Gruppe Enigma - Texthaufen

Auftragsarbeiten

Re: Auftragsarbeiten

Da muss ich mal in den alten Unterlagen wühlen... irgendwo hatte ich noch ein paar rumliegen...

Re: Auftragsarbeiten

(für Johann)

Kubanisches Wildentenragout

1 mittelgroße kubanische Revolutionsente, gut abgehangen, ausgenommen
500g sauer eingelegte Theorie, radikal
1 rotes Stirnband
2-3 scharfe Schießschoten (rot)
100g Zigarrillomus
150g Guevarakraut, getrocknet u. gerebelt
Je ein TL Joch, Knast, Fidel und Castro
1 Prise Musketennuss
3 L Arbeiterschweißbrühe
100g grob geraspelter Eiferkäse
Olivenöl
Eine Tasse Spanischer Rotwein

Zubereitung:
Die Ente waschen und in grobe Stücke teilen, mit dem Olivenöl und einer fein geschnittenen Schoten anbraten, anschließend mit dem Rotwein ablöschen und in der sprudelnd kochenden Brühe ca. 1,5 Std garen (das Fleisch sollte sich gut vom Knochen lösen). In der Zwischenzeit den Ofen auf 250 Grad vorheizen, die Theorie gut ausdrücken und in ihre Einzelteile zerlegen, dann das Stirnband, die zwei restl. Schießschoten klein schnippeln und mit dem Zigarrillomus und den Theorieteilen vermischen. Die Kräuter hacken und unter die Mischung heben. Würzen. Das Fleisch in kleine Stücke schneiden und in einen Schmortopf legen. Die Revolutionsmischung darüber verteilen, darauf den Eiferkäse und noch ca. eine dreiviertel Stunde auf oberer Schiene überbacken.

Zum Ragout reiche man trocken Brot, etwas Wasser und/oder eine Kalaschnikows

Guten Appetit!

Re: Auftragsarbeiten

Stelle mich auch gerne zur Verfügung. War letztens wieder im Chicago und wurde ein wenig nostalgisch.

Re: Auftragsarbeiten

Ich vergebe ja gern Aufträge, nech. Vor Dir, Scrip. bittschö einen Text aus meiner Perspektive. Hm?

Re: Auftragsarbeiten

Zitat: Graefinjutsch
(für Johann)
Kubanisches Wildentenragout ...Ist das für Johannes' neues Buch "Was isst man zur Revolution (wenn der Sex nicht reicht)"?

Re: Auftragsarbeiten

Zitat:
die Theorie gut ausdrückenJa, daran scheitert's meistens in der Praxis.


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.

Re: Auftragsarbeiten

Zitat: Graefinjutsch
Ich vergebe ja gern Aufträge, nech. Vor Dir, Scrip. bittschö einen Text aus meiner Perspektive. Hm?Ich setze mich dran. Kann n bisschen dauern, das erfordert Recherche auf meiner Seite ;)

Re: Auftragsarbeiten

"Aufstehen, Schatz!" Er drückte sie weg.

Vom heutigen Tag an war es genau ein Jahr her, dass er die große Bettdecke ganz für sich allein hatte. Sie hatte sie damals ausgesucht, und er hatte sich schneller an das Rosenmuster gewöhnt als er damals gedacht hätte. Anfangs hatte er alles, was ihn an sie erinnerte, in die große Truhe im Flur verbannt, aber nach und nach hatte er die Dinge wieder zurückgeholt. Die Bettdecke als letztes. Nein, als vorletztes, das letzte war ihre Stimme, gefangen auf einem Tonband, das seit einem halben Jahr, so wieder wie früher, morgens "Aufstehen, Schatz!" zu ihm sagte. Ihre Anrufbeantworteransage gab es leider nicht mehr.

