Gruppe Enigma - Texthaufen

Zeilenroman, neu II

Zeilenroman, neu II

Er war ein Mordstyp von Holländer. Ich traf ihn am Waschhaus. In einer seiner Pranken trug er ein winziges Kulturbeutelchen. Sein Bauch warf Schatten auf die Bodenfliesen. Ich wollte mich schon an ihm vorbei schleichen, da sprach er mich an. Sein Bass hallte in meinen Knochen wider.
„Are you sure, that you on the right way?“
Wie bitte? Ich schüttelte den Kopf. Wie konnte ich mir da jemals sicher sein?
Er fummelte am Reißverschluss jenes Täschchens herum, zog ihn schließlich - wie mir schien unter feinmotorischen Qualen- auf und versenkte zwei Wurstfinger in der entstandenen Öffnung. Dabei sprach er weiter.
„Then you have to take this...”, er reichte mir einen kleinen Gegenstand, den er aus den Untiefen des Behältnisses geholt hatte, “… Try it out. You will see…“
Was ist das, wollte ich fragen. Doch ehe ich mich versah, machte er seltsam behände kehrt und schritt von dannen. Da stand ich nun und starrte auf meine Handfläche. Das Etwas darinnen schimmerte zart violett.

Re: Zeilenroman, neu II

Eine Schmetterlingsbrosche mit rosanen Strasssteinen besetzt. Für einen Augenblick wollte ich das billige Schmuckstück auf Kaugummiautomatenniveau einfach in den staubigen Sand vor den Sanitäranlagen fallen lassen, oder es zumindest auf den mauerabsatz vor den Toilettenfenstern legen.
Da ich aber fürchtete, beobachtet zu werden und nicht unhöflich erscheinen wollte, steckte ich das Ding in die Hosentasche meiner Shorts.

Re: Zeilenroman, neu II

Es dauerte nicht lange, bis sich an meinen Schenkel ein kribbelndes Gefühl bemerkbar machte. Wie der Vibrationsalarm eines Mobiltelefons. Fluktuierend.
Irritiert nahm ich die Brosche aus der Tasche. Tatsächlich vibrierte sie nicht nur, sondern glühte in regelmäßigen Abständen auf wie die Orientierungslichter an einer Flugzeuglandebahn
Obwohl es mich ein wenig erschreckte, legte ich die Brosche vorsichtig vor mich hin. Fasziniert betrachtete ich sie.
Die Lichter liefen auf eine eigenartige Erhebung an der linken Seite der Brosche zu und schienen dort zu explodieren.


Frauen neigen zum Gegenteil.

Re: Zeilenroman, neu II

(Hihihi, Matthias, meinst du das ist ein Raumschiff?)

Re: Zeilenroman, neu II

Das weiß ich erst, wenn jemand eins daraus gemacht hat. :-)


Frauen neigen zum Gegenteil.

Re: Zeilenroman, neu II

Ich musste wohl schon einige Minuten auf dem Fußweg gesessen und auf das seltsame, blinkende Spielzeug gestarrt haben, als mich eine mädchenhafte Stimme aufschrecken ließ.
"Was hast du da?"
"Ein kleines Raumschiff, glaube ich", entgegnete ich. "Vermutlich aus Holland."
"Darf ich mal gucken?"
"Aber sicher doch!"

Vorsichtig, wie ein nasses Insekt, nahm das Mädchen die Brosche auf den Finger und besah sie von allen Seiten. Dann setzte sie sie langsam wieder ab.
"Das ist hübsch. Wo hast du das her?"
"Von dem Kaugummiautomat da hinten", log ich. Ich hatte keine Ahnung, warum ich das tat.

Plötzlich


Das ist eigentlich alles.

Re: Zeilenroman, neu II

spürte ich einen Schlag an meinem Kopf. Mir wurde schwarz vor Augen. Als ich wieder zu mir kam, schauten etwa zehn Kindergesichter von oben auf mich herab. Ich muss wohl zu Boden geglitten sein. Mein Schädel brummte. Ich fühlte etwas Kühles, Schmieriges an meiner Schläfe. Ein blondes Mädchen mit schokoladenverschmiertem Mund hielt mir das Klebrige feste gegen den Kopf. Neben mir lag ein Ball.
"Mama sagt immer: Kühlen!"
"Wo ist das Dings?"
"Du hast ne Beule!"
"Nein, ich meine die Brosche!"
"Welche Brosche?"
Ich rappelte mich auf. Die Kinder stoben auseinander und ich fummelte in meinen Hosentaschen herum. Sie waren leer.
"Bist Du auch aus Holland?"
Die Kleine begann mich zu nerven.
"Nein!"
"Warum verstehst Du mich dann?"
"Was?"
"Du sprichst Holländisch."

