Wie würdest Du eine Pflanze benennen, die zwar eindeutig einer Gattung, aber beispielsweise mangels einer Blüte nicht sofort zweifelsfrei einer Art zugeordnet werden kann. Feldsammler so habe ich jedenfalls gehört - verwenden hier schon mal die Abkürzung aff., also z.B. Huernia aff. zebrina, wenn es sich mutmaßlich um die Art zebrina handelt. Ist das aus Deiner Sicht nomenklatorisch vertretbar?
Vielen Dank.
Gruß
Detlef
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
Moin Detlef,
im Prinzip ist deine Frage leicht zu beantworten. Es gibt eigentlich nur eine sehr begrenze Anzahl von Abkürzungen, die allerdings gelegentlich mal nicht korrekt verwendet werden. Ich versuche es mal dein Beispiel von Huernia zebrina aufzugreifen.
Huernia zebrina
Die zoologische und botanische Namensgebung für eine Art setzt sich basierend auf Linnés Werken aus zwei Wörtern zusammen. Diese sogenannte binominale Nomenklatur führt zuerst den Gattungsnamen (genus) auf, dem der eigentliche Artname (species) folgt. Im Prinzip gehören zu einem wirklich vollständigen Artnamen auch die Angabe des Autors und das Publikationsjahr des Artnamens etc. Bei Huernia zebrina haben wir also als Gattung Huernia und als Artepithethon zebrina.
Huernia sp. Die Abkürzung sp. oder auch spec. bedeutet species und hier, dass es sich um irgendeine, nicht näher bestimmte Art aus der Gattung Huernia handelt. Die Empfehlung des Codes ist wohl die Abkürzung sp. für Art und nicht spec.; auf jeden Fall in der Zoologie.
Huernia spp.
Hierbei ist die Abkürzung spp. für species im Plural zu verstehen, es handelt sich also in diesem Zusammenhang um mehrere, nicht näher bestimmte Arten aus der Gattung Huernia.
Huernia cf. zebrina
Die Abkürzung cf. leitet sich aus dem Lateinischen für conferre ab und wäre in diesem Zusammenhang wohl am ehesten mit vergleiche zu übersetzen. Bei der Verwendung soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das es sich hier um einen morphologisch abweichenden Klon handelt, dem allerdings kein eigener Artstatus zukommt. Bei der Verwendung wird cf. bei der Determination einzelner Exemplare gern benutzt, um eine Unsicherheit des Bestimmungsergebnisses auszudrücken. Hält man sich also beispielsweise ein Exemplar von Huernia confusa vor Augen und bezeichnet diese als Huernia cf. zebrina, so bleibt man als Taxonom immer auf der sicheren Seite, da man ausdrückt, dass das Exemplar zwar von dem, was unter dem Artnamen Huernia zebrina zusammengefasst wird, abweicht, man allerdings nie ganz ausschliesst, dass es eventuell doch eine eigene Art handeln könnte.
Huernia zebrina cf. zebrina
Das Gleiche mit Bezug auf die Kategorie Unterart, findet aber nur selten Verwendung.
Huernia aff. zebrina
Die Kurzform aff. leitet sich von affine ab und bedeutet soviel wie verwandt mit. Hierbei soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich um eine eigenständige Art handelt, die allerdings Huernia zebrina sehr ähnlich ist. Leider wird aff. aber nie wirklich so gebraucht, sondern eher wie das gegenteilige cf. Der Bestimmer ist unsicher, was er vorliegen hat, besitzt zugleich ein sehr eingeschränktes Artkonzept und gibt dann zu verstehen, dass es eine neue Art sein könnte. Solches Vorgehen ist zum Beispiel bei Specks zu beobachten. Vieles was etwas unsicher in der Bestimmung erscheint, wird gleich als aff. sowieso angeboten, was eigentlich als cf. sowieso bezeichnet sein sollte. Sicherlich verkaufsfördernder, aber in meinen Augen nicht korrekt.
