Vorweg: Schade, das es hier keine Baumstruktur gibt, wird etwas unübersichtlich. Bei den Grünen ist das ganz nett. @ alle - ? >lach<
Nochmal zur Frage der Unabhängigkeit
Die Frage nach der Un-/Abhängigkeit des Grundeinkommen klärt sich für mich nicht so sehr über dessen Form, sondern über dessen Begründung. Der Form nach ist ein Einkommen doch unabhängig, wenn darüber verfügt werden kann, ohne das hierfür Bedingungen erfüllt werden müssen. Wer über Einkommen (Ein- kommen bezeichnet dann etwas, das höher ist, als das Grundeinkommen) verfügt, tut dies wohl zumeist bedingt, abhängig von zB. Erwerbs- tätigkeit. Das bedeutet aber noch keine Abhängigkeit des Grundeinkommen, und dieses ist dann unabhängig, wenn Menschen darüber verfügen, auch wenn sie (warumauchimmer) nicht arbeiten.
Der Begründung nach ist das Grundeinkommen unabhängig, bedingungslos, wenn der Grund für dies nicht in wirtschaftlichem Handeln (der Gesellschaft), in Prosperität (des solches gewährenden), mithin in Zukünftigem und absehbar Unbeständigem liegt, sondern wenn der Grund dafür im Wesen des Menschen selber, in seiner Würde liegt, und nur die Verwirklichung abhängig ist und dies nur von dieser Erkenntnis; das es schon in der Vergangenheit, eigentlich schon immer begründet war, Menschen ein absolutes Daseinsrecht zu gewähren. ( Ein Einwand des Staates, solches Recht sei gegeben, trägt nicht, da bei ihm als Gesetz- geber, als Zwingendem, hieraus die Pflicht entsteht, bedürftigen (besser, dann; berecht- igten (bedürftig sind wir alle)) Menschen das Dasein aktiv (das heißt mit Leistung in Geld) und bedingungslos (indem er den einzig möglichen Inhalt der Würde des Menschen als unantast- barer gewahrt) zu ermöglichen. )
in unserer Gesellschaft gibt es größere Personengruppen, die aus bestimmten Gründen nicht arbeiten können. Beispielsweise alleinerziehende Frauen mit jungen Kindern, körperlich behinderte Personen, Studenten, usw.. Die negative Einkommenssteuer, mit Grundsicherungsfunktion, ermöglicht diesen Personen eine sichere Art des Grundeinkommens. Diese genannten Personen sollten nicht zur jeder Arbeit gezwungen werden. Es ist jedoch gut möglich, das das Einkommen bei manchen wirklich hilfsbedürftigen Gruppen (behinderte alleinstehende Personen) zu gering sein kann. Die negative Einkommenssteuer soll ja wohl auch für einen gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme sorgen. D.h. das Einkommensniveau soll nicht so hoch sein, dass keine Arbeit aufgenommen wird.
Schwierig wäre natürlich die Umsetzung einer negativen Einkommenssteuer. Einige Personen werden Schwierigkeiten haben, diese Steuererklärungen auszufüllen. Hierzu würden mit Sicherheit Mitarbeiter (des Sozialamtes o.ä.) benötigt werden, die bei der Ausfüllung der Steuererklärungen Hilfestellung leisten müßten.
Ferner ist das Einkommen von Selbständigen oder Kleinunternehmen häufig kontrolltechnisch schwieriger zu ermitteln. Dies wird ein sehr schwieriges Problem (manche Unternehmer geben an, dass sie nichts verdienen, in Wirklichkeit verdienen sie Schwarzgeld).
