Friendship Forum - Diverse

...(noch) ohne Titel...

...(noch) ohne Titel...

...ich hab mal wieder was geschrieben... was ganz eigenes, keinerlei FF... Mein Schreibstil hat sich zu früher wohl etwas verändert, aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem... ich hab jetzt einfach mal den Mut, es hier zu posten

Bussi,

Babsi

Eins

 

Tränenblind starrte sie aus dem Fenster und beobachtete die winzigen Schneeflocken, die unaufhörlich vom Himmel fielen und sofort verschwanden, als sie das Meer berührten. Dann presste sie ihre Hand fest gegen die Fensterscheibe, als wollte sie ausbrechen. Ausbrechen aus der ihr so ungewohnten Umgebung, aus ihrer Situation und aus ihrem Kopf. Eine Träne nach der anderen kullerte ihre Wangen hinunter und sie bemühte sich nicht einmal darum, diese zu verbergen, auch, wenn sie das früher immer getan hätte. Als sie noch kleiner gewesen war, hatte sie dieses Strandhaus geliebt und jeden Tag, den sie hier verbringen durfte, in vollen Zügen genossen. Doch seit einiger Zeit war das anders. Seit einiger Zeit war so vieles anders. Und plötzlich wünschte sie sich, die Zeit zurück drehen zu können. Wenn sie ihr Leben noch einmal leben würde, hätte sie dann die gleichen Fehler gemacht? Oder hätte sie jeden Moment, jeden Augenblick einfach nur genossen? Fragen über Fragen, auf die sie keine Antwort fand. Schluchzend blickte sie zum Himmel empor und mit einem Mal wurde sie von einem so heftigen Gefühl der Trauer überrollt, dass sich ihr ganzer Körper verkrampfte. Es war nicht gerecht. Das Schicksal hatte es immer so gut mit ihr gemeint… ihre Familie hatte sie immer nur „Glückskind“ oder „Sonnenschein“ genannt. Und jetzt? Was war jetzt davon übrig geblieben. Nichts, außer leblosen Erinnerungen, die von Sekunde zu Sekunde mehr verblassten und verschwanden, wie die Schneeflocken, die auf das Meer fielen. Und was daraus entstand, war ein noch größeres Meer aus Verzweiflung und Trauer. Jeder Funken Hoffnung, den sie in sich getragen hatte, wich nun bloßer Wut und Angst. Angst vor der Zukunft. Wie sollte es jetzt weitergehen? Nachdem sie alles verloren hatte…

Langsam erhob sie sich von der Fensterbank, auf der sie gesessen hatte und steuerte vorsichtig, beinahe ängstlich auf das Bett im Zimmer zu. Liebevoll strich sie über die hellblaue und fröhliche Decke, die darauf lag, ließ sich darauf fallen und weinte hinein. Nach einem kurzen Moment hielt sie inne, zog ihren Kopf erschrocken zurück und roch dann intensiv an der Decke. Zweifellos. Der Geruch war noch vorhanden. Sie schloss die Augen und plötzlich erkannte sie vor ihrem inneren Auge Bilder. Bilder der Vergangenheit, in der sie so glücklich gewesen war.

 

Ihre großen, warmen Augen blickten freundlich in die ihrer Mutter, der ein liebevolles Lächeln über das Gesicht huschte. Sie strich ihrer Tochter über den kleinen Lockenkopf, der in ihrem Schoß lag und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Die Sonne schien warm und hell vom Himmel und beide befanden sich in einem kleinen Park im Herzen von Plymouth. Der Park war immer der Ort ihrer Geheimnisse gewesen. Oft waren sie hierher gekommen, um einen schönen Frühlingstag bei einem Picknick zu genießen. Wie auch heute. Die Mutter zog den Picknickkorb nah an sich heran und sogleich sprang ihre kleine Tochter auf, griff nach einer Scheibe Brot und rannte zu dem Teich, welcher nur einige Meter von ihnen entfernt lag, um die Enten zu füttern.

„April!“, rief ihre Mutter ihr warnend zu, doch April hörte nicht auf sie. Sie war längst damit beschäftigt, das Brot in kleine Stücke zu teilen.