Re: Zeilenroman, neu II

Wie irre kicherten die Jungs und Mädchen um mich herum. Ich muss selten blöde ausgesehen haben.
"Den Witz macht sie ständig. Selten, dass ihn einer ernst nimmt", klärte mich ein für seine Körpergröße schon recht faltig aussehender Junge in einem zu großen Anzug auf. Er kaute auf einem Bleistift und hatte zwei weitere hinter seine zu großen Ohren geklemmt.
Lachend gingen die Kinder auseinander. Nur der Junge blieb und schaute mich mit durchdringendem Blick an, während ich nach wie vor nur verdutzt gucken konnte. Als die anderen Kinder außer Hörweite fügte er an: "Du hast keine Ahnung, wie knapp das eben war."

Er stand auf und deutete mit einem Nicken an, dass ich ihm folgen sollte.


Das ist eigentlich alles.

Re: Zeilenroman, neu II

Und während ich dem Bengel zögerlich folgte, während ich ein dezentes Bein-Nachziehen seinerseits innerlich notierte, während plötzlich alle Wohnwagentüren und auch Zeltreißverschlüsse in unmittelbarer Nähe von innen geschlossen wurden, ja, während all dem, begann es in meinem Kopf zu sausen und zu brummen. Die Geräusche wurden lauter, immer lauter, ein Schwindel kam hinzu und mir wurde übel. Ich zog das Kind zum nächsten Busch und erbrach mich, auf ihn stützend.

"Sustento que sorri, gajo!", hörte ich ihn sagen.
Doch ich verstand kein Portugiesisch, sah nur meine halbverdaute Pizza in den Dreck fallen.
"Aproximado, aqui. você tem que encontrar algumas pessoas importantes."
Er gab mir ein Taschentuch. Ich wischte mich sauber. Dann zog er mich weiter, fort vom Waschhaus, Richtung Strand.

Re: Zeilenroman, neu II

Die Sonne war am Untergehen und die Wolkendecke für einen Septemberabend an der Nordsee dick genug, die Lauheit (Läue?) des Abends noch ein Weilchen andauern zu lassen. Mich wunderte, dass außer dem Jungen im zu großen Anzug und mir keiner hier unterwegs war. Was machten die Menschen denn allesamt, wenn sie nicht am Strand rumhingen? Die Welt war ziemlich seltsam geworden seit der Erfindung des Fernsehers.

Der Junge hatte inzwischne seinen Anzug aufgeknöpft und spitzte hektisch an einem seiner Bleistifte. "Zeigst du mir das Spielzeug von vorhin nochmal?" Seine Stimme klang blechern. Ich erklärte ihm, dass ich es nicht mehr hätte, jemand müsse es mir abgenommen haben, als ich bewustlos war. Ich hatte kaum den Satz beendet, da schlug mich der Junge heftig ins Gesicht. Ich taumelte zu Boden und konnte mich gerade noch an irgendeinem Pfahl festhalten, als der Junge mir auf die Finger und anschließend noch in den Bauch trat, so dass ich hilflos zu Boden sank, die Hände schützend vor dem blutenden Gesicht. Was sollte das? Der Typ war höchstens zehn, aber was der machte, das tat verdammt weh. "Rück das Teil raus oder es gibt


So. 28.9., 20 Uhr: Punkpoet David von N., Kulurbaron Henning C. und Kampflyriker Johannes W. im Kleinen Museum (Grotestraße 10) ---> X