Weiterhin könnten bei einer negativen Einkommenssteuer zukünftig neue Arbeitgeber in Erscheinung treten, dies können auch kommunale oder karitative Organisationen sein. Für die Zwecke müßte ein kommunaler Fond eingerichtet werden, der besonders strukturschwache Regionen berücksichtigt. Beispielsweise möchten die Bürger einer Gemeinde die Häuser ihres Dorfes ausbessern oder einen kleinen Park anlegen. Normalarbeitsplätze könnte dieses Projekt gar nicht bezahlt werden, die Lohnkosten sind einfach zu hoch. Durch das Grundeinkommen mit der negativen Einkommenssteuer wird dies möglich. Die Gemeindemitglieder stellen einen Kostenplan für die benötigten Materialien zusammen, einigen sich wer welche arbeiten erledigt und wieviel das alles kosten wird. Hierzu müssten Bürger Eigeninitiative (im Dorf, in der Kleinstadt und in der Großstadt) entwickeln. Und es muß eine organisatorische finanzielle Überprüfung geben, welches zusätzliche Einkommen über das Grundeinkommen für die Gemeinde und Stadt tragbar ist. Eine Aufdeckelung des Grundeinkommens mit einem zusätzlichen Erwerbseinkommen (auch wenn dies nur gering ist) kann sinnvoll sein. Es gibt den Bürgern auch das Gefühl, etwas für ihre Mitmenschen zu leisten. Dies muß jedoch richtig koordiniert werden (Altenbetreuung, Dorfverbesserung u.ä.). Hier muß es Entscheidungsinstanzen geben (Bürgermeister oder in größeren Städten Vereine mit Koordination des Bezirksbürgermeisters o.ä.).
Ein Grundeinkommen, ohne zusätzliche Anreizfunktion über die negative Einkommenssteuer würde ich ablehnen. Dann bleiben die Bürger weiterhin untätig und warten lediglich auf eine Geldzuteilung.
Die Einkommenssteuer hat ja auch einen Splittingteil. Die Familie sollte mit der Konzeption des Ehegattensplittings besser finanziell geschützt werden. Dies ist sinnvoll und notwendig. Gerade Niedriglohnverdiener, falls der Ehemann nur 650€ / Monat nach Hause bringt, und die Frau zwei Kinder großzieht, werden durch unser Steuerrecht nicht unterstützt. Diese Ungerechtigkeit schafft die negative Einkommenssteuer mit Grundsicherungsfunktion für beide Ehepartner ab.
Diese Änderungen des Steuersystems würde einen gewaltigen Umbruch bedeuten, hierüber müßte dann auch mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Regierung gesprochen werden. Die Löhne würden dann ein absolut anderes Niveau haben. Hier müßte man vorfühlen, ob die Koordination in dieser Weise möglich ist. Eine Umstellung von einen Tag auf den anderen, würde zu einer heftigen Erschütterung des ganzen Lohngefüges führen.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Teetz
@ Tobias Teetz; Anreiz - Nein Danke
@ Tobias Teetz; Anreiz - Nein Danke!
>Ein Grundeinkommen, ohne zusätzliche Anreiz- >funktion über die negative Einkommenssteuer >würde ich ablehnen. Dann bleiben die Bürger >weiterhin untätig und warten lediglich auf >eine Geldzuteilung.
Was, Bitte soll an einem "Grundeinkommen mit Anreizfunktion" anders sein, als an Sozialhilfe? Die reizt, was erwiesenermaßen (siehe Armut/Reich- tum-Bericht, den ersten und einzigen) gesundheits- schädlich. (Zur krebsfördernden Wirkung von "Hartz-4" sollte man in 12-18 Monaten die Statistiken befragen)
Scheint mir eher das bekannte "Jetzt macht hier sofort einer die Dreckarbeit, aber umsonst!" zu sein.
