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Beschluss: Den Kampf gegen Studiengebühren auf eine breitere Basis stellen"

Beschluss: Den Kampf gegen Studiengebühren auf eine breitere Basis stellen"

"Beschluss der Juso-Hochschulgruppen: Den Kampf gegen Studiengebühren auf eine breitere Basis stellen"

29.06.2004: Beschlossen auf dem Bundeskoordinierungstreffen vom 25.-27. Juni 2004 in Leipzig

Der Kampf gegen Studiengebühren geht in immer neue Runden. Dabei versuchen die BefürworterInnen von Gebühren mit immer neuen Modellen angeblich "gerechte" oder "intelligente" Studiengebühren zu implementieren. Um diesen Modellen entgegnen zu können ist eine Positionierung der Juso Hochschulgruppen von Nöten, die über die bisherige Beschlusslage deutlich hinausgeht. Die GebührenbefürworterInnen, die sich mehr und mehr auch in der SPD wieder finden, müssen auf der Ebene angegriffen werden, auf der sie argumentieren.

Das zentrale moralische Argument ist das Gerechtigkeitsargument. Hier versuchen die GebührenbefürworterInnen mit dem Modell der nachlaufenden Studiengebühren Land zu gewinnen. Es soll suggeriert werden, dass nur zahlen muss, wer viel verdient. Damit sollen die Studierenden und ihre Vertretungen als BesitzstandswahrerInnen dargestellt werden, die erst lange Studieren und später nichts davon abgeben wollen. Damit glauben die BeführworterInnen der Gebühren einen Keil zwischen Studierende und andere soziale Gruppen wie etwa Arbeitslose, ArbeitnehmerInnen, SozialhilfeempfängerInnen, RentnerInnen usw. zu treiben. Es ist schließlich nicht von der Hand zu weisen, dass AkademikerInnen durchschnittlich mehr verdienen als nicht AkademikerInnen. Bei einem massiven Sozialabbau, der als alternativlos dargestellt wird, sei es nur "gerecht", wenn auch StudentInnen ihren Beitrag leisten würden. Die nachlaufenden Studiengebühren suggerieren ferner, dass erst einmal alle Studieren können. Damit haftet ihnen nicht der Makel der sozialen Selektivität an. Die Juso Hochschulgruppen wissen um die Gefährlichkeit solch populistischer "Argumente". Diese Propaganda, entfacht von der bürgerlichen Journaille, den VertreterInnen fast aller Parteien und den ArbeitgeberInnenvertreterInnen werden wir nicht erliegen. Vielmehr halten wir folgende Argumente dagegen:

Studiengebühren sind auch dann nicht gerecht, wenn sie nachgelagert erhoben werden. Zum einen diskriminieren sie Gruppen, die im Durchschnitt länger für die Rückzahlung benötigen werden. Dies sind zu einen Personen, die nicht-marktgängige Studiengänge studieren und zum anderen Frauen, die im Schnitt noch immer weniger verdienen als Männer. Ein Blick auf entsprechende Erfahrungswerte in anderen Ländern, in denen Studiengebühren erhoben werden, belegt dies eindeutig.

Auch wenn die Rückzahlung limitiert ist, sind nachgelagerte Studiengebühren nicht gerecht, da es in verschiedenen gesellschaftlichen Schichten eine unterschiedliche Verschuldungsbereitschaft gibt. Nicht von ungefähr hat die Bundesregierung im Jahr 2001 die Höchstgrenze der BAföG-Schulden auf 10.000 Euro begrenzt, um Menschen aus bildungsfernen Schichten nicht vom Studium abzuschrecken.

Nachlaufende Studiengebühren verändern den Bildungsbegriff. Sie sorgen dafür, dass das Studium zu einer Investition in das eigene Humankapital wird. Schon die Studienplatzwahl erfolgt dann unter einem Investitionskalkül. Die Rückzahlungssorgen im Nacken werden Studierende sich dann für marktgängige Studiengänge entscheiden, was als Relevanzmaßstab für Bildung abzulehnen ist.

