Forum Grundeinkommen - Allgemeine Diskussion zum Grundeinkommen

BGE versus Negative Einkommenssteuer

BGE versus Negative Einkommenssteuer

Liebe Diskutanten,

mir ist hier im Süden aufgefallen, dass viele Leute sich zwar trauen,
ein Modell Negative Einkommenssteuer, bzw. „Bürgerversicherung“
anzudenken, aber mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) sich
nicht anzufreunden vermögen, da sie es für nicht durchsetzbar halten.
Und immer zuerst daran gedacht wird, ob etwas machbar ist, wenn es nicht
machbar ist, auch nicht darüber weiter nachgedacht wird.

Das muss damit zusammenhängen, dass BGE das einzige Modell ist, dass der
Krise der Arbeitsgesellschaft wirklich mit einer hoffnungsvollen
sinnstiftenden Idee entgegentritt. Das hängt auch sehr viel mit dem
Begriff der Arbeit überhaupt und deren Neubewertung, sprich Aufwertung
unbezahlter selbstbestimmter und/oder existenzsichernder Tätigkeiten
zusammen. Diese Neubewertung kann nur dann stattfinden, wenn der Zwang
zur Erwerbsarbeit um jeden Preis wegfällt. Die Krise der
Arbeitsgesellschaft besteht doch nicht darin, dass ohne gleichzeitige
Arbeitsverpflichtung keine ausreichende Transferleistung zugestanden
wird und Arbeitswilligkeit u. –fähigkeit ständig geprüft und abgefragt
werden, sondern die Krise besteht darin, dass es einfach nicht genug
Erwerbsarbeitsplätze für alle Arbeitswilligen gibt. Real ist nur noch 30
% der Bevölkerung überhaupt noch bei uns erwerbstätig, wobei von diesen
dann noch 10% mit „Hungerlöhnen“ auskommen muss (Hierzu muss man auch
die Alterszusammensetzung der Bevölkerung miteinbeziehen). Wohl gemerkt
nicht Arbeit, denn Arbeit an sich wäre genug da, nur dass sie eben nicht
bezahlt wird, deshalb auch keine Erwerbsarbeit ist und ergo auch keine
gesellschaftlich relevante Anerkennung erfährt. Die Sozialpolitik und
Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre hat das ihre getan, dies immer
wieder unter den Tisch zu kehren.

Dann möchte ich noch ein neues Argument für das BGE anführen: Es ist
sehr geeignet, etwas gegen AUSGRENZUNG auszurichten, nämlich all
denjeniger, die jetzt noch unter der Stigmatisierung
„Hilfsbedürftig/arm“ leiden (müssen), sich deshalb oft in den Untergrund
begeben oder Formen der Subexistenz finden wie z.B. Tauschmärkte,
Umsonstläden o.Ä.. Dieser Stigmatisierung kann nur dann abgeholfen
werden, wenn jegliche Bedingung wegfällt, also auch die Bedingung der
Hilfsbedürftigkeit. Ich halte diesen Faktor für sehr viel wichtiger als
die Diskussion um die Höhe der Leistung, weil diese Stigmatisierung für
sehr viele kostenverursachende Folgeerscheinungen in unserem
Gesellschaftssystem verantwortlich ist (meine ich nicht nur
familienpolitisch!) Bisher werden diese Kosten immer von einem Topf zum anderen geschoben, warum nicht mal die Stigmatisierung hinterfragen!

Mit bestem Gruss (doppelt gemoppelt hält besser)

Ingrid Wagner