Was das Gesetz als "zusätzlich" bezeichnet (diese begriffliche Erweiterung stammt von den Kirchen nach dem 2. Weltkrieg) ist in der Praxis oftmals das eigentliche wertschöpfen. Wirtschaftswissen- schaft differenziert nicht zwischen Preis und Wert, das heißt aber nicht, das es keinen Unterschied gäbe. Bei uns ist wertlos, wofür es kein Geld gibt. Essen kochen, Kinder erziehen, Mülleimer rausstel- len usw. . Und unserer Denke entsprechend ist es wertlos, weil der Wert keinen Bestand hat; aufge- gessen ist schnell, und das Gras nachgewachsen. Radkappen dagegen halten wesentlich länger, wes- halb der Stylist ein hochbezahlter ist. So können wir auf Dringlichkeit zu erledigender Arbeiten verweisen (Hunger ist nachhaltig, wie Dreck auf der Strasse), gleichzeitig aber jede Bezahlung verweigern ("seit wann soll das Geld kosten ?").
Die Würde des Menschen ist, das er Zweck ist, und nicht Mittel. Der Zwang zum Nachweis der Wirtschaft- lichkeit der eXistenz natürlicher Personen wider- spricht diesem Axiom.
Die Dreckarbeit machen wir in Zukunft gemeinsam. nUr so ist sicherzustellen, das an der Überwindung auch "gearbeitet" wird. nUr so kann die Würde des Menschen unangetastet sein.
MfG b
Re: @ Manuel Franzmann&Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen
Lieber Manuel Franzmann, ich stimme Ihnen in vielen Punkten zu. Nur an zwei Punkten würde ich gerne noch einmal einhaken.
Es ist zwar richtig, dass bei einer Negativen Einkommenssteuer, wie ich sie charakterisiert habe, eine positive Summe an die Bürger nur bis zu einer bestimmten Höhe von Eigeneinkommen ausgezahlt wird. Damit ist das Einfallstor der Stigmatisierung, dass sie aufgezeigt haben, durchaus offen. Allerdings würde in Abhängigkeite davon, ab wann "selbst" erwirtschaftetes Einkommen besteuert wird, eine viel größere Gruppe zu den Empfängern von positiven Zahlungen gehören als bei den bisherigen bedürftigkeitsgeprüften Leistungen. Die positiven Zahlungen wären ja eben nicht beschränkt auf die die kein Erwerbseinkommen beziehen. Damit wäre zumindest die bisher übliche Einteilung in diejenigen die (erwerbs)arbeiten und diejenigen, die angeblich faul sind (also nicht erwerbsarbeiten) und sich in der sozialen Hängematte ausruhen würden, gebrochen. Auch wäre der Bezug dieser Leistungen viel verbreiteter und viel üblicher als bei bedürftigkeitsgeprüften Leistungen und somit dürfte eine Stigmatisierung auf mehr Widerstand stoßen.
Zudem halte ich es für zuviel von der Einführung eines Grundeinkommens verlangt, dass "Erwerbsarbeit als Normalmodell des Erwachsenenlebens" in Frage gestellt oder gar fallen gelassen wird. Ob Erwerbsarbeit als "normal" angesehen wird oder nicht, ist von vielen Faktoren abhängig, die nichts mit einem Grundeinkommen zu tun haben. Da zumindest in den letzten 10 Jahren der Wert, der der Erwerbsarbeit sowohl individuell wie in den politischen Debatten zugemessen wurde, parallel mit der Arbeitslosigkeit stieg, stellt sich eine strategische Frage bei dem Versuch der Popularisierung der Grundeinkommensidee. Attackiert man die Wertschätzung der Erwerbsarbeit frontal und plädiert für die Befreiung von der Erwerbsarbeit mittels Grundeinkommen, dann besteht die Gefahr, dass man all die nicht erreicht, die von dem Virus der hohen Wertschätzung der Erwerbsarbeit befallen sind. Betont man hingegen die Kompatibiliät von Erwerbsarbeit und Grundeinkommen bzw. in der technischen Variante einer negativen Einkommenssteuer (und eben auch die positiven Effekte auf die Arbeitsanreize, die bei einem Grundeinkommen ja nicht anders sind als bei der negativen Einkommenssteuer (die die von mir genannten Kriterien aufweist), läuft man Gefahr den derzeitigen Mainstream argumentativ zumindest partiell zu stützen.
zu der technischen Frage: Irgendwie muß das Grundeinkommen bzw. die negative Einkommenssteuer ja finanziert werden. Falls das mit einer progressiven Steuer geschieht und sonst im Leistungssystem alles so bleibt, wie es ist (was unrealistisch ist, weil wozu dann noch Sozialhilfe bzw. die sogenannte Grundsicherung), dann würden bei einer negativen Einkommenssteuer, diejenigen, die sehr viel verdienen sogar noch mehr Steuern zahlen als bisher. Das wäre bei einem Grundeinkommen, das auch progressiv finanziert würde, wiederum auch nicht anders: Dann würden zwar alle das Grundeinkommen ausgezahlt bekommen. Die Reicheren hätten am Ende aber weniger in der Tasche als vorher, weil sie mehr Steuern zahlen müßten.
Schöne Grüße, Dirk Jacobi
Re: Welches Grundeinkommen?
-----Ursprüngliche Nachricht----- Von: Tobias Teetz [mailto:@carookee.com] Gesendet: Freitag, 6. August 2004 22:30 An: var m = String.fromCharCode(109,97,105,108,116,111)+':';var e = 'detlef.spandau'+String.fromCharCode(64)+'gmx'+String.fromCharCode(46)+'net';document.writeln(''+e+'');support@gmxnet Betreff: [Mailingliste-Grundeinkommen:] Re: Welches Grundeinkommen?
Sehr geehrter Herr Teetz,
mit dem Einkommensniviau meinen Sie sicherlich das Grundeinkommensniviau...
Aus Ihren Zwischentönen entnehme ich, dass sie wohl einen Großteil der Erwerbslosen für faul halten. Das derzeitige "Grundeinkommen", bestehend aus Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ist auch nicht so hoch, dass nicht ein gewisser Anreiz bestände, keine Erwerbsarbeit anzunehmen. Durch die sog. 1,- €-Jobs, die ab nächstes Jahr zulässig sein sollen, besteht sicherlich kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme. Da ist sozusagen das freiwillige Ehrenamt besser, das sagt allein der Name schon. Ein Ehrenamt hat noch was mit Ehre zu tun, ein 1,- € Job sicherlich nicht. Ehrenämter übe ich gerne aus, denn dadurch finde ich auch ein Stück Selbstbestätigung während meiner Erwerbslosigkeit.
Sie stehen, wie Sie schreiben, für die negative Einkommenssteuer und damit auch für einen gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme. Tja, dann sind Sie wohl beim Netzwerk für ein (bedingungsloses) Grundeinkommen verkehrt. Gegen wen wollen Sie denn Druck ausüben? Soviel Arbeit wird doch in Deutschland zur Zeit gar nicht angeboten und jede Person kann auch nicht jede Art von Arbeit ausführen - aufgrund der Ausbildung und ggf. aufgrund der Persönlichkeit nicht. Ich möchte wirklich nicht in diesem Netzwerk ein Grundeinkommen mit einem gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme gleichsetzen, denn sonst könnten wir uns die ganze Thematik sparen und könnten eigentlich unseren derzeitigen Stand des Sozialstaates bewahren.
Ich habe mir in meiner Erwerbslosigkeit immer eine Tätigkeit gesucht, auch wenn es sich um keine Erwerbsarbeit in diesem Sinne gehandelt hat. Nur gegen die Wand gucken, macht niemand. Jeder Mensch betätigt sich irgendwie und irgendwann, wenn ihm oder ihr die Decke auf den Kopf fällt. Durch ein Ehrenamt kann man auch gewisse soziale Kontakt pflegen und ausbauen und man/frau bewahrt seine/ihre Ehre. Ehrenämter bilden sogar auch in manchen Fällen und schaffen Anerkennung und das ist mehr wert, als so mancher Arbeitszwang.
>Die negative Einkommenssteuer soll ja wohl auch für einen gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme sorgen. D.h. das Einkommensniveau soll nicht so hoch sein, dass keine Arbeit aufgenommen wird.