Studiengebühren, auch in nachlaufender Form, verschieben die Relevanzkriterien. Entscheidend ist dann nicht mehr der gesellschaftliche Nutzen sondern die ökonomischen Verwertungsmöglichkeiten. Damit dienen Studiengebühren der Festigung des herrschenden Systems, da es kaum noch möglich sein wird, Innovationen oder gar revolutionäre Erkenntnisse zuzulassen. Studiengebühren sind innovationsfeindlich, da es immer schwieriger wird, bei einem stetig steigenden individuellen Rückzahlungsdruck von der herrschenden Lehre abzuweichen.

Auch angebotsseitig werden nachlaufende Studiengebühren eine Verhaltenänderung hervorrufen. Die Hochschulen müssen versuchen die Rückzahlung sicherzustellen. Dies können sie auf zwei Arten: Zum einen können sie die Zulassung an die entsprechende ökonomische Potenz der Studierende knüpfen, sich also Sicherheiten geben lassen oder sie werden das Studienangebot an Marktkriterien ausrichten, um möglichst viele Studierende in gut dotierte Jobs zu bekommen. Zudem werden die Hochschulen versuchen, günstige Massenstudiengänge anzubieten, um das Ausfallrisiko zu minimieren. Innovative Studiengänge, die sich ihre Nachfrage noch schaffen müssen, oder kritische Studiengänge, die explizit Probleme des kapitalistischen Systems benennen, werden außen vor bleiben.

Ein weitere Argument der GebührenbefürworterInnen sind die viel zitierten leeren Kassen und die schlechte Ausstattung der Hochschulen. Dazu stellen die Juso Hochschulgruppen fest:

Studiengebühren werden keinen Cent mehr an die Hochschulen bringen. In jedem kapitalistischen Land haben die Studiengebühren dazu geführt dass die öffentliche Finanzierung in dem Masse zurückgefahren wurde, wie Studiengebühren eingenommen wurden. Da bildet auch das "Referenzland" Australien keine Ausnahme. Studiengebühren sind Geschenke an die FinanzminsterInnen, auch Zusicherungen über einen garantierten Beitrag des Staates sind letztlich nicht mehr als hohle Versprechungen, da aufgrund der Haushaltshoheit der Parlamente keine Finanzierungszusagen über einen längeren Zeitraum gegeben werden können.

Die öffentlichen Kassen sind nicht wegen der Studierenden oder derer, die auf soziale Unterstützungsleistungen wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter etc. des Staates angewiesen sind, leer, sondern wegen einer verfehlten Steuerpolitik. Für die Entlastung der Unternehmen hat rot-grün allein im Jahr 2001 bei der Körperschaftssteuer 24 Milliarden Euro mobilisiert, im Rahmen der Einkommenssteuerreform wurden die reicheren Haushalte um weitere 20 Milliarden Euro entlastet. Auch die permanente Senkung des Spitzensteuersatzes reist nicht vertretbare Löcher in die Kassen der öffentlichen Hand. Gerade einmal eine Milliarde Euro wollen diverse Gebührenfans mit Gebühren einnehmen - daran wird die Scheinheiligkeit der Debatte deutlich. Deutschland ist als Volkswirtschaft heute so reich wie nie zuvor, nur dass dieser Reichtum falsch und ungerecht verteilt ist.

Die Argumentation der leeren Kassen ist ein Totschlagargument, das für allerlei Maßnahmen als Begründung herhalten muss: Streichung des Arbeitslosengeldes, Kürzung der Renten, Einführung von Studiengebühren, Repressionen gegen Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen. Es ist dennoch unseriös und falsch und lediglich ein gewolltes Instrument der herrschenden Klasse zur Durchsetzung ihrer Interessen.

Die Juso Hochschulgruppen solidarisieren sich ausdrücklich mit den sozialen Gruppen, die wie die Studierenden die Gewinne des Kapitals finanzieren sollen. Es darf keine Spaltung geben unter denjenigen, die man versucht, gegeneinander auszuspielen. Angesichts dieser Situation stellen die Juso Hochschulgruppen folgende Forderungen auf, die weit über die reine Studiengebührenproblematik hinausgehen.

