ich bin seit über 30 Jahren Komparse und möchte heute etwas über die Pflicht der Sozialabgaben schreiben. Das Problem haben zuerst Menschen, die auch Alg II beziehen.
Wenn ich auf dem Arbeitsschein der Komparsenagenturen (ich nenne hier keinen Namen, aber jeder kennt hier den "Markführer") brav angebe, daß ich Alg II beziehe, dann ziehen die mir automatisch Sozialabgaben ab und meine Gage wird um etwa 1/4 bis 1/3 weniger, als die anderer Komparsen. Das finde ich höchst ungerecht, denn die Gesetze besagen ja eindeutig, das Geringverdiener von Sozialabgaben befreit sind. Meine Vermittlerin bei der Arbeitsagentur riet mir daher ganz klar, falsche Angaben zu machen und den Bezug von Alg II zu verschweigen. Also z. B. "Rentner" oder "Selbstständiger" mit freiwilliger Krankenversicherung anzugeben.
Diese angebliche Sozialabgabenpflicht führt nun sogar dazu, daß in manchen Angeboten steht "bitte keine Bezieher von Alg II, da Barauszahlung". Das ist schon eine regelrechte Diskiminierung. Bedenkt man, daß von einer Gage bei Alg II-Beziehern die Arbeitsagentur auch noch die Hälfte abzieht (so man seinen Freibetrag von 100 Euro schon erfüllt hat), dann bleibt von einer Gage meist nichts übrig oder man muß sogar noch zuzahlen.
Da so ein Zustand unhaltbar ist, habe ich mich bei einem Juristen in der Arbeitsagentur Nürnberg sachkundig gemacht: Ist der Job als Komparse ein versicherungspflichtiger Hauptberuf (dann müßten auch alle Bewerbungs- und Castingkosten von der Arbeitsagentur übernommen werden) wie es diese Komparsenabrechnungsfirma behauptet, oder ist es ein geringfügiger Nebenjob?
Hier kommen zwei Paragraphen in Frage. Der Jurist nannte mir den § 27 (3) 1 des SGB III (3. Sozialgesetzbuch). Er lautet:
>Versicherungsfrei sind Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist
Re: Sozialabgabenpflicht besteht nicht!
Liebe Komparsen,
ich möchte Euch nun gerne noch berichten, wie es weiterging. Die Abrechnungsfirma merkte (durch Hinweis der Landesversicherungsanstalt), daß ich falsche Angaben gemacht hatte und forderte die Sozialabgaben zuzüglich Bearbeitungsgebühr von mir. Ich weigerte mich und es kam zum Prozeß vor dem Sozialgericht in Potsdam. Hier machte ich den Fehler, mich gütlich zu einigen (ich zahlte 20 Euro nach, Kosten des Verfahrens übernahm die Abrechnungsfirma). Die Abrechnungsfirma wollte die Auskunft bei der Arbeitsagentur in Nürnberg einholen, ob der Komparsenjob nun abgabenpflichtig sei, oder nicht. Das war eine freiwillige Zusage, die sie aber bisherb nicht einhielt. So muß ich mich nun weiterhin damit beschäftigen - ich hätte es besser zu einer Entscheidung bei dem Gericht kommen lassen sollen.
Das Problem ist: Das Gesetz spricht von 450 Euro im Monat. Nun gibt es eine Geringfügigkeitsrichtlinie der Versicherungen, wonach dieser Betrag auf den ganzen Monat umgerechnet werden soll, also 450 durch die monatlichen Arbeitstage ergibt so ca. 13 Euro am Tag. Wer nun also mehr als 13 Euro am Tag verdient, der ist danach abgabenpflichtig.
Meine Argumentation: Das Gesetz (SGB) steht über den Richtlinien der Versicherungen, die ja kein gültiges Gesetz sind. Das Gesetz spricht von 450 Euro im Monat und nicht von 13 Euro am Tage (das hätte man ja leicht so formulieren können, hätte man das gewollt). Das Sozialgesetz bezweckt ja gerade, daß Geringverdiener von Sozialabgaben entlastet werden sollen und wird durch diese "Geringfügigkeitsrichtlinie" der Versicherungen ausgehebelt, was rechtlich nicht zulässig sein kann.