>Ein Grundeinkommen, ohne zusätzliche Anreizfunktion über die negative Einkommenssteuer würde ich ablehnen. Dann bleiben die Bürger weiterhin untätig und warten lediglich auf eine Geldzuteilung.
Re: @ Manuel Franzmann&Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen
Lieber Herr Jacobi,
ich kann Ihnen darin voll zustimmen, wie Sie die Unterschiede zwischen den bisherigen Transferzahlungsformen und der Negativen Einkommenssteuer herausarbeiten. Und daß eine Negative Einkommenssteuer auch sehr viel liberaler als die gegenwärtigen Transferzahlungen wäre, habe ich ja selbst schon gesagt. Aber ich finde es sachlich durchaus angemessen, auch noch bei der Negativen Einkommenssteuer von Bedürftigkeitsprüfung zu sprechen. Geprüft würde vom Finanzamt, ob jemand über das als zum Leben nötig erachtete und demgemäß definierte Mindesteinkommen verfügt oder aber zum Erreichen dieses Mindesteinkommens eine Transferzahlung braucht. Was nicht geprüft wird, ist die Lebenslage bzw. ob sich jemand im Prinzip aus der Situation der Einkommensbedürftigkeit befreien könnte. Und das macht die Negative Einkommenssteuer so liberal, und gegenwärtig geht die Bedürftigkeitsprüfung natürlich sehr viel weiter, so daß tendenziell die ganze Lebensführung in den Blick der Sozialbürokratie gerät. Aber ein Stück Bedürftigkeitsprüfung ist eben meiner Meinung nach auch noch in der Negativen Einkommenssteuer enthalten.
Was das bedingungslose Grundeinkommen betrifft, so bedeutet dieses, zumindest solange die Grundeinkommenszahlung zum Leben und zur gesellschaftlichen Teilhabe in elementarsten Hinsicht wirklich ausreichend ist, tatsächlich die Möglichkeit, ein Leben jenseits der Erwerbsarbeitssphäre als etwas Positives zu führen. Und ich mache regelmäßig die Erfahrung, daß genau dieser Punkt von den meisten Menschen, denen gegenüber man das bedingungslose Grundeinkommen als Idee einer Sozialreform bezeichnet, sofort intuitiv treffsicher erkannt wird. Und dieser Punkt wird auch oft, ohne daß er zuvor benannt worden wäre, als Ablehnungsgrund von den Widerständigen selbst angeführt, was ein Beleg für die These ist, daß es beim bedingungslosen Grundeinkommen in ausreichender Höhe vor allem um diesen fundamentalen Punkt geht. Das ist soziologisch gesehen auch nicht verwunderlich, bedeutet die Aufgabe der Erwerbsarbeit als Normalmodell doch den Abschied von einem Modell, das die mehr als zweihundertjährige Geschichte der Industrienationen geprägt hat. Das ist in der Vergangenheit ein wichtiger gesellschaftlicher Kitt gewesen, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil darin zugleich ein sehr erfolgreiches Modell von Gleichheit und Gerechtigkeit realisiert war (siehe dazu den hier im Forum unter "Dateien" zugänglichen Text des Soziologen Ulrich Oevermann, der dies an Luthers Berufsethik herausarbeitet). In der Bindung an die Erwerbsarbeitsethik waren sich ja bei aller Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit der Interessen Unternehmer wie Arbeiter gleich. Beide bezogen ganz wesentlich ihren Stolz aus ihrer im Beruf erbrachten Arbeitsleistung, der ihnen wiederum die gesellschaftliche Teilhabe sicherte. Dieses Modell funktioniert aber natürlich nur, solange es für alle Arbeitsplätze gibt bzw. solange die realistische Chance auf die Erlangung von Vollbeschäftigung nach konjunkurellen Einbrüchen besteht. Angesichts der Rationalisierungsfortschritte ist das aber gerade ins Reich des Irrealen gerückt. Wenn das aber wirklich so ist, dann ist es doch nur sinnvoll, bei der Popularisierung der Grundeinkommensidee bewußt die Konfrontation mit den bestehenden Widerständen zu suchen. Man darf es dabei nur nicht beim bloßen Propagieren der Grundeinkommensidee belassen. Man muß die