Er drückte ihre Stimme zum zweiten Mal weg, diesmal ganz. Dann richtete er sich auf, gähnte, blickte an seinen Beinen nach unten und danach in den gegenüber an der Wand befestigten Spiegel. Er gähnte ein zweites Mal, dann ließ er sich wieder auf's Bett fallen. Er beschloss, heute nicht zur Arbeit zu gehen. Es gab keinen besonderen Grund dafür, außer generellen Lebensüberdruss. Was gab es denn für einen Grund, weiter dahinzuvegetieren, für Arbeiten und Essen und Schlafen und sich abends Betrinken, um den Schmerz nicht mehr zu merken, das langsame Ende anzusteuern, weil man für das schnelle zu schwach war. Das war doch kein Leben. Er sollte diesem kümmerlichen, unromantischen Dasein ein Ende setzen, am besten heute noch. Ein Strick! Verdammt, wo hatte er den bloß? Er wusste, dass er einen hatte, irgendwo musste er sein. Wenn er jetzt griffbereit vor seiner Nase läge, er wüsste schon, was er damit machen würde.

Aber so ... erstmal aufstehen. Kaffee kochen. Onanieren. Kaffee trinken. Auf der Arbeit anrufen: Ihm ginge es heute nicht so gut. Alles klar, Gute Besserung. Noch ein Kaffee. Zigarette? Die letzte! Na dann. Rauchen. Noch ein Kaffee. Dann duschen. Warmes Wasser prasselt auf den Nacken. Bis jetzt das Beste am heutigen Tag. Verdammt, das ist doch kein Leben, wenn so ein bisschen warmes Wasser auf der Haut schon der Tageshöhepunkt sein soll ...

Moment, was war das denn eben? Was war das für ein Gedanke gewesen, der sich da im Rausch der Brause in seine Sinne geschlichen hatte? Das Beste am heutigen Tag? Das Beste? Könnte es sein, dass das ein positiver Gedanke war? Sowas wie, dass nicht alles schlecht sein konnte? Oder täuschte er sich, war es nur Sarkasmus oder eine Belanglosigkeit? Was, wenn nicht? Wenn noch etwas Positives in seinem Leben sein sollte? Aber wo kam das her, oder vielmehr er, der Gedanke? Und warum heute, einfach so, unter der Dusche? Kam er etwa aus der Brause? War da eine Meerjungfrau drin versteckt? Er schlug mit der Faust gegen seine Stirn, um den Unfung aus seinem Kopf zu vertreiben, doch dieser fühlte sich da ganz wohl. Also drehte er die Dusche aus und hielt sein Ohr an den Duschkopf. Doch da war kein Rauschen, da kam eindeutig ein rhythmisches Geräusch her, wenn nicht eine Melodie, vielleicht was von ABBA. Er hielt die Brause mit beiden Händen an umfasst an sein Ohr, um besser hören zu können. Er kannte diese Melodie, kannte diesen Song. Ein Ohrwurm, das war, das war ... ja, genau: Can you feel the Pain! Fun Factory, genau! Irgendwo in seinem Unterbewusstsein verwandelte sich ein Strick in eine Rosengirlande.

Bei dem Song hatten sie sich kennengelernt, Heidrun und er, im Osho abends um sechs. Sie waren die ersten Gäste, keiner außer ihnen da, und sie hatte ihn gefragt, ob er tanzen wolle. Er hatte sich zum ersten Mal in seinem Leben nicht geziert. Ihm war, als ob die Vergangenheit wie ein matt blühender Garten in der Morgendämmerung auftauchte. Er begann zu tänzeln, unter der Dusche, mit der Brause am Ohr, solange bis er versehentlich an den Wasserhahn kam. Doch auch nach dem unverhofften Strahl im Ohr blieb der Schatten des Lichts auf seiner Laune hocken. Er freute sich. Mit einem Mal kapierte er, was hier los war: ER FREUTE SICH! Das Leben war wieder da! Er sprang aus der Dusche: Wo war sie?

Eine triefende Spur hinter sich lassend ging in die Wohnküche, holte den ersten Karton vom obersten Regalbrett und hielt sie auch schon in der Hand: Da war sie, die Single für den Single! Regler auf 45 Umdrehungen, Arm abgehoben, den kleinen Einsatz in die runde Scheibe, Knistern .. Knacken ... und dann ... Can you feel the pain? Can you feel the pain? Can you feel the pain? The pain in my heart? Can you can you feel it?

Er stampfte und tanzte und drehte sich und sang mit wie ein junger Gott. Mein Gott, er WAR ein junger Gott! Zumindest war er jung. Was hing denn da aus dem Küchenschrank? Ein Strick! Das Leben war schon lustig, jetzt wo er ihn nicht mehr brauchte! Pain! Pain! Pain! Don't you feel the Pain! Als es an der Tür klingelte und er hinging, dachte er nicht eine Sekunde daran, dass er nur mit einem Handtuch bekleidet war.

Sie hatte drei Handtücher um: Eins um die Hüfte, eins um den Busen und eins auf dem Kopf. In der Hand hielt sie eine Rose. Sie war wahnsinnig hübsch. Sie fragte nicht, ob sie eintreten durfte. Sie fragte nicht, ob sie die Rose in die Weinflasche stellen durfte. Sie fragte nicht, ob er mit ihr tanzen wolle. Sie fragte nicht, ob es ihn störte, dass sich das Handtuch um ihren Oberkörper langsam löste. Sie fragte nicht, ob er sie schön fände. Sie fragte, ob er noch mehr Fun Factory hätte. Wo war sie denn ... verdammt, jetzt brauchte er etwas anderes als die Single-Kiste. Jetzt brauchte er etwas größeres, etwas, was langsamer drehte und länger hielt. Wo waren sie, die Platten. Oh, Mist, er hatte sie in den Keller gestellt, weil er immer drüber gestolpert war. "Eine Sekunde!" rief er, sprang in den Flur, verlor dabei das Handtuch schnappte sich den Kellerschlüssel und rannte die drei Stockwerke nach unten in den Keller.

Auf halber Höhe ließ die alte Frau Schnepfer ihre Einkäufe fallen. Ein Stockwerk tiefer fing er den entgeisterten Blick eines jungen Pärchens auf, die sich die Wohnung im ersten Stock ansehen wollten. Als Herr Motzke, der Vermieter, nach ihnen mit den unterschriftsreifen Verträgen aus der Wohnung trat, waren sie schon verschwunden. Im Erdgeschoss pfiff der junge Postbote anerkennend durch die Zähne. Der Boden im Keller war kalt und staubig. Er schlug mit dem Kopf gegen einen Balken, blutete an der Stirn. Das Vorhängeschloss machte ihm Probleme. Das Licht flackerte diabolisch. Er fand die Platte nicht gleich und hievte den ganzen Karton ins Treppenhaus, kippte ihn aus. Herr Motzke kam die Treppe herunter und bekam einen roten Kopf. Da war sie ja: Close to You, von 1995, including "Close To You", "Take Your Chance", "I wanna B with You" und "Pain". Er gab der Platte einen Kuss auf das "Nice Price"-Logo, schnappte sich noch die daneben eingeordnete "Kuschelrock 19" und spurtete wieder nach oben.

Völlig verschwitzt kam er in seiner Wohnung an, aber die Tür war verschlossen. Er klopfte zaghaft. Dann etwas lauter. Nichts passierte. Er klopfte richtig laut, kloppte gegen dir Tür wie ein Bekloppter, verdammt, er stand hier nackt im Treppenhaus vor seiner eigenen Wohnung! Die einzige, die einen Zweitschlüssel hatte, war Frau Schnepfer, aber ... er sponn den Gedanken nicht weiter. LASS MICH REIN! rief er. Dann sank er zusammen, schluchzend, kauernd, mantraartig vor sich hin murmelnd: I want to be with you. I wanna be so close to you. I wanna be so close to you. I wanna spend my night with you girl. I wanna spend my life with you girl. I wanna give my life to you girl. I wanna be so close to you girl.