Ich habe nun also gegenüber meiner Krankenversicherung (die auch nach diesen Richtlinien handelt) erklärt, daß bei mir bei den Komparsenjobs keine "Berufsmäßigkeit" vorlag. Es läuft nun also auf einen weiteren Prozeß mit meiner Krankenversicherung hinaus, wo ich es nun ein für allemal gerichtlich klären will. Wenn ich da gewinne, dann werde ich das hier berichten und jeder kann sich dann auf dieses Urteil berufen und kein Komparse darf mehr zu Sozialabgaben verpflichtet werden, wenn er in einem Monat weniger als 450 Euro verdient. Die Krankenversicherung legt den Fall zunächst noch ihrem internen Gremium (aus Mitarbeitern und Versicherten) zur Entscheidung vor.
Ich habe außerdem an den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages geschrieben und um Klärung gebeten: Bin ich abgabenpflichtig, oder nicht? Die haben das Schreiben an die zuständige Behörde weitergeleitet, von der ich noch keine Antwort erhielt.
So oder so können wir nur gewinnen: Wenn das SGB gilt, und nicht die Richtlinie der Versicherungen, dann sparen wir die Sozialabgaben. Gilt es aber nur in der Form von 13 Euro pro Tag und hat die Richtlinie Geltung, dann liegt bei jedem Komparsenjob "Berufsmäßigkeit" vor. Das bedeutet zwar, daß wir Sozialabgaben entrichten müssen, es bedeutet aber auch, daß alle Fahrten zu Castings usw. vom Jobcenter als "Bewerbungskosten" übernommen werden müssen.
Warten wir es also ab.
Gruß, Geza
Re: Sozialabgabenpflicht besteht nicht!
Liebe Komparsen,
nachdem nun ein Verhandlungstermin beim Sozialgericht in Potsdam lief, möchte ich Euch informieren.
Es geht um die Frage, ob ein HARTZ-IV-Bezieher der als Komparse weniger als 450 Euro im Monat verdient, dafür Sozialabgaben zahlen muß. Die Abgrechnungsagenturen (Adag, Mecon usw.) behaupten das, genauso wie die Versicherungen. Letztere berufen sich auf eine "Geringfügigkeits-Richtlinie", wonach der Betrag des Gesetzes von 450 Euro im Monat auf die einzelnen Tage (um 15 Euro) umgerechnet wird. Dagegen prozessiere ich, da diese Geringfügigkeits-Richtlinien der Versicherungen kein gültiges Gesetz sind.
Mein Verfahren wurde nun vorerst zum Ruhen gebracht, da gerade fast derselbe Fall vor dem Bundessozialgericht verhandelt wird. Wir warten also das Urteil dort ab (voraussichtlich Herbst 2016). In dem Fall ging es um Bühnentechniker, die auch nur tageweise beschäftigt waren und HARTZ-IV bezogen. Die Versicherungen wollten von ihnen Sozialabgaben abziehen. Die daraufhin verklagten Versicherungen unterlagen vor dem Landessozialgericht in Bayern und so geht nun der Fall ans Bundessozialgericht. Die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichtes hat das Geschäftszeichen L 16 R 755/13 Ich füge den Text an:
Zitat: Tatbestand:
Im Rahmen einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen ist die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung im Sinn des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) streitig.
Die klagende Firma betreibt neben Sicherheitsdienstleistungen den Auf- und Abbau bei Veranstaltungen z.B. von Bühnen oder Eisflächen und erhält Aufträge oft kurzfristig mit der Folge eines kurzfristig erhöhten Personalbedarfs. Sie arbeitet mit einem Stamm von Angestellten und auch mit Aushilfskräften, die ihr über Beziehungen, Kontakte, Medien usw. bekannt sind und in einer Kartei geführt werden. Bei Bedarf werden diese Personen gefragt, ob sie für einen Tag oder mehrere Tage aushelfen können, die dann jeweils zusagen oder ablehnen. Schriftliche Vereinbarungen werden zwischen der Klägerin und den Aushilfskräften nicht geschlossen. Die Aushilfskräfte arbeiten auf Weisung des Firmeninhabers oder seines Prokuristen, die die technischen und sonstigen Anforderungen des Auf- und Abbaus kennen und verantworten. Die Einsätze der Aushilfskräfte sind in der Regel auf einen Tag bis wenige Tage befristet. Neue Aushilfskräfte haben Gelegenheit, sich den Job anzuschauen, werden aber schon am ersten Arbeitstag bezahlt.