„Bring das Brot sofort zurück oder willst Du, dass wir hier deinetwegen verhungern? Aus Solidarität zu den Enten?“ Aprils Mutter, Danielle, versuchte dabei so streng wie möglich zu klingen, was ihr allerdings nicht gelang. Sofort musste sie schmunzeln, als sie ihre Tochter beobachte, die ihr nur die Zunge rausstreckte und das Brot großzügig an die Enten verteilte. Sie liebte es, ihre Tochter so glücklich zu sehen und wünschte sich, dass sie sich ihr fröhliches Gemüt ein Leben lang behalten würde. Stolz schaute sie auf April, die ihr eigentlich wie aus dem Gesicht geschnitten war. Die gleichen großen, warmen Augen, die zierliche Figur und die wunderschönen schwarzen, leicht lockigen Haare. Es gab nur einen kleinen Unterschied. April war lang nicht so blass wie ihre Mutter, sondern hatte stets rote Backen. Während Danielle sofort einen Sonnenbrand bekam, wurde April schnell braun, was auch wunderbar zu ihrem Aussehen passte. Die Haut hatte sie wohl von ihrem Vater geerbt. Beim Gedanken an diesen schauderte Danielle unwillkürlich. Wie sie diesen Mann hasste, der beiden beinahe das ganze Leben zerstört hätte. Doch das würde er kein zweites Mal schaffen. Sie waren nicht auf seine Hilfe angewiesen. Nicht mehr. Danielle war stark genug, die kleine Familie selbst zu ernähren und trotzdem noch ausreichend Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen. Sie konnte noch immer nicht sagen, dass ihr dieser Mann, der ihr so weh getan hatte, inzwischen gleichgültig war, aber aus der einstigen Sehnsucht war Hass geworden. Hass. Nichts anderes. Danielle war zermürbt von der Zeit mit diesem Mann, der in ihrem Herz so tiefe Narben hinterlassen hatte. Narben, die bis heute nicht verheilt waren. Und sie war so glücklich darüber, dass April davon nicht allzu viel mitbekommen hatte. Sie hatte April gut erzogen. Nicht zu streng, aber dennoch so, dass sie die Regeln beachtete, die in ihrem Team galten. April wusste, was sie zu tun und zu lassen hatte und trotzdem hatte ihre Mutter ihr immer die Freiheit gegeben, viele Sachen selbst zu erfahren. Und durch das feste Band ihrer beider Liebe zueinander wusste Danielle, dass April es nie verlernen würde, glücklich zu sein. Selbst, wenn ihre Mutter einmal nicht mehr da war…

Als hätte April gespürt, was ihre Mutter dachte, lief sie schnell zu ihr zurück, ließ sich neben sie plumpsen und hielt ihr einen kleinen Strauß aus Gänseblümchen entgegen. „Der ist für Dich!“, sagte sie stolz und grinste ihr Gegenüber an, wobei man eine große Zahnlücke erkennen konnte. „Oh Danke!!!“, entgegnete Danielle freudig, nahm den Strauß behutsam entgegen und roch daran, als wäre es eine duftende Rose. „Den werde ich zu Hause trocknen und ihn mir neben mein Bett legen, damit ein Teil von dir immer bei mir ist.“, erklärte die Mutter mit sanfter Stimme. Das liebevolle Lächeln in ihrem Gesicht drückte die Freude aus, die sie mit diesen Gänseblümchen von ihrer Tochter verband.

„Mama?“, fragte April vorsichtig und suchte nach der Hand ihrer Mutter, die sie ganz fest hielt. „Wirst Du auch immer bei mir bleiben?!“

Bei dieser Frage musste Danielle schlucken. Was sollte sie jetzt antworten? Noch vor wenigen Momenten hatte sie genau darüber nachgedacht, doch nun fühlte sie sich nicht in der Lage dazu, ihre Gedanken auszusprechen. Und plötzlich antwortete sie, als wäre sie von magischer Hand geleitet: „Ich werde immer bei Dir sein. Zumindest ein Teil von mir.“ April runzelte ihre Stirn, als würde sie sich gerade vorstellen, wie nur ein Teil ihrer Mutter neben ihr sitzen würde. Dann aber lachte sie und bohrte weiter: „Also versprichst du mir, dass Du mich nie verlässt?!“

Danielle war so fest davon überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tod gab und dass für Menschen, die sich so sehr liebten, selbst der Tod kein Hindernis war.

„Ich verspreche es Dir.“, flüsterte Danielle leise, nickte und drückte ihre kleine Tochter fest an sich heran.

 

Damals war April acht Jahre alt gewesen und bis heute konnte sie sich an diesen Tag haargenau erinnern. Damals hatte sie ihrer Mutter geglaubt. Damals. Doch alles, was jetzt noch von ihr übrig war, waren einige Fotos und der Geruch auf der Bettdecke, der auch langsam weniger zu werden schien.. Doch ihre Mutter würde nie wieder kommen. Weder heute, noch morgen, noch übermorgen. Sie war tot und nicht lebendig. Und immer, in dem sich April diese Tatsache ins Gedächtnis rief, schmerzte es noch mehr. Sie hatte ihr Versprechen gebrochen. Plötzlich begann eine endlose Wut in April zu wachsen und sie trommelte schluchzend auf das vor ihr liegende Kissen ein. „Du hast versprochen, dass Du immer bei mir bleibst!“, schrie sie laut, doch aus ihren Worten war nur Verzweiflung zu hören. „Du hast versprochen, mich niemals zu verlassen!“, brüllte sie weiter und schaute tränenüberströmt durch das Fenster hinauf zum Himmel. Mit einem solch finsteren Blick, als wollte sie diesen verfluchen. Ihre Mutter hatte versprochen, bei ihr zu bleiben. Und in diesem Moment platzten ihre Träume wie eine Seifenblase und sie wurde von der bitteren Erkenntnis getroffen, dass alles, was sie sich bisher erträumt hatte, nichts anderes gewesen war als… Träume eben.

Und wie sehr sie auch darauf wartete… ihre Mutter würde ihr nicht antworten… und der Himmel reagierte nur mit weiteren Schneeflocken, die langsam zur Erde fielen.

Für einen Moment schien es, als bliebe alles stehen. Als bliebe die Zeit stehen.

Nur die Schneeflocken fielen leise und unaufhörlich weiter. Wie gefrorene Tränen.




Re: ...(noch) ohne Titel...

 Dir ist bewusst, dass mir fast die Tränen kamen? Wow, das nenn ich mal ne Geschichte. Hoffentlich schreibst du bald weiter, dein Stil ist so gut, daraus könntest du n Buch machen!!!