Huernia zebrina aff. zebrina
Dies wäre der Ausdruck für eine Huernia zebrina zebrina verwandte Unterart
Huernia sp. n. oder spec. nov.
Hier ist eine neue, bisher unbeschriebene Art (species nova) der Gattung Huernia gemeint. Die erste Abkürzung würde zumindest in der zoologischen Nomenklatur richtiger. Wird von Händlern auch gern verwendet, vor allem, wenn sie morphologisch Abweichende Exemplare anbieten. In diesem Zusammenhang ist in vielen Fällen aber gar nicht gesagt, das es sich tatsächlich um neue Arten handelt.
Huernia zebrina sp. n. ( spec. nov.)
Diese Abkürzung brächte in einer wissenschaftlichen Publikation zum Ausdruck, dass an dieser Stelle die neue Arte (species nova) beschrieben wird. An keiner anderen Stelle und in keinem anderen Zusammenhang ist diese Abkürzung gültig und sollte eigentlich nicht üblich sein. Leider werden auf diese Weise unbeschriebene Arten angeboten, deren Name allerdings nicht oder noch nicht gültig ist. Hatte ich schon Specks erwähnt?
Huernia zebrina insigniflora ssp. n. ( subspec. nov.)
Dies wäre die richtige Darstellung in einer hypothetischen Erstbeschreibung der neuen Unterart (ssp., subsp., subspecies) insigniflora. Wäre dies die erste Abgrenzung einer Unterart von zebrina, so würde als nomenklatorischer Akt auch der Name Huernia zebrina zebrina gültig sein, auch wenn er in der hypothetischen Beschreibung von der ssp. insigniflora gar nicht erwähnt werden müsste. (Das wäre jedenfalls in der zoologischen Nomenklatur so.)
Huernia zebrina subsp. insigniflora (C. A. Maass) Bruyns comb. et stat. nov.
das steht in neuem Stapeliads von Bruyns. Das bedeutet soviel, daß in der vorliegenden Publikation durch Bruyns erstmalig das zuerst von C. A. Maass beschriebene Epitheton insigniflora sowohl auf den Rang einer Unterart gesetzt als auch zugleich als solche mit Huernia zebrina kombiniert wird. Ich halte in diesem Zusammenhang (aus Zoologensicht) die Abkürzung subsp. für zu lang und eigentlich für überflüssig.
Huernia spec. zebrina
in der Anfrage aufgeführt ist nicht korrekt. Entweder wird irgendeine Art der Gattung Huernia bezeichnet oder genau und einzig Huernia zebrina. Auf Etiketten ist eine solche Schreibweise regelmäßig zu finden, wenn keine Determination vorliegt oder diese unsicher oder aber nachträglich das Artepitheton dazu geschrieben wurde. Für eine unsichere Determination wäre allerdings Huernia cf. zebrina angebrachter.
Huernia sp. zebrina
ebenfalls in der Anfrage zu lesen. In meinen Augen ist sp. noch immer die vorzuziehende Abkürzung. Inhaltlich wäre das gleiche zu sagen wie vorangehend.
Huernia zebrina var. A / f. A
Und da gibt es noch das Thema Varietas (var.) und Forma (f.). Die supraspezifischen Kategorien Variation und Form geben reichlich Spielraum jegliche morphologische Abweichung zu beschreiben. Diese haben aber nicht mehr viel mit Systematik zu tuen.
Beste Grüße
Carallümmel
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
Hallo Carallümmel,
herzlichen Dank für Deine sehr ausführliche und interessante Abhandlung. Hoffe, dass auch andere Forumsteilnehmer davon profitieren. Was mich betrifft, so hat sich Deine Arbeit gelohnt - Ich habs kapiert :-) Gruß
Detlef
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
Moin Detlef,
durch Zufall habe ich gesehen, dass du deinen Originalbeitrag gelöscht und durch eine neue Frage ersetzt hast. Das macht das Thema für den Leser leider etwas schwerer nachvollziehbar.