Die jeweils 1985 geborenen Beigeladenen zu 1 und 3 arbeiteten für die Klägerin im Zusammenhang mit der Schauproduktion H., die nacheinander in verschiedenen Städten aufgebaut wurde. Zum Auf- und Abbau der Produktion wurden jeweils Aushilfskräfte vor Ort angeworben, ohne dass diesen Personen weitere Einsätze in Aussicht gestellt wurden. Wie sich aus den Lohnunterlagen ergibt, arbeitete der Beigeladene zu 1 bei der Klägerin drei Arbeitstage in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 09.01.2006 und erhielt ein Entgelt in Höhe von 135 EUR, der Beigeladene zu 3 arbeitete bei ihr am 19.12.2006 (ein Arbeitstag) und erhielt ein Entgelt in Höhe von 65 EUR. Es erfolgte jeweils eine Meldung zur Sozialversicherung mit der Angabe eines beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts von 0.
Der Beigeladene zu 1 bezog von Januar bis Juli 2006 Arbeitslosengeld und anschließend Krankengeld. Der Beigeladene zu 3 erhielt von Oktober bis Dezember 2006 Arbeitslosengeld II. Beide übten im streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren (geringfügigen) Beschäftigungen aus.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 21.07.2010 bis zum 25.10.2010 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB VI durch und erteilte nach der Schlussbesprechung am 22.07.2010 den Bescheid vom 26.10.2010, mit dem eine Nachforderung in Höhe von 15.316,74 EUR geltend gemacht wurde. Laut Anlagen zum Bescheid ("Berechnung der Beiträge") wurden Sozialversicherungsbeiträge für eine Vielzahl von Beschäftigten nachberechnet, wobei zum Sachverhalt jeweils angegeben wurde "Berufsmäßige Beschäftigung, da arbeitslos. Kurzfristigkeit ohne Beiträge ist nicht möglich." Für einen Teil der Personen wurden Beiträge wegen angenommener Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung berechnet, mit Bezeichnung der jeweils zuständigen Einzugsstelle, für einen anderen Teil der Personen wurden jeweils ein Beitrag zur Krankenversicherung (13 %) und ein Beitrag zur Rentenversicherung (15 %) zugunsten der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Minijob-Zentrale nachberechnet.
Den gegen den Bescheid vom 26.10.2010 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die berufsmäßige Beschäftigung nicht schade, wenn das monatliche Entgelt 400 EUR nicht überschreite.
Die Beklagte erließ im Widerspruchsverfahren den Bescheid vom 05.07.2012 und bezifferte nunmehr eine Nachforderung in Höhe von 12.823,20 EUR. Beiträge wegen Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung berechnete sie nur noch für die Personen, die für die Klägerin einmalig, d.h. nur in einem Kalendermonat bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum, tätig gewesen waren. Für alle anderen Aushilfskräfte ging sie nunmehr davon aus, dass es sich aufgrund der mehrmaligen Arbeitseinsätze und der Rufbereitschaft um regelmäßige Beschäftigungsverhältnisse gehandelt habe. Damit erhöhten sich die an die DRV Knappschaft-Bahn-See Minijob-Zentrale abzuführenden Pauschalbeiträge im Vergleich zum Bescheid vom 26.10.2010 von 7.144,68 EUR auf 11.918,51 EUR, wohingegen die an verschiedene Einzugsstellen abzuführenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung im Vergleich zum Erstbescheid erheblich geringer wurden.
Der im Bescheid vom 26.10.2010 und vom 05.07.2012 für den Beigeladenen zu 1 für Dezember 2006 geforderte Beitrag beläuft sich auf 24,44 EUR (Krankenversicherung: 10,66 EUR, Pflegeversicherung: 1,10 EUR, Rentenversicherung: 12,68 EUR) und der in beiden Bescheiden für den Beigeladenen zu 3 für Januar 2006 geforderte Beitrag auf 50,09 EUR (Krankenversicherung: 21,47 EUR, Pflegeversicherung: 2,30 EUR, Rentenversicherung: 26,32 EUR).
