Forum Grundeinkommen - Allgemeine Diskussion zum Grundeinkommen

Welches Grundeinkommen?

Nochmal zur Frage der Unabhängigkeit

Vorweg:
Schade, das es hier keine Baumstruktur gibt,
wird etwas unübersichtlich. Bei den Grünen
ist das ganz nett.
@ alle - ? >lach<


Nochmal zur Frage der Unabhängigkeit

Die Frage nach der Un-/Abhängigkeit des
Grundeinkommen klärt sich für mich nicht
so sehr über dessen Form, sondern über
dessen Begründung.
Der Form nach ist ein Einkommen doch
unabhängig, wenn darüber verfügt werden
kann, ohne das hierfür Bedingungen erfüllt
werden müssen. Wer über Einkommen (Ein-
kommen bezeichnet dann etwas, das höher
ist, als das Grundeinkommen) verfügt, tut dies
wohl zumeist bedingt, abhängig von zB. Erwerbs-
tätigkeit. Das bedeutet aber noch keine
Abhängigkeit des Grundeinkommen, und dieses
ist dann unabhängig, wenn Menschen darüber
verfügen, auch wenn sie (warumauchimmer)
nicht arbeiten.

Der Begründung nach ist das Grundeinkommen
unabhängig, bedingungslos, wenn der Grund
für dies nicht in wirtschaftlichem Handeln
(der Gesellschaft), in Prosperität (des solches
gewährenden), mithin in Zukünftigem und
absehbar Unbeständigem liegt, sondern wenn
der Grund dafür im Wesen des Menschen selber,
in seiner Würde liegt, und nur die Verwirklichung
abhängig ist und dies nur von dieser Erkenntnis;
das es schon in der Vergangenheit, eigentlich
schon immer begründet war, Menschen ein
absolutes Daseinsrecht zu gewähren.
( Ein Einwand des Staates, solches Recht sei
gegeben, trägt nicht, da bei ihm als Gesetz-
geber, als Zwingendem, hieraus die Pflicht
entsteht, bedürftigen (besser, dann; berecht-
igten (bedürftig sind wir alle)) Menschen das
Dasein aktiv (das heißt mit Leistung in Geld) und
bedingungslos (indem er den einzig möglichen
Inhalt der Würde des Menschen als unantast-
barer gewahrt) zu ermöglichen. )

MfG
b

Re: Welches Grundeinkommen?

Lieber Herr Franzmann, Herr Jacobi, Herr Opielka, Herr Strengmann,

in unserer Gesellschaft gibt es größere Personengruppen, die aus bestimmten Gründen nicht arbeiten können. Beispielsweise alleinerziehende Frauen mit jungen Kindern, körperlich behinderte Personen, Studenten, usw..
Die negative Einkommenssteuer, mit Grundsicherungsfunktion, ermöglicht diesen Personen eine sichere Art des Grundeinkommens.
Diese genannten Personen sollten nicht zur jeder Arbeit gezwungen werden.
Es ist jedoch gut möglich, das das Einkommen bei manchen wirklich hilfsbedürftigen Gruppen (behinderte alleinstehende Personen) zu gering sein kann. Die negative Einkommenssteuer soll ja wohl auch für einen gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme sorgen. D.h. das Einkommensniveau soll nicht so hoch sein, dass keine Arbeit aufgenommen wird.

Schwierig wäre natürlich die Umsetzung einer negativen Einkommenssteuer.
Einige Personen werden Schwierigkeiten haben, diese Steuererklärungen auszufüllen.
Hierzu würden mit Sicherheit Mitarbeiter (des Sozialamtes o.ä.) benötigt werden, die bei der Ausfüllung der Steuererklärungen Hilfestellung leisten müßten.

Ferner ist das Einkommen von Selbständigen oder Kleinunternehmen häufig kontrolltechnisch schwieriger zu ermitteln. Dies wird ein sehr schwieriges Problem (manche Unternehmer geben an, dass sie nichts verdienen, in Wirklichkeit verdienen sie Schwarzgeld).