Im Prinzip haben wir es bei deiner neuen Frage mit einem grundlegenden Problem zu tuen, dass ich vielleicht nicht auf Anhieb eindeutig erklären kann.
Die Benennung einer Pflanze im Sinne einer Art, d.h. in ihrer biologischen Gesamtheit als isolierte Fortpflanzungseinheit mit allen Induviduen und ggf. auf einer Zeitachse wir durch den Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur reglementiert und durch eine entsprechende Kommission editiert (http://www.bgbm.org/iapt/nomenclature/code/SaintLouis/0001ICSLContents.htm). Diese Regeln umfassen die Form der Namensgebung und vor allem das Vorgehen dabei. Wenn aber ein Taxonom nur ein einzelnes Individuum determiniert, ordnet dieser es einem Taxon zu, das auf möglichst niedriger Rangstufe liegt. Ein Taxonom, welcher also ein Exemplar von Huernia zebrina den Bedecktsamern (Klasse Dicotyledonae) zuordnet arbeitet weniger effektiv als wenn er dieses als in der Kategorie Art Huernia zebrina zugehörig erkennt. Dabei wird aber keine die Nomenklatur betreffende Handlung vorgenommen. Wenn ein Taxonom allerdings Pflanze als einem neuen, bisher unbekannten Taxon z.B. auf der Rangstufe einer Art zugehörig erkennt, kann er dieses unter Berücksichtigung der Nomenklaturregeln benennen. Die Benennung basiert dann zwar auf einem einzigen Typusexemplar (Holotypus), das stellvertretend für die in der Praxis nicht greifbare biologische Art beschrieben wird. Der nomenklatorische Akt erfolgt nur in Form einer Publikation im Sinne des Codes. Was ein Sammler im Feld oder im Gewächshaus macht, ist also nicht einmal zweitrangig, es betrifft niemals die Nomenklatur. Jeder kann auf seine Etiketten schreiben was er will und auch in seine Tausch- oder Verkaufslisten. Dies betrifft auch Bezeichnungen wie cf. oder aff. Die Abkürzungen gehören zum Handwerkszeug eines Taxonomen, denn er kann so Individuen mit einem vorläufigen Bestimmungsergebnis kenntlich machen und auch in dieser Form publizieren ohne, dass es eben die Nomenklatur betrifft. Die Abkürzungen finden im Code nicht Erwähnung oder sind gar reglementiert. Um deine Frage dann also zu beantworten: Die Verwendung von aff. oder cf. vor einem Art- oder Unterartepitheton ist nomenklatorisch vertretbar, da es sie nicht betrifft. Zu deinem Verständnis: cf. wird verwendet, wenn es sich mutmaßlich um die nachfolgend genannte Art handelt, das Exemplar aber abweichend ist; aff. wird verwendet, wenn das Exemplar definitiv etwas anderes ist, als die folgend genannte Art, aber doch sehr ähnlich ist. Die Benutzung von cf. steht eigentlich vor dem Hintergrund eines weiten Artkonzeptes, d. h. einer hohen Variabilität, dagegen aff. in der Regel vor dem Hintergrund eines sehr begrenzen Artkonzeptes, d. h. einer geringen Variabilität. Einige verwenden allerdings aff. in Sinne einer vorläufigen Benennung, also sieht so aus wie. Das mag vielleicht bei Botanikern gängig sein, in der Entomologie jedenfalls nicht. Eine neue Art zu beschreiben benötigt unter Umständen mehrere Jahre und erfordert einen hohen Aufwand, um argumentativ den Status aufgrund morphologischer, genetischer, chemischer oder sonstiger biologischer Argumente nachvollziehbar begründen zu können. Es ist daher aus nomenklatorischer Sicht durchaus sinnvoller eine möglicherweise neue Art zunächst als Huernia aff. zebrina zu führen und so auch in einer Publikation zu erwähnen, als gleich einen neuen Namen auf den Markt zu werfen, der keine Anerkennung