In dem den Widerspruch zurückweisenden Bescheid vom 10.10.2012 führte die Beklagte aus, dass Beiträge für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer nacherhoben worden seien. Bei den Arbeitnehmern, die nur einmal für die Klägerin tätig gewesen seien, sei von einer kurzfristigen Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV auszugehen, da hier keine Regelmäßigkeit erkennbar sei. In diesen Fällen sei die Berufsmäßigkeit zu prüfen, sofern das Arbeitsentgelt die (gegebenenfalls anteilige) monatliche 400 EUR-Grenze überschreite. Berufsmäßigkeit läge vor, da diese Arbeitnehmer arbeitslos gemeldet gewesen seien bzw. Leistungen von der Agentur für Arbeit bezogen hätten.
Dagegen hat die Klägerin am 12.11.2012 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben und beantragt, die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben. Die Arbeitsverhältnisse seien von der Klägerin als kurzfristige Arbeitsverhältnisse abgerechnet worden. Die Lohnsteuerprüfung habe zu keinen Beanstandungen geführt. Maßgebliches Abgrenzungskriterium sei nach der Rechtsprechung die Regelmäßigkeit (dann Nr. 1) bzw. Nichtregelmäßigkeit der Beschäftigung (dann Nr. 2). In den streitgegenständlichen Fällen seien Zeitpunkt und Häufigkeit der einzelnen Arbeitseinsätze unvorhersehbar gewesen, was gegen eine Regelmäßigkeit spreche. In manchen Fällen sei es nur zu sporadischen Einsätzen gekommen. Jedenfalls fehle es an der Vorhersehbarkeit. Nach einem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 15.02.2013 erläuterte die Beklagte ihre Auffassung zur Prüfung bei nur tageweiser Beschäftigung. Wenn ein Rahmenarbeitsvertrag vorhanden sei, läge die Arbeitsentgeltgrenze bei 400 EUR pro Monat. Sofern kein Rahmenarbeitsvertrag vorgelegen hätte, sei die anteilige Arbeitsentgeltgrenze von 13,33 EUR pro Arbeitstag zu berücksichtigen. Da zwischen den Parteien keine Rahmenarbeitsverträge geschlossen worden seien, sei für die Beurteilung die anteilige Arbeitsentgeltgrenze maßgebend.
Auf die Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 25.06.2013 den Bescheid vom 26.10.2010 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 05.07.2012 und des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2012 aufgehoben. Die Beklagte habe zu Unrecht festgestellt, dass einige Arbeitnehmer bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien, und zu Unrecht Beiträge in Höhe von 12.823,20 EUR nachgefordert. Bei den betroffenen Arbeitnehmern habe eine geringfügige Beschäftigung und damit Versicherungsfreiheit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vorgelegen. Die Beschäftigung sei zwar nicht vertraglich durch einen Rahmenvertrag im Voraus auf 50 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt gewesen. Die Beschäftigten hätten aber zum Ausgleich für unregelmäßige und unvorhersehbare Auftragsspitzen gearbeitet. Es handele sich daher nicht um eine regelmäßige Beschäftigung. Der Anwendungsbereich von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV sei daher nicht erfüllt. Es handele sich vielmehr um eine kurzfristige Beschäftigung im Sinn von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Die Frage der Berufsmäßigkeit sei nicht streitentscheidend, weil die weitere Voraussetzung für das Entfallen einer geringfügigen Beschäftigung wegen Kurzfristigkeit nicht erfüllt sei. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten kein monatliches Entgelt erzielt, welches über 400 EUR gelegen hätte. Der Vorgehensweise der Beklagten, für die Berechnung des Überschreitens der Entgeltgrenze von einer anteiligen Entgeltgrenze monatlich auszugehen, wie dies die Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügig Beschäftigten der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vorsehen würden, könne sich das Gericht nicht anschließen. Diese Richtlinien seien für die Beklagte, nicht aber für die Gerichte und die Klägerin bindend. Dem Gesetzeswortlaut lasse sich nicht entnehmen, dass, wenn nicht ein voller Monat gearbeitet werde, eine anteilige Entgeltgrenze gelten solle. Nach dem eindeutigen Wortlaut handele es sich um eine Entgeltgrenze von 400 EUR im Monat. In § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV werde gerade der Sachverhalt einer Beschäftigung geregelt, die nicht regelmäßig vollständige Monate umfasse. Es gehe um Beschäftigungen, die auf das Kalenderjahr bezogen nur einzelne Tage oder längstens zwei Monate am Stück ausgeübt würden. Wenn hier der Gesetzgeber keine monatliche, sondern eine anteilige Grenze hätte haben wollen, hätte er dies auch geregelt. Die von der Beklagten vertretene Auffassung führe auch zu widersinnigen Ergebnissen. Nach deren Auffassung sei ein kurzfristig Beschäftigter, der über einen Monat lang arbeite, sozialversicherungsfrei, während der nur innerhalb eines Monats arbeitende Beschäftigte sozialversicherungspflichtig wäre.