Weiterhin könnten bei einer negativen Einkommenssteuer zukünftig neue Arbeitgeber in Erscheinung treten, dies können auch kommunale oder karitative Organisationen sein. Für die Zwecke müßte ein kommunaler Fond eingerichtet werden, der besonders strukturschwache Regionen berücksichtigt.
Beispielsweise möchten die Bürger einer Gemeinde die Häuser ihres Dorfes ausbessern oder einen kleinen Park anlegen. Normalarbeitsplätze könnte dieses Projekt gar nicht bezahlt werden, die Lohnkosten sind einfach zu hoch. Durch das Grundeinkommen mit der negativen Einkommenssteuer wird dies möglich.
Die Gemeindemitglieder stellen einen Kostenplan für die benötigten Materialien zusammen, einigen sich wer welche arbeiten erledigt und wieviel das alles kosten wird.
Hierzu müssten Bürger Eigeninitiative (im Dorf, in der Kleinstadt und in der Großstadt) entwickeln. Und es muß eine organisatorische finanzielle Überprüfung geben, welches zusätzliche Einkommen über das Grundeinkommen für die Gemeinde und Stadt tragbar ist. Eine Aufdeckelung des Grundeinkommens mit einem zusätzlichen Erwerbseinkommen (auch wenn dies nur gering ist) kann sinnvoll sein.
Es gibt den Bürgern auch das Gefühl, etwas für ihre Mitmenschen zu leisten.
Dies muß jedoch richtig koordiniert werden (Altenbetreuung, Dorfverbesserung u.ä.). Hier muß es Entscheidungsinstanzen geben (Bürgermeister oder in größeren Städten Vereine mit Koordination des Bezirksbürgermeisters o.ä.).

Ein Grundeinkommen, ohne zusätzliche Anreizfunktion über die negative Einkommenssteuer würde ich ablehnen. Dann bleiben die Bürger weiterhin untätig und warten lediglich auf eine Geldzuteilung.

Die Einkommenssteuer hat ja auch einen Splittingteil. Die Familie sollte mit der Konzeption des Ehegattensplittings besser finanziell geschützt werden. Dies ist sinnvoll und notwendig.
Gerade Niedriglohnverdiener, falls der Ehemann nur 650€ / Monat nach Hause bringt, und die Frau zwei Kinder großzieht, werden durch unser Steuerrecht nicht unterstützt.
Diese Ungerechtigkeit schafft die negative Einkommenssteuer mit Grundsicherungsfunktion für beide Ehepartner ab.

Diese Änderungen des Steuersystems würde einen gewaltigen Umbruch bedeuten, hierüber müßte dann auch mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Regierung gesprochen werden. Die Löhne würden dann ein absolut anderes Niveau haben. Hier müßte man vorfühlen, ob die Koordination in dieser Weise möglich ist.
Eine Umstellung von einen Tag auf den anderen, würde zu einer heftigen Erschütterung des ganzen Lohngefüges führen.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

@ Tobias Teetz; Anreiz - Nein Danke

@ Tobias Teetz; Anreiz - Nein Danke!

>Ein Grundeinkommen, ohne zusätzliche Anreiz-
>funktion über die negative Einkommenssteuer
>würde ich ablehnen. Dann bleiben die Bürger
>weiterhin untätig und warten lediglich auf
>eine Geldzuteilung.


Was, Bitte soll an einem "Grundeinkommen mit
Anreizfunktion" anders sein, als an Sozialhilfe?
Die reizt, was erwiesenermaßen (siehe Armut/Reich-
tum-Bericht, den ersten und einzigen) gesundheits-
schädlich. (Zur krebsfördernden Wirkung von "Hartz-4"
sollte man in 12-18 Monaten die Statistiken befragen)

Scheint mir eher das bekannte "Jetzt macht hier
sofort einer die Dreckarbeit, aber umsonst!" zu
sein.