Die Verankerung eines bundesweiten Studiengebührenverbotes im HRG und die Rücknahme aller schon bestehenden Gebühren. Zudem fordern wir die Länder, die gegen das 6. HRG-Änderungsgesetz klagen auf, an einem einheitlichen Gebührenverbot mitzuwirken. Denn gerade die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat abermals die soziale Selektivität des deutschen Hochschulsystems erwiesen. Wenn Menschen aus bildungsfernen Schichten an die Hochschulen mobilisiert werden sollen, benötigen sie Verlässlichkeit und Planungssicherheit, dass ein Studium finanzierbar ist.

Durch fiskalpolitische Maßnahmen muß der Spielraum des Staates zur Förderung der Bildung und Fortentwicklung der Sozialpolitik massiv erhöht werden. Mögliche Maßnahmen sind:

- Die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf mindestens den alten Satz von 48%. Die von der großen Koalition beschlossene Einkommenssteuerreform hat die Reichen doppelt entlastet, auch die Senkung des Eingangssteuersatzes kommt denjenigen zu Gute, die über mehr finanzielle Mittel verfügen. Eine doppelte Entlastung ist ungerecht. Wir Juso Hochschulgruppen wollen eine Gesellschaft, zu der alle nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit beitragen. Eine reine Entlastung der SpitzenverdienerInnen trägt führt lediglich zur Kapitalbildung bei dieser Gruppe, eine Steigerung der Binnennachfrage, die letztlich zu mehr Arbeitsplätzen und damit zu einem wachsenden Spielraum des Staates führen würde, erfolgt nicht.
Die Anhebung der Körperschaftsteuer auf mindestens 35%. Auch die Reform der Körperschaftssteuer hat nur die Reichen, die von Unternehmensgewinnen profitieren, entlastet. Es ist für die Juso Hochschulgruppen nicht nachvollziehbar, dass von einer sozialdemokratisch geführten Regierung die UnternehmerInnen massiv entlastet und zeitgleich sozial Schwachen, wie z.B. Arbeitslosen, die Unterstützung massiv entzogen wird. Auch das Argument der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen ist ein Totschlagargument: Der deutsche Körperschaftssteuersatz gehört im internationalen Vergleich zu den niedrigsten, Deutschland wird wieder und wieder zum "Exportweltmeister".
Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Wenn der Staat seine Handlungsfähigkeit wiedergewinnen möchte, führt kein Weg an einer Versteuerung der großen Vermögen vorbei. Ein Blick auf die Verteilung des Vermögens in Deutschland macht deutlich: Die reiche Hälfte der Bevölkerung verfügt über 95,5 Prozent des Vermögens. Dieses Kapital steht nicht für einen gesellschaftlichen Fortschritt zur Verfügung, da es nur angespart wird und weder für Investitionen noch für eine Steigerung der Binnennachfrage zur Verfügung steht.
Eine massive Anhebung der Erbschaftssteuer. Die Erbschaftssteuer muss gleiche Ausgangsbedingungen herstellen, d.h., sie muss über eine langsame Verstaatlichung der Großvermögen den Handlungsspielraum des staatlich organisierten Ausgleiches erhöhen. Dabei geht es nicht um eine Besteuerung von kleineren Privatvermögen, sondern um einen gerechten Beitrag derer, die finanziell mehr für die Gesellschaft leisten können.
Eine Aufkündigung der Maastricht-Kriterien zur Schuldenbegrenzung. Die Sinnhaftigkeit staatlicher Nachfragepolitik in Zeiten der Depression ist nicht von der Hand zu weisen. Insofern macht einer Obergrenze bei der Verschuldung hier keinen Sinn. Aus diesem Grund verwehren sich die Juso Hochschulgruppen auch gegen alle Forderungen, die Maastricht-Kriterien in die europäische Verfassung aufzunehmen: Neoliberale Wirtschaftspolitik darf nicht zum Teil einer Grundlage werden, die für die Zukunft der gemeinsamen Politik der europäischen Länder bindend ist.

Alle Forderungen der Juso Hochschulgruppen sollen helfen, den staatlichen Handlungsspielraum wieder zu erhöhen. Die Juso Hochschulgruppen sich dabei Seit an Seite mit den anderen sozialen Gruppen, die unter der derzeitigen Politik leiden. Ein menschenwürdiges Leben, Gesundheit und eben auch Bildung darf nicht dem Markt überlassen werden. Vielmehr geht es darum, Verteilungsspielräume durchzusetzen und perspektivisch das System des Kapitalismus zu überwinden.