Ein Blatt. Ein rotes Blatt. Es lag vor ihm auf dem Fußabtreter und guckte ihn fragend an. Ein zweites Blatt. Da noch eins. Die Rosenblätter lockten ihn zur Treppe. Nach unten. Warum hatte er sie eben nicht gesehen? Nur ein Blinder konnte so etwas übersehen, eine Hänsel-und-Gretel-Spur von Rosenblättern, die ein Stockwerk nach unten führten. Er folgte der Spur. Wahrscheinlich war er wohl blind, auf eine gewisse Art und Weise. Er klopfte zaghaft, aber die Tür war nur angelehnt. Er trat ein. In den Flur. Er schloss die Tür hinter sich, nahm sich das erstbeste Kleidungsstück vom Haken, es war ein Schal. Er versuchte, sich den Schal um den Unterleib zu binden, aber sein Lolli guckte immer darunter hervor, wie er es auch drehte und wickelte. Er hielt sich die Platte vor die Mitte. Die Rosenblätter lockten in das hinterste Zimmer im Flur. Aus dem ersten Zimmer guckte ein Mädchen. Sie war verlockend schön und schlug die Augen auf. Er ging vorbei. Aus dem zweiten Zimmer guckte wieder ein Mädchen. Sie war hinreißend schön und winkte mit dem Zeigefinger. Er ging schnell vorbei. Er hatte nicht mitbekommen, dass unter ihm eine Frauen-WG wohnte, sonst hätte er es sicher nicht soweit kommen lassen, dass er nackt, staubig, blutend und frierend durch deren Flur einen Rutenläufer mimte.

Aus der dritten Tür guckte eine Frau, die sehr der seinen ähnelte, die ihn vor einem Jahr verlassen und all seinen Lebenswillen mitgenommen hatte. Er ging so schnell vorbei, wie er nur konnte, obwohl sie flüsterte: Komm! Komm! Schützend hielt er sich das Plattencover vor die Augen.

Die letzte Tür war wieder nur angelehnt. Er wusste, dass er hier richtig war. Trat ein, schloss hinter sich die Tür, lugte durch das dünne indische Tuch, das hinter Tür flatterte, Mobiles klimperten, es roch nach Räucherstäbchen und Ingweröl. In der Ecke stand ein Plattenspieler. Er drehte sich mit 33 Umdrehungen pro Minute, leer. Man hörte nur ein leises Schwuppen, im Takt mit dem bebenden Atem der wahnsinnig hübschen Frau, die in leise Nebel gebadet auf einem japanischen Bett lag, in bunte Tücher gehüllt, vor sich eine Schale Obst, eine Schale Duftöl, Rosenblätter und ein Strick.

Noch während des Intros lag er schon bei ihr auf dem Bett. Arme, Beine, Tücher schlangen sich ineinander, Ölflaschen wurden geöffnet und Seile um Handgelenke gebunden. Die erste Seite der Platte war schon eine halbe Stunde abgeklungen, so lange hatten sie gestöhnt und sich aneinander gerieben und sich mit Fingern und Zungen und anderen Dingen erkundet, erforscht, geleckt und gevögelt.

Am nächsten Tag hatte sie einen Brief ihrer WG auf dem Küchentisch und er einen seines Vermieters im Briefkasten. Sie mussten beide die Briefe nicht öffnen, wussten auch so, dass es die Kündigung war. Für andere sah es aus wie der Stadtpark, wo sie hindurch gingen, aber für sie war es das brennende Feuer der Leidenschaft, gegen das die Hölle des Lebens mit einem Mal erschien, als wäre sie ein Ponyhof mit Bällchenbad. Händchenhaltend verschwanden sie im Sonnenuntergang ... nein, wenn man genau hinsah, war es eine Rosenhecke, hinter er sie verschwanden!


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.

Re: Auftragsarbeiten

Ich würde sagen: Aufgabe vollständig erfüllt!

Kannste diese Geschichte auch in realistisch umschreiben?

Re: Auftragsarbeiten

Jaja, das Ende ohne Schrecken. Das nimmt einem erstens keiner ab und zweitens wundern sich die Zuhörer, dass das von mir sein soll ...


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.