Was das Gesetz als "zusätzlich" bezeichnet (diese
begriffliche Erweiterung stammt von den Kirchen
nach dem 2. Weltkrieg) ist in der Praxis oftmals
das eigentliche wertschöpfen. Wirtschaftswissen-
schaft differenziert nicht zwischen Preis und Wert,
das heißt aber nicht, das es keinen Unterschied
gäbe. Bei uns ist wertlos, wofür es kein Geld gibt.
Essen kochen, Kinder erziehen, Mülleimer rausstel-
len usw. . Und unserer Denke entsprechend ist es
wertlos, weil der Wert keinen Bestand hat; aufge-
gessen ist schnell, und das Gras nachgewachsen.
Radkappen dagegen halten wesentlich länger, wes-
halb der Stylist ein hochbezahlter ist.
So können wir auf Dringlichkeit zu erledigender
Arbeiten verweisen (Hunger ist nachhaltig, wie
Dreck auf der Strasse), gleichzeitig aber jede
Bezahlung verweigern ("seit wann soll das Geld
kosten ?").

Die Würde des Menschen ist, das er Zweck ist, und
nicht Mittel. Der Zwang zum Nachweis der Wirtschaft-
lichkeit der eXistenz natürlicher Personen wider-
spricht diesem Axiom.

Die Dreckarbeit machen wir in Zukunft gemeinsam.
nUr so ist sicherzustellen, das an der Überwindung
auch "gearbeitet" wird. nUr so kann die Würde des
Menschen unangetastet sein.

MfG
b

Re: @ Manuel Franzmann&Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Lieber Manuel Franzmann,
ich stimme Ihnen in vielen Punkten zu. Nur an zwei Punkten würde ich gerne
noch einmal einhaken.

Es ist zwar richtig, dass bei einer Negativen Einkommenssteuer, wie ich sie
charakterisiert habe, eine positive Summe an die Bürger nur bis zu einer
bestimmten Höhe von Eigeneinkommen ausgezahlt wird. Damit ist das
Einfallstor der Stigmatisierung, dass sie aufgezeigt haben, durchaus offen.
Allerdings würde in Abhängigkeite davon, ab wann "selbst" erwirtschaftetes
Einkommen besteuert wird, eine viel größere Gruppe zu den Empfängern von
positiven Zahlungen gehören als bei den bisherigen bedürftigkeitsgeprüften
Leistungen. Die positiven Zahlungen wären ja eben nicht beschränkt auf die
die kein Erwerbseinkommen beziehen. Damit wäre zumindest die bisher übliche
Einteilung in diejenigen die (erwerbs)arbeiten und diejenigen, die
angeblich faul sind (also nicht erwerbsarbeiten) und sich in der sozialen
Hängematte ausruhen würden, gebrochen. Auch wäre der Bezug dieser
Leistungen viel verbreiteter und viel üblicher als bei
bedürftigkeitsgeprüften Leistungen und somit dürfte eine Stigmatisierung
auf mehr Widerstand stoßen.

Zudem halte ich es für zuviel von der Einführung eines Grundeinkommens
verlangt, dass "Erwerbsarbeit als Normalmodell des Erwachsenenlebens" in
Frage gestellt oder gar fallen gelassen wird. Ob Erwerbsarbeit als "normal"
angesehen wird oder nicht, ist von vielen Faktoren abhängig, die nichts mit
einem Grundeinkommen zu tun haben. Da zumindest in den letzten 10 Jahren
der Wert, der der Erwerbsarbeit sowohl individuell wie in den politischen
Debatten zugemessen wurde, parallel mit der Arbeitslosigkeit stieg, stellt
sich eine strategische Frage bei dem Versuch der Popularisierung der
Grundeinkommensidee. Attackiert man die Wertschätzung der Erwerbsarbeit
frontal und plädiert für die Befreiung von der Erwerbsarbeit mittels
Grundeinkommen, dann besteht die Gefahr, dass man all die nicht erreicht,
die von dem Virus der hohen Wertschätzung der Erwerbsarbeit befallen sind.
Betont man hingegen die Kompatibiliät von Erwerbsarbeit und Grundeinkommen
bzw. in der technischen Variante einer negativen Einkommenssteuer (und eben
auch die positiven Effekte auf die Arbeitsanreize, die bei einem
Grundeinkommen ja nicht anders sind als bei der negativen Einkommenssteuer
(die die von mir genannten Kriterien aufweist), läuft man Gefahr den
derzeitigen Mainstream argumentativ zumindest partiell zu stützen.