Re: Zeilenroman, neu II

mit dem Bleistift ins Auge!", brüllte er mich an.
"Du bist ja ganz schön kräftig für Dein Alter.", presste ich unter Schmerzen heraus ohne ihn anzusehen.
"Kräftig? Ich bin zehn, das ist doch normal", erwiderte er verwundert und betrachtete seine Hände. Etwas verunsichert fügte er hinzu: "Bei uns sind jedenfalls alle so."
"Bei euch?"
"Lenk nicht ab! Rück's endlich raus! Es ist enorm wichtig für mich." Etwas Getriebenes klang aus seiner Stimme.
Obwohl es erst einen Moment her war, hatte ich das Gefühl, dass seit unserem ersten Kontakt Monate vergangen waren. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, von welchem Gegenstand er überhaupt sprach. "Was soll ich denn überhaupt rausrücken?"
"Na, das... ich... ich weiß es nicht mehr..." Verzweiflung lag in seinem Gesicht. Flehend sah er mich an. "Bitte. Gib es mir. Ich weiß, dass es wichtig war."
"Soll das heißen, wir BEIDE wissen nicht mehr, warum du mich eben zusammengeschlagen hast?" Im Gegensatz zu dem, was er von mir haben wollte, war der Schmerz noch sehr präsent.
Er blickte zu Boden. "Ein Reflex. Tut mir leid." Das schien er ehrlich zu meinen. Vorsichtig streckte er mir die Hand entgegen. "Ich heiße... verdammt!"
"Du heißt "Verdammt"?"
"Ich... nein... mir fällt mein Name nicht mehr ein."
"Du wirst doch noch Deinen Namen kennen. Schließlich hab nicht ich Dir, sondern Du mir auf den Kopf geschlagen. Ich weiß doch auch, dass ich... Moment... Mein Name ist... Verdammt!"
Jetzt fing er an zu lachen. "DU heißt also auch "verdammt"? Mit Vor- oder mit Nachnamen? Wenn's der Nachname ist, sind wir vielleicht verwandt."
Er hatte zwar sein Gedächtnis verloren, aber offensichtlich an Humor gewonnen.
"Wir müssen das Buch finden, das Buch, in dem alles drinsteht. Auch unsere Namen."
"Ein... guter Plan...", sagte er und sah mich dabei an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Wer wollte es ihm verdenken. Es klang ja auch für mich sehr merkwürdig und ich wusste selbst nicht, warum ich das gesagt hatte. Aber irgendwo drinnen wuchs bei mir die Überzeugung, dass ein eben solches Buch gibt. Vielleicht auch ein Heft, ein Zettel oder irgendeine andere Form der Aufzeichnung, wo all diese Informationen zu finden waren. Und ich wusste nicht, wo es herkam, als ich mich sagen hörte: "Wir müssen es finden, bevor die Gießkanne alles löscht."
Wer wiederum war diese Gießkanne, von der ich sprach. Der Satz klang in mir nach, ohne dass ich ihm einen Sinn entlocken konnte. Da hörte ich aus der Ferne einen Gesang näher kommen...

Re: Zeilenroman, neu II

Aus der Tatsache, dass mich die singende Mädchenstimme sofort verzauberte, die ich von irgendwo hinter der Düne wahrnahm, schloss ich, dass ich ein Mensch war. Das war schon mal ein Beginn, und dann wäre es doch gelacht, wenn ich nicht auch auf meinen Namen käme. Irgendwas mit E ... Egon oder so. Nein, ich glaube Eduard. Eduard Mahlmann, das war's! Ich wunderte mich nun nicht mehr nur darüber, warum ich ihn vergessen und über Gieskannen schwadroniert hatte, sondern auch, warum ich auf einmal wieder klar im Kopf war. Vielleicht kam es von dem portugiesischen Essen, das mir offenbar nicht bekommen ist. Oder es waren Strahlen am Werk. Es schien mir noch ein bisschen früh, die Überlegung meinem kleinen, gewalttätigen Begleiter auf die Nase zu binden. Dieser schien das singende Mädchen gar nicht zu bemerken, möglicherweise für Naturgeräusche zu halten wie das Rauschen des Meeres oder das Kreischen der Möwen. Ich hatte keine Ahnung, was hier gespielt wurde, also beschloss ich, es herauszufinden.

"Riechst du das, ähm, Verdammt?" fragte ich meinen Schatten.
"Was ist riechen?" entgegnete dieser. Das war ja einfach! "Und ich heiße nicht Verdammt, glaube ich. nenn mich doch einfach ..."
"Andy!" warf ich ein, "wie Android. Nicht wieder schlagen, aber: Du bist doch ein Android, oder?"


Das mit dem Autor ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert.