Das Spiel Schattenschreiben schult mit Buchstaben ein wichtiges Prinzip, das wir beim Zeichnen ständig nutzen können: Konturen müssen nicht vollständig gezeichnet werden, denn vieles wird vom Auge automatisch ergänzt. Gerade die offenen Stellen haben beim Betrachten ihren eigenen Reiz, da sie das Vorstellungsvermögen des Betrachters anregen (und natürlich auch des Zeichners).
Schattenschreiben
Schreibe ein Wort oder eine Botschaft, indem du nicht die Buchstaben, sondern nur den rechten und unteren Außenrand als Schatten außerhalb der Buchstabenform markierst.
Das geht am leichtesten, indem wir die Buchstaben erst einmal hinschreiben (mit Filzstift oder als Computerschrift), ein Pauspapier drüberlegen und dann nur die Schatten entlangfahren. Nach einer gewissen Übung können wir versuchen, "freihändig" ohne Vollschriftvorlage nur die Schatten aufs Blatt zu schreiben. Wer macht mit?
Jan
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Zur Schattenschrift
PS: Den Effekt der reinen Schattenschrift können wir natürlich auch im Computer erzeugen. Bei den Einstellungen zur Buchstabenformatierung finden wir neben Fett, Kursiv, Kapitälchen und Versal auch die Optionen für Schatten, Prägeschrift und Gravieren. Dabei wird der geschriebene Text einfach schräg versetzt noch einmal unter den Schriftzug gesetzt. Der Effekt der reinen Schattenschrift entsteht beim Prägedruck: Da wir beim lesen das Papier normalerweise von links oben beleuchten, gibt der reine Schatten die Illusion einer erhabenen Schrift. Wenn dagegen nicht der Rand rechts unten, sondern der Rand links oben markiert wird, entsteht der Eindruck einer vertieften, eingekerbten Schrift. Hier das Computerbeispiel, das mir als Vorlage für den Vierzeiler in Schattenschrift diente. Um den Eindruck von Blocksatz zu erreichen, habe ich die Punktgröße in jeder Zeile solange verändert, bis alle Zeilen gleiche Länge hatten.
Jan
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Schattenbild mit Schattenschrift
PPS: Hier ein Beispiel eines Schattenprofils (flüchtig durchgepaust) mit frei geschriebener Schattenschrift, bei der mit Pitt Artist Pen Brush nur die Schattenstriche ohne Vorlage geschrieben wurden.
Jan
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Re: das gefällt mir....
... bin beeindruckt von diesem Schattenspiel...
freu mich schon auf die nächste Musezeit
danke für diese Beispiele
Gruss Christine
Schattenstrichmenschen
Hallo Christine, hier noch eine weiterführende Übung, wie aus der Schattenschrift und aus Strichmännchen erwachsene Schatten-Strichmenschen werden:
Schattenstrichmenschen Nimm Fotos von Menschen in verschiedenen Körperhaltungen aus Modekatalogen, Familien-Fotoalben, Sportzeitschriften etc. und pause nur die rechten und unteren Konturen und Innenkonturen durch, egal, wo auf dem Foto tatsächlich die Schattenflächen sind. Lass alle oberen und linken Konturen weg. Hier ein Beispiel dieser Übung von Models, die ich gerade mit Brush-Pen in wenigen Strichen als Schattenstrichmenschen durchgepaust habe. Wir sehen: die unsichtbaren Konturen werden vom Auge ergänzt. Wir glauben, dass die Lichtquelle oben links ist und die Konturen mit dem Hintergrund verschwimmen lässt.
Jan
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Schattenschreiben Zeichen am Rande des Nichts
Diese Übung entstand spontan durch einen Beitrag in der Plauderecke. Beiträge dazu können hier angefügt werden: einfach unten auf den knopf "antwort" drücken. (Wer Beiträge schreiben oder Bilder hochladen möchte, muss sich vorher als Mitglied im Forum mit dem Knopf oben rechts "kostenlos anmelden".)
Jan
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Re: Schattenschreiben in eigener Sache
Lieber Jan
Nein, ich kam noch nicht zum üben...
ich "übte" ganz anders:
Ich nahm deine spontane Uebung in mein Leben, und meine "Schattensprache" erfüllte zum ersten Mal ihren Zweck: Sie machte einem Menschen das Licht im Schatten sichtbar.
So bewirken Menschen manchmal in ihrer Spontanität etwas, was sie sich selber vielleicht nicht so bewusst sind
D A N K E
Christine
Re: Schattensprache Schattenspiel
Hallo Christine, zum Thema "Schattensprache" habe ich einmal für Handschattenspiele die Mundstellung aller deutschen Laute als Handschatten-ABC zusammengestellt. So können Schattenfiguren den Mund so bewegen, dass man glaubt, die Stimme des Sprechers käme tatsächlich aus dem Schattenmund. Oder die Zuschauer raten, was die Schattenfigur in stiller "Schattensprache" gesprochen hat. Und nebenbei lernt jeder im Spiel die Grundlagen der Phonetik. Hier drei Bilder aus dem Licht- und Schattenmärchen "Hasenfuß und Igelnatz", aufzuführen mit Handschatten, Projektor und ausgeschnittenen transparenten Farbfolien.