findet und nach wenigen Jahren wieder synonymisiert wird. Ich habe natürlich in meiner Sammlung auch zahlreiche Ascleps,bei denen ich mir nicht sicher bin, um was es sich letztendlich handelt (leider viel zu viele). Dies betrifft besonders die eingeschlichenen Hybriden aus eigenen Aussaaten, aber auch solche Exemplare mit Feldnummer, die aufgrund von Beschreibungen nicht eindeutig zuordbar sind. Diese werden in der Regel mit cf. etikettiert. Manchmal schreibe ich auch nur ein Fragezeichen hinter den Artnamen aufs Etikett. Bei einigen Pflanzen stecken auch mehrer Etiketten, die den Namen wiedergeben, so wie ich das Exemplar erhalten haben, den Namen, wie er nach aktueller Nomenklatur lauten müsste und ggf. noch eine eigene Einschätzung. Grüße Carallümmel
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
...und noch einmal. Momentan ist am Schreibtisch noch immer der kühlste Ort hier, so daß ich noch kurz auf den ersten Teil der Frage eingehen kann. Normalerweise etikettiere oder benenne ich Pflanzen, von denen ich mangels Blüte die Art nicht erkenne gar nicht weiter, solange es nicht aus irgendeinem Grunde notwendig sein sollte. Da bin ich einfach faul. Das bedeutet nicht, dass alle sonstigen vorliegenden Informationen nicht festgehalten werden. Kürzlich erhielt ich von einem Sammler, der mit seinem ganzen Gewächshaus umziehen musste eine Kiste voller Ceropegientriebe, die beim Verpacken angefallen waren und sonst zum Kompost gegangen wären. Die einzelnen Triebe wurden zum Bewurzeln getopft und jeweils mit Etikett versehen. Dabei wurden Herkunft, Eingangsdatum (Monat und Jahr) sowie Ceropegia sp. notiert, auch wenn schon Vermutungen über eine Artzugehörigkeit vorhanden waren. Sammelnummern habe ich keine. Mit der Herkunftsangabe kann ich später einzelne Klone unterscheiden. Eindeutig bestimmte Exemplare werden nachetikettiert. Aber Ratespiele oder Vermutungen, die ich zu jedem Zeitpunkt auf gleicher Grundlage machen könnte, werden unterlassen. Sollte ich aber einen Ableger weitergeben sollen, dann könnte es einen Sinn ergeben eine vorläufige Diagnose auf einem Etikett festzuhalten, wie zum Beispiel als Ceropegia cf. ampliata.
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
Hallo Carallümmel,
Du hast selbstverständlich Recht. Meinen Originalbeitrag habe ich dann auch nicht absichtlich, sondern leider versehentlich gelöscht. Weiß auch nicht, was mich da geritten hat muss die sommerliche Hitze gewesen sein. Ursprünglich hatte ich eine Frage nach verschiedenen Nomenklatur-Abkürzungen gestellt, und zwar cf. und aff. sowie sp. und spec. U.a. stellte ich fest, dass diese Abkürzungen häufig nicht konsistent verwendet werden und nach deren korrekten Anwendung gefragt, worauf Du den äußerst informativen Beitrag verfassst hast.
Auch Deine letzten Postings sind sehr lehr- und hilfreich. Das ganze Nomenklatur-Thema scheint doch komplizierter zu sein, als ich dachte. Du hast Licht in die Sache gebracht. Vielen Dank dafür. Hoffe, ich kann mich mal revanchieren.
Gruß
Detlef
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
Hallo Caralümmel, Detlef,
danke für die erhellenden Beiträge. Habe sie mir gleich rauskopiert.
Volker
Re: Nomenklatur-Abkürzungen
hallo,
hab hier dieses alte thema entdeckt und muss nochmal was ansprechen:
immer wieder begegnet man der abkürzung ssp. (nicht nur sp. oder spp.) - ist damit womöglich eine nicht näher bezeichnete subspezies gemeint?