Ruhe sanft!
Ich bin bestimmt nicht zimperlich und das eine oder andere Mal schlage selbst ich gern über die Strenge und es macht mir Spaß, ein kleines Bisschen zu provozieren.
Was ich aber vor einigen Tagen am Set erleben musste, ging selbst mir entschieden zu weit.
Wir drehten auf einem Friedhof für eine Krimiszene. Für mich ist ein Friedhof ein Ort der Ruhe und ein Ort, auf welchem ich Rücksicht auf die Toten und deren Angehörigen zu nehmen habe.
Das ist einfach eine Respektssache!
Normalerweise ist es nicht erlaubt, diesen Friedhof mit Fahrzeugen zu befahren. An diesem Tag schien jedoch von der Stadt eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden zu sein - für Geld geht in diesem Land eben doch alles und so kam es, dass bereits am frühen Morgen ein buntes Treiben am Ort "der letzten Ruhe" herrschte.
Sämtliche Produktionsfahrzeuge parkten auf dem Platz vor der kleinen Kapelle wild durcheinander, überall lagen Kabel, Schläuche und fröhliches Gelächter tönte von Grab zu Grab.
Als Aufenthaltsraum für Team und Darsteller wurde die kleine Andachtskapelle zweckentfremdet, in welcher normalerweise die Angehörigen einen letzten Abschied von ihrem Verstorbenen zu nehmen pflegen. Die Orgel wurde abgehängt und auf dem stabilen Holzgestell (auf dem normalerweise der Sarg plaziert wurde) standen oder lagen nun leere oder halbvolle Plastikbecher. Der Altar diente nun den Komparsen als Ablage für ihre Garderobe und es herrschte volksfestartige, gute Stimmung. Gesangbücher dienten als Schreibunterlage für MECON-Fragebögen und die kleine Kanzlei, von welcher der Pfarrer in der Regel tröstende Worte, an die Angehörigen sprach - sie diente den Komparsen jetzt als Umkleidegarderobe.
Das Motiv
Das Motiv war ein Grabstein mit der Aufschrift einer bereits 1982 Verstorbenen. Da unser Filmtoter aber Florian hieß, wurde der Stein einfach umgedreht. Teammitglieder warfen ihre Zigarettenkippen (mangels zur verfügung stehende Aschenbecher) einfach irgendwo in die Plfanzen. dicke Kabel und die Scheinen der Dolly wurden einfach über benachbarte Gräber gelegt. Requistiten und anderen Kleinkram legte man auf Grabsteine, weil der Rasen am Morgen noch naß vom Tau war.
Schwerbeladene Rollcontainer versperrten die Friedhofswege, man musste sich seine Wege suchen. Als einfachste Abkürzung für die Teammitglieder erwieß sich dann das "Grab des unbekannten Soldaten" aus dem letzten Weltkrieg. Bestimmt 50 x liefen die Herrschaften direkt über sein Grab.
Irgendwann war bei mir der Punkt, an dem ich die Aufnahmeleitung darauf ansprach: MUSS DAS DENN WIRKLICH SEIN???????????????
Zur Antwort bekam ich nur ein verlegenes Kopfschütteln.
Die absolute Härte war dann, als ich die Hauptdarstellerin in der Mittagspause dabei erwischte, wie sie mit bloßen Fingern dabei war, aus dem Komparsenessen die Fleischbrocken einzeln herauszupulen, während hinter ihr die anderen Komparsen in der Schlange anstanden.
Auf meine Frage, ob ich ihr vielleicht meine Gabel leihen dürfte, guckte sie nur blöd.
Boah, der Dreh war echt krass!