Jan
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Re: Schattenschreiben Zeichen am Rande des Nichts
Hallo Jan,
die Schattensprache beeindruckt mich zutiefst. Und gefällt mir sehr gut. Werde ich ausprobieren.
Aber das - und vor kurzem ein Artikel im Fokus (habe mir extra deshalb mal diese Zeitung gekauft) macht mich seit einiger Zeit nachdenklich. Ich meine nämlich, diese "Fähigkeit" des Gehirns, Bilder zu vervollständigen ist einerseits eine sehr gute Fähigkeit, andererseits auch sehr bedenklich. Man hat schon gehört, dass Menschen, weil das Gehrin vervollständigte, sich "sicher" waren, ganz bestimmte Menschen ein Verbrechen ausüben zu sehen, die dann unschuldig verurteilt wurden.
Und für das Zeichnen bedeutet das, dass ich möglicherweise nicht nur das sehen kann, was ich für meine Zeichnungen brauche, sondern auch noch Sachen, die möglicherweise für das Zeichnen hinderlich sind bzw. mir das Lernen schwer machen (vor allem bei dreidimensionalen Vorlagen). Oder bin ich da jetzt auf dem Holzweg?
Re: Schattenschreiben Zeichen am Rande des Nichts
Zitat: Patsy Ich meine nämlich, diese "Fähigkeit" des Gehirns, Bilder zu vervollständigen ist einerseits eine sehr gute Fähigkeit, andererseits auch sehr bedenklich. Du sprichst hier ein Grundprinzip der Wahrnehmung an. Wir glauben ja normalerweise, wir würden die Welt einfach so sehen, "wie sie ist". Aber wie ist sie denn? Selbst ein Foto gibt die Welt nicht wieder, wie sie ist, sondern nur eine winzige Auswahl, zum Beispiel nur die Verteilung der Helligkeitsreflexe bei einem Schwarzweißbild oder die starken Silhouetten mit Blendflecken bei einer Gegenlichtaufnahme. Wie verschiedene Linsen unterschiedliche Bilder ergeben, so sieht auch jeder Mensch aufgrund seiner Vergangenheit und seiner Wahrnehmungskonzepte immer nur einen winzigen Ausschnitt aus all den Möglichkeiten, etwas wahrzunehmen. Ein Besoffener sieht etwas anderes als ein Holzschnitzer, ein Maler etwas anderes als ein Kannibale, ein Brückeningenieur etwas anderes als ein Teenager mit Liebeskummer, ein Kurzsichtiger etwas anderes als ein Seemann. Das liegt vor allem daran, dass das Auge nur einen Teil der Arbeit des Sehens erledigt, der weitaus wichtigere Teil geschieht im Gehirn, wo die Interpretation der wahrgenommenen Lichtreflexe stattfindet. Und diese Interpretation hängt ganz entscheidend davon ab, was du bisher im Leben schon als Wirklichkeit wahrgenommen hast oder was du in deinem Weltbild überhaupt für möglich hältst. Die vorgeprägte Wahrnehmung ist ein so selbstverständlicher Bestandteil unserer Alltagserfahrung, dass wir uns dessen meistens gar nicht bewusst sind. Das Zeichnen hilft uns, den Unterschied unserer persönlichen, subjektiv gefärbten Wahrnehmung zu anderen und ihre Einmaligkeit bewusst zu erkennen und auszudrücken. Je bewusster wir das können, desto deutlicher prägt sich unser eigener unverkennbarer Stil aus.
Zitat: Patsy
Und für das Zeichnen bedeutet das, dass ich möglicherweise nicht nur das sehen kann, was ich für meine Zeichnungen brauche, sondern auch noch Sachen, die möglicherweise für das Zeichnen hinderlich sind bzw. mir das Lernen schwer machen. Am Anfang stört beim Zeichnen vor allem die Klischeevorstellung von den Dingen, die Verkehrszeichensymbolik, die wir uns als Kind angewöhnt haben, um die Welt vereinfacht begreifen und wiedergeben zu können. Deswegen ist es hilfreich, zum Beispiel beim Abzeichnen einer Bildvorlage das Bild auf den Kopf zu stellen, damit wir nicht den Gegenstand, sondern nur "sinnlose" Linienverläufe beobachten. Dadurch können wir die Krümmung eines Nasenrückens viel besser erkennen, als wenn wir wüssten, dass es eine Nase ist, von der wir ja in der linken Gehirnhälfe bereits den bekannten Haken gespeichert haben, der im Gesicht eine Nase symbolisiert.
Mit beiden Überlegung hast du also recht, und wenn uns das bewusst ist, kann uns beides beim richtigen Zeichnen helfen. Beim realistischen Zeichnen vermeiden wir durch Verfremdung das gegenständliche Sehen, um die Wirklichkeit genauer zu erkennen, beim ausdrucksstarken Zeichnen lassen wir unserer subjektiven Sichtweise und Interpretation absichtlich freien Lauf, um einen möglichst eigenen Stil zu entwickeln.
Danke für diesen Beitrag.
Jan
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