Widerständigen schon in eine Debatte zu verstricken suchen, in der sie die Gründe für ihren Widerstand verbalisieren. Und dann kann man sie bei diesen Gründen packen und die Substantialität ihrer Widerstände offen diskutieren und dann möglicherweise ausräumen. Man kann darin die "Erwerbsarbeitsethik" ja durchaus in ihrer historischen Berechtigung würdigen und darauf verweisen, daß sich bei einem bedingungslosen Grundeinkommen das Berechtigte der Erwerbsarbeitsethik ja wahrscheinlich in universalisierter Form fortsetzt, im Hegelschen Sinne "aufgehoben" wird, um einen von Michael Opielka (und mir ebenfalls) geschätzten Theoretiker zu zitieren, nämlich als Ethik sinnvollen Tätigseins. Und auch Sanktionsmöglichkeiten bei der Verschwendung von Lebenszeit wird es weiterhin und in universalisierter Gestalt geben, in Gestalt der Wertschätzung, die andere einem nicht entgegen bringen.
Würde man dagegen vor den existierenden Widerstände zurückweichen und diese nicht auf die skizzierte Weise offen angehen, hätte man aus meiner Sicht, was die Durchsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens betrifft, schon von Anfang an verloren.
ich glaube wir müssen noch genauer sein und angeben können, was genau dieses "Stück Bedürftigkeitsprüfung" in der negativen Einkommenssteuer ist, um beurteilen zu können, ob das in legitimatorischer Hinsicht problematisch ist. Bei jeder progressiv gestalteten Einkommenssteuer wird nach der Leistungskraft des zu Besteuernden in Form seines Einkommens geschaut. Ein "Stück" Bedürftigkeitsprüfung wäre also auch hier vorhanden. Die Progression der Einkommenssteuer führt aber nicht zu einer Stigmatisierung von den Gruppen, die gar keine Steuern zahlen, obwohl sie ein Einkommen erzielen. In einer vorhergehenden Mail haben Sie allerdings stärker auf die positiven Zahlungen abgehoben, die bei einer negativen Einkommenssteuer nicht alle beziehen würden. Dass das Stigmatisierungspotential nicht so hoch ist, darauf hatte ich in meiner letzten Mail ja schon hingewiesen (Einerseits beziehen auch Erwerbsarbeitende mit niedrigeren Einkommen positive Steuern und eine weitere Gruppe wird bei der Einführung der negativen Einkommenssteuer merken, dass ihre Steuerlast deutlich sinkt.) Wobei ich damit nicht ausdrücken will, dass das nicht ein Problem sein könnte, aber ich würde es als nicht so schwerwiegend einschätzen.
Ihren Ausführungen zu dem Potential in einer Debatte über ein Grundeinkommen die Fragwürdigkeit des hohen Werts, der der Erwerbsarbeit zugemessen wird, in Frage zu stellen, stimme ich durchaus zu. Nur möchte ich zu bedenken geben, dass genau auf diese Art und Weise ja schon in den 80ern versucht wurde, das Grundeinkommen zustimmungsfähig zu machen. Das ist allerdings nicht von Erfolg gekrönt gewesen, obwohl die Krise der Arbeitsgesellschaft hoch auf der Agenda stand. Damit ist sicher nicht bewiesen, dass das der falsche Weg war, aber ein einfaches "weiter so" bzw. "wieder so" scheint mir unbefriedigend. Und erst recht in Zeiten von anderen Agenden. Ich finde es zumindest nachdenkenswert, ob nicht eine Rechtfertigung eines Grundeinkommens aus den gegenwärtig dominanten Denkfiguren heraus, von grösserem Erfolg gekrönt sein könnte. Zudem gibt es dazu allerlei Möglichkeiten, wie das ein Grundeinkommen bzw. die negative Einkommenssteuer die einzigste Transferleistung ist, bei der es eben nicht zu finanziellen Anreizen in Richtung eines Verzichts auf Erwerbsarbeit kommt. Auch lädt die Denkfigur des unternehmerischen Arbeiters, die besonders in der Managementliteratur, aber auch in den arbeitsmarktpolitischen Debatten auftaucht, dazu ein, die Herstellung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit mittels eines Grundeinkommens zu fordern.