zu der technischen Frage:
Irgendwie muß das Grundeinkommen bzw. die negative Einkommenssteuer ja
finanziert werden. Falls das mit einer progressiven Steuer geschieht und
sonst im Leistungssystem alles so bleibt, wie es ist (was unrealistisch
ist, weil wozu dann noch Sozialhilfe bzw. die sogenannte Grundsicherung),
dann würden bei einer negativen Einkommenssteuer, diejenigen, die sehr viel
verdienen sogar noch mehr Steuern zahlen als bisher. Das wäre bei einem
Grundeinkommen, das auch progressiv finanziert würde, wiederum auch nicht
anders: Dann würden zwar alle das Grundeinkommen ausgezahlt bekommen. Die
Reicheren hätten am Ende aber weniger in der Tasche als vorher, weil sie
mehr Steuern zahlen müßten.

Schöne Grüße,
Dirk Jacobi

Re: Welches Grundeinkommen?

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Tobias Teetz [mailto:@carookee.com]
Gesendet: Freitag, 6. August 2004 22:30
An: var m = String.fromCharCode(109,97,105,108,116,111)+':';var e = 'detlef.spandau'+String.fromCharCode(64)+'gmx'+String.fromCharCode(46)+'net';document.writeln(''+e+'');support@gmxnet
Betreff: [Mailingliste-Grundeinkommen:] Re: Welches Grundeinkommen?


Sehr geehrter Herr Teetz,

mit dem Einkommensniviau meinen Sie sicherlich das Grundeinkommensniviau...

Aus Ihren Zwischentönen entnehme ich, dass sie wohl einen Großteil der
Erwerbslosen für faul halten. Das derzeitige "Grundeinkommen", bestehend aus
Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe ist auch nicht so hoch, dass nicht
ein gewisser Anreiz bestände, keine Erwerbsarbeit anzunehmen. Durch die sog.
1,- €-Jobs, die ab nächstes Jahr zulässig sein sollen, besteht sicherlich
kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme. Da ist sozusagen das freiwillige Ehrenamt
besser, das sagt allein der Name schon. Ein Ehrenamt hat noch was mit Ehre
zu tun, ein 1,- € Job sicherlich nicht. Ehrenämter übe ich gerne aus, denn
dadurch finde ich auch ein Stück Selbstbestätigung während meiner
Erwerbslosigkeit.

Sie stehen, wie Sie schreiben, für die negative Einkommenssteuer und damit
auch für einen gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme. Tja, dann sind Sie wohl
beim Netzwerk für ein (bedingungsloses) Grundeinkommen verkehrt. Gegen wen
wollen Sie denn Druck ausüben? Soviel Arbeit wird doch in Deutschland zur
Zeit gar nicht angeboten und jede Person kann auch nicht jede Art von Arbeit
ausführen - aufgrund der Ausbildung und ggf. aufgrund der Persönlichkeit
nicht. Ich möchte wirklich nicht in diesem Netzwerk ein Grundeinkommen mit
einem gewissen Druck zur Arbeitsaufnahme gleichsetzen, denn sonst könnten
wir uns die ganze Thematik sparen und könnten eigentlich unseren derzeitigen
Stand des Sozialstaates bewahren.

Ich habe mir in meiner Erwerbslosigkeit immer eine Tätigkeit gesucht, auch
wenn es sich um keine Erwerbsarbeit in diesem Sinne gehandelt hat. Nur gegen
die Wand gucken, macht niemand. Jeder Mensch betätigt sich irgendwie und
irgendwann, wenn ihm oder ihr die Decke auf den Kopf fällt. Durch ein
Ehrenamt kann man auch gewisse soziale Kontakt pflegen und ausbauen und
man/frau bewahrt seine/ihre Ehre. Ehrenämter bilden sogar auch in manchen
Fällen und schaffen Anerkennung und das ist mehr wert, als so mancher
Arbeitszwang.

Mit freundlichem Gruß

Detlef Spandau
Postfach 6081
32732 Detmold
Tel.: +49 175-2039627
Fax: +1-559-566-5152
http://www.spandau-net.de
http://www.soziales-buendnis-lippe.de
http://www.detmolder-alternative.de




>Die negative Einkommenssteuer soll ja wohl auch für einen gewissen Druck
zur Arbeitsaufnahme sorgen. D.h. das Einkommensniveau soll nicht so hoch
sein, dass keine Arbeit aufgenommen wird.

>Ein Grundeinkommen, ohne zusätzliche Anreizfunktion über die negative
Einkommenssteuer würde ich ablehnen. Dann bleiben die Bürger weiterhin
untätig und warten lediglich auf eine Geldzuteilung.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz


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Re: @ Manuel Franzmann&Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Lieber Herr Jacobi,

ich kann Ihnen darin voll zustimmen, wie Sie die Unterschiede zwischen den
bisherigen Transferzahlungsformen und der Negativen Einkommenssteuer
herausarbeiten. Und daß eine Negative Einkommenssteuer auch sehr viel
liberaler als die gegenwärtigen Transferzahlungen wäre, habe ich ja selbst
schon gesagt. Aber ich finde es sachlich durchaus angemessen, auch noch bei
der Negativen Einkommenssteuer von Bedürftigkeitsprüfung zu sprechen.
Geprüft würde vom Finanzamt, ob jemand über das als zum Leben nötig
erachtete und demgemäß definierte Mindesteinkommen verfügt oder aber zum
Erreichen dieses Mindesteinkommens eine Transferzahlung braucht. Was nicht
geprüft wird, ist die Lebenslage bzw. ob sich jemand im Prinzip aus der
Situation der Einkommensbedürftigkeit befreien könnte. Und das macht die
Negative Einkommenssteuer so liberal, und gegenwärtig geht die
Bedürftigkeitsprüfung natürlich sehr viel weiter, so daß tendenziell die
ganze Lebensführung in den Blick der Sozialbürokratie gerät. Aber ein Stück
Bedürftigkeitsprüfung ist eben meiner Meinung nach auch noch in der
Negativen Einkommenssteuer enthalten.

Was das bedingungslose Grundeinkommen betrifft, so bedeutet dieses,
zumindest solange die Grundeinkommenszahlung zum Leben und zur
gesellschaftlichen Teilhabe in elementarsten Hinsicht wirklich ausreichend
ist, tatsächlich die Möglichkeit, ein Leben jenseits der
Erwerbsarbeitssphäre als etwas Positives zu führen. Und ich mache regelmäßig
die Erfahrung, daß genau dieser Punkt von den meisten Menschen, denen
gegenüber man das bedingungslose Grundeinkommen als Idee einer Sozialreform
bezeichnet, sofort intuitiv treffsicher erkannt wird. Und dieser Punkt wird
auch oft, ohne daß er zuvor benannt worden wäre, als Ablehnungsgrund von den
Widerständigen selbst angeführt, was ein Beleg für die These ist, daß es
beim bedingungslosen Grundeinkommen in ausreichender Höhe vor allem um
diesen fundamentalen Punkt geht. Das ist soziologisch gesehen auch nicht
verwunderlich, bedeutet die Aufgabe der Erwerbsarbeit als Normalmodell doch
den Abschied von einem Modell, das die mehr als zweihundertjährige
Geschichte der Industrienationen geprägt hat. Das ist in der Vergangenheit
ein wichtiger gesellschaftlicher Kitt gewesen, und zwar nicht zuletzt
deswegen, weil darin zugleich ein sehr erfolgreiches Modell von Gleichheit
und Gerechtigkeit realisiert war (siehe dazu den hier im Forum unter
"Dateien" zugänglichen Text des Soziologen Ulrich Oevermann, der dies an
Luthers Berufsethik herausarbeitet). In der Bindung an die
Erwerbsarbeitsethik waren sich ja bei aller Verschiedenheit und
Gegensätzlichkeit der Interessen Unternehmer wie Arbeiter gleich. Beide
bezogen ganz wesentlich ihren Stolz aus ihrer im Beruf erbrachten
Arbeitsleistung, der ihnen wiederum die gesellschaftliche Teilhabe sicherte.
Dieses Modell funktioniert aber natürlich nur, solange es für alle
Arbeitsplätze gibt bzw. solange die realistische Chance auf die Erlangung
von Vollbeschäftigung nach konjunkurellen Einbrüchen besteht. Angesichts der
Rationalisierungsfortschritte ist das aber gerade ins Reich des Irrealen
gerückt. Wenn das aber wirklich so ist, dann ist es doch nur sinnvoll, bei
der Popularisierung der Grundeinkommensidee bewußt die Konfrontation mit den
bestehenden Widerständen zu suchen. Man darf es dabei nur nicht beim bloßen
Propagieren der Grundeinkommensidee belassen. Man muß die Widerständigen
schon in eine Debatte zu verstricken suchen, in der sie die Gründe für ihren
Widerstand verbalisieren. Und dann kann man sie bei diesen Gründen packen
und die Substantialität ihrer Widerstände offen diskutieren und dann
möglicherweise ausräumen. Man kann darin die "Erwerbsarbeitsethik" ja
durchaus in ihrer historischen Berechtigung würdigen und darauf verweisen,
daß sich bei einem bedingungslosen Grundeinkommen das Berechtigte der
Erwerbsarbeitsethik ja wahrscheinlich in universalisierter Form fortsetzt,
im Hegelschen Sinne "aufgehoben" wird, um einen von Michael Opielka (und mir
ebenfalls) geschätzten Theoretiker zu zitieren, nämlich als Ethik sinnvollen
Tätigseins. Und auch Sanktionsmöglichkeiten bei der Verschwendung von
Lebenszeit wird es weiterhin und in universalisierter Gestalt geben, in
Gestalt der Wertschätzung, die andere einem nicht entgegen bringen.

Würde man dagegen vor den existierenden Widerstände zurückweichen und diese
nicht auf die skizzierte Weise offen angehen, hätte man aus meiner Sicht,
was die Durchsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens betrifft, schon
von Anfang an verloren.

Mit besten Grüßen
Manuel Franzmann

Re: @ ManuelFranzmann&Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Lieber Manuel Franzmann,

ich glaube wir müssen noch genauer sein und angeben können, was genau dieses "Stück Bedürftigkeitsprüfung" in der negativen Einkommenssteuer ist, um beurteilen zu können, ob das in legitimatorischer Hinsicht problematisch ist. Bei jeder progressiv gestalteten Einkommenssteuer wird nach der Leistungskraft des zu Besteuernden in Form seines Einkommens geschaut. Ein "Stück" Bedürftigkeitsprüfung wäre also auch hier vorhanden. Die Progression der Einkommenssteuer führt aber nicht zu einer Stigmatisierung von den Gruppen, die gar keine Steuern zahlen, obwohl sie ein Einkommen erzielen. In einer vorhergehenden Mail haben Sie allerdings stärker auf die positiven Zahlungen abgehoben, die bei einer negativen Einkommenssteuer nicht alle beziehen würden. Dass das Stigmatisierungspotential nicht so hoch ist, darauf hatte ich in meiner letzten Mail ja schon hingewiesen (Einerseits beziehen auch Erwerbsarbeitende mit niedrigeren Einkommen positive Steuern und eine weitere Gruppe wird bei der Einführung der negativen Einkommenssteuer merken, dass ihre Steuerlast deutlich sinkt.) Wobei ich damit nicht ausdrücken will, dass das nicht ein Problem sein könnte, aber ich würde es als nicht so schwerwiegend einschätzen.

Ihren Ausführungen zu dem Potential in einer Debatte über ein Grundeinkommen die Fragwürdigkeit des hohen Werts, der der Erwerbsarbeit zugemessen wird, in Frage zu stellen, stimme ich durchaus zu. Nur möchte ich zu bedenken geben, dass genau auf diese Art und Weise ja schon in den 80ern versucht wurde, das Grundeinkommen zustimmungsfähig zu machen. Das ist allerdings nicht von Erfolg gekrönt gewesen, obwohl die Krise der Arbeitsgesellschaft hoch auf der Agenda stand. Damit ist sicher nicht bewiesen, dass das der falsche Weg war, aber ein einfaches "weiter so" bzw. "wieder so" scheint mir unbefriedigend. Und erst recht in Zeiten von anderen Agenden. Ich finde es zumindest nachdenkenswert, ob nicht eine Rechtfertigung eines Grundeinkommens aus den gegenwärtig dominanten Denkfiguren heraus, von grösserem Erfolg gekrönt sein könnte. Zudem gibt es dazu allerlei Möglichkeiten, wie das ein Grundeinkommen bzw. die negative Einkommenssteuer die einzigste Transferleistung ist, bei der es eben nicht zu finanziellen Anreizen in Richtung eines Verzichts auf Erwerbsarbeit kommt. Auch lädt die Denkfigur des unternehmerischen Arbeiters, die besonders in der Managementliteratur, aber auch in den arbeitsmarktpolitischen Debatten auftaucht, dazu ein, die Herstellung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit mittels eines Grundeinkommens zu fordern.

Schöne Grüße,
Dirk Jacobi

Re: Welches Grundeinkommen?

Lieber Herr Teetz,

warum so kompliziert? Sie kennen doch meine diesbezüglichen
Veröffentlichungen seit 1994. Dort, besonders in den neueren, wird
aufgezeigt, wie einfach alles wäre, wenn die Leute, die es angeht, nur
bereit wären, ein bißchen mathematisch zu denken. Alles Weitere sobald
ich fertig bin mit meinem kurzen Beitrag für die Mailingliste, an dem
ich z.Z. arbeite.

Beste Grüße
Helmut Pelzer, Ulm

Re: Nochmal zur Frage der Unabhängigkeit

Ich möchte mich hier auch einmal kurz einmischen.

Ich bin der Meinung das an dem Thema GE noch mehr dranhängt.

Ich persönlich plädiere für ein GE von 1500 nebst Abzug von Krankenkassenbeitrag. Dabei lege ich besonders auf die Effizienz der Umverteilung wert. Das sich in diesem Land darüber kaum jemand Gedanken macht, sprich auch Bände.

Ich bin ferner der Meinung, dass wenn das GE hoch genug ist, man durchaus alle anderen staatlichen (nicht privaten!) Versicherungssysteme dort hineinfalten kann. Wozu noch Rente oder Kindergeld, wenn jeder der nicht Lohnarbeitet ein GE bekommt?

Das gibt es unglaubliche Rationalisierungspotentiale in den Verwaltungen und damit mehr Geld für die GE Empfänger.

Der Arbeitszwang würde endlich aufgehoben und die Industrie gezwungen attrraktive Jobs anzubieten (mit mehr als 1500 eben).

Ausführlich steht der Ansatz unter Dateien - Texte zum Grundeinkommen, Vorschlag Harty IV-final100a.pdf

Nachtrag: Wir leben in einer Zeit in der Roboter und Computer so gut wie jeden Gegenstand des täglichen Lebens IN FAST BELIEBIGER MENGE herstellen können. Wer da denkt das man noch Leute zur Arbeit zwingen soll oder muss hat echt einen an der Birne und lebt im letzten Jahrtausend.

Re: Nochmal zur Frage der Unabhängigkeit

Lieber Herr Maier, Herr Jacobi, Herr Franzmann, Herr Pelzer,

Die negative Einkommenssteuer stellt eine Grundsicherung für jeden Bürger dar, auch Kinder könnten in die negative Einkommenssteuer einbezogen werden.
Die sogenannten Mindestlöhne, von 2-4 € / h würde ich gerne annehmen, wenn es die gäbe.
Rechnen Sie sich ihr Haushaltseinkommen doch an einem einfachen Beispiel einmal aus.
Familie mit zwei Kindern(Einkommen im Monat): negative Einkommenssteuer (Ausgestaltung fraglich): 600 € +600 (?) € +600 €= 1800 €.
Arbeitseinkommen (Ehemann): 5h Arbeit / Tag * 20 Tage * 4 €/h= 400 €.
Gesamtfamilieneinkommen : 2200 €.
Ein zusätzliches Einkommen gibt es jedoch nur für Leistung. Wer diese nicht erbringen kann, bekommt halt weniger.
Ein Leistungsbereich muß im Einkommen einfach vorhanden sein, sonst würde nicht mehr gearbeitet werden.
Auch Minijobs wären sinnvoll, da dadurch das Haushaltseinkommen aufgedeckelt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz