegte Resultat einer unbestechlichen Logik, die selbst Mr. Spock selbst
keineswegs bestreiten könnte. Kirk/Spock. Its logical., sagt nicht umsonst
die Aufschrift eines T-shirts, das bereits seit langer Zeit für amerikanische
Fans zum Verkauf steht.
Was wir aus dem unabdingbaren Erfolg dieser Art von Fiktion
und den vielen Anhängern, die sie hat, schließen können, ist nichts geringeres,
als die Erkenntnis darüber, dass das Internet Türen öffnet, wo außerhalb seines
Herrschaftsbereiches keine sind. Man tritt ein und ist absorbiert, man schafft
sich eigene Identitäten und profiliert sich neu. Natürlich ist das nicht immer
rühmlich und kann leicht negative Folgen nach sich ziehen, aber Fakt ist nun
einmal, dass das Internet Wahrheiten hervorbringt, die für nicht Internet-User
keine sind, es greift nach Ideen, die in seinen verwinkelten Gassen hängen
bleiben und wenn man Glück hat, nicht vergessen oder gelöscht werden. So
funktioniert es, wie eine eigene, kleine Gesellschaft, mit Parteien und
Reformanten, mit Gegenrevolutionären und kleinen Straßenschlachten. Es entfernt
sich mehr und mehr von der realen Welt und wird gleichzeitig immer weiter mit
ihr verwebt. Es ist nicht mehr wegzudenken und erschafft jeden Tag Großes und
das völlig ohne, dass wir davon Notiz nehmen.