Schöne Grüße, Dirk Jacobi
Re: Welches Grundeinkommen?
Lieber Herr Teetz,
warum so kompliziert? Sie kennen doch meine diesbezüglichen Veröffentlichungen seit 1994. Dort, besonders in den neueren, wird aufgezeigt, wie einfach alles wäre, wenn die Leute, die es angeht, nur bereit wären, ein bißchen mathematisch zu denken. Alles Weitere sobald ich fertig bin mit meinem kurzen Beitrag für die Mailingliste, an dem ich z.Z. arbeite.
Beste Grüße Helmut Pelzer, Ulm
Re: Nochmal zur Frage der Unabhängigkeit
Ich möchte mich hier auch einmal kurz einmischen.
Ich bin der Meinung das an dem Thema GE noch mehr dranhängt.
Ich persönlich plädiere für ein GE von 1500 nebst Abzug von Krankenkassenbeitrag. Dabei lege ich besonders auf die Effizienz der Umverteilung wert. Das sich in diesem Land darüber kaum jemand Gedanken macht, sprich auch Bände.
Ich bin ferner der Meinung, dass wenn das GE hoch genug ist, man durchaus alle anderen staatlichen (nicht privaten!) Versicherungssysteme dort hineinfalten kann. Wozu noch Rente oder Kindergeld, wenn jeder der nicht Lohnarbeitet ein GE bekommt?
Das gibt es unglaubliche Rationalisierungspotentiale in den Verwaltungen und damit mehr Geld für die GE Empfänger.
Der Arbeitszwang würde endlich aufgehoben und die Industrie gezwungen attrraktive Jobs anzubieten (mit mehr als 1500 eben).
Ausführlich steht der Ansatz unter Dateien - Texte zum Grundeinkommen, Vorschlag Harty IV-final100a.pdf
Nachtrag: Wir leben in einer Zeit in der Roboter und Computer so gut wie jeden Gegenstand des täglichen Lebens IN FAST BELIEBIGER MENGE herstellen können. Wer da denkt das man noch Leute zur Arbeit zwingen soll oder muss hat echt einen an der Birne und lebt im letzten Jahrtausend.
Die negative Einkommenssteuer stellt eine Grundsicherung für jeden Bürger dar, auch Kinder könnten in die negative Einkommenssteuer einbezogen werden. Die sogenannten Mindestlöhne, von 2-4 € / h würde ich gerne annehmen, wenn es die gäbe. Rechnen Sie sich ihr Haushaltseinkommen doch an einem einfachen Beispiel einmal aus. Familie mit zwei Kindern(Einkommen im Monat): negative Einkommenssteuer (Ausgestaltung fraglich): 600 € +600 (?) € +600 €= 1800 €. Arbeitseinkommen (Ehemann): 5h Arbeit / Tag * 20 Tage * 4 €/h= 400 €. Gesamtfamilieneinkommen : 2200 €. Ein zusätzliches Einkommen gibt es jedoch nur für Leistung. Wer diese nicht erbringen kann, bekommt halt weniger. Ein Leistungsbereich muß im Einkommen einfach vorhanden sein, sonst würde nicht mehr gearbeitet werden. Auch Minijobs wären sinnvoll, da dadurch das Haushaltseinkommen aufgedeckelt wird.