Gegen das der Beklagten am 08.07.2013 zugestellte Urteil hat diese am 05.08.2013 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, dass bei Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV von einer anteiligen Einkommensgrenze auszugehen sei, wenn die Beschäftigung auf weniger als einen Zeitmonat befristet sei. Nach einer Teilrücknahme der Berufung in der mündlichen Verhandlung hat sie die Berufung insoweit fortgeführt, als sie die Beigeladenen zu 1 und 3 und die entsprechenden Einzugsstellen (Beigeladene zu 2 und 4) betrifft.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte Prüfhilfenlisten bezüglich der Beigeladenen zu 1 und zu 3 vorgelegt und deren Inhalt erläutert.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.06.2013 aufzuheben, soweit es die Beigeladenen zu 1 und 3 betrifft, und die Klage gegen den Bescheid vom 26.10.2010 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 05.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2012 insoweit abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Auffassung der Beklagten bezüglich einer anteiligen Entgeltgrenze gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV entgegen und beruft sich dabei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11.05.1993 (12 RK 23/91).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogenen Lohnunterlagen der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und auch fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Nach der Teilrücknahme der Berufung ist der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 26.10.2010 in der Fassung des Bescheids vom 05.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2012 nur noch insoweit Gegenstand des Rechtsstreits, als für die Beigeladenen zu 1 und zu 3 Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von 24,44 EUR (Beigeladener zu 1) bzw. in Höhe von 50,09 EUR (Beigeladener zu 3) nachberechnet worden sind.
Das Begehren der Beklagten, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen, hat keinen Erfolg, da die streitgegenständlichen Verwaltungsakte rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Das Sozialgericht hat der Klage gegen die Bescheide der Beklagten zu Recht zum Erfolg verholfen. Für die Beigeladenen zu 1 und zu 3 durften Sozialversicherungsbeiträge nicht nachberechnet werden. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin im Januar 2006 (drei Arbeitstage) und des Beigeladenen zu 3 für die Klägerin im Dezember 2006 (ein Arbeitstag) waren gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV versicherungsfrei. Bei Erfolglosigkeit des Hauptantrags der Beklagten hat der Senat dem Hilfsantrag der Beklagten auf Zulassung der Revision stattgegeben.
Die Beklagte war für den Erlass der angefochtenen Bescheide zuständig. Gemäß § 28p Abs. 1 Sätze 1 und 5 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem Gesetz, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre und erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Wegen der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1 und zu 3 im Januar 2006 bzw. im Dezember 2006 kann die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge nicht nachfordern. Die Beigeladenen waren zwar bei der Klägerin im Sinn des § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt, d.h. weisungsgebunden tätig und in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Sie waren auch gegen Entgelt beschäftigt. Gleichwohl liegt die von der Beklagten behauptete Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1 und zu 3 in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V), in der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) nicht vor, weil die Voraussetzungen für Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erfüllt sind.
Eine geringfügige Beschäftigung liegt gemäß § 8 Abs. 1 SGB IV in der maßgeblichen Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I, S 4621) vor, wenn
1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt, 2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro im Monat übersteigt.
Die Beigeladenen zu 1 und zu 3 übten bei der Klägerin eine nicht regelmäßige Beschäftigung aus, so dass die Geringfügigkeit der Beschäftigung auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV zu prüfen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, gilt Nr. 1 des § 8 Abs. 1 SGB IV (nur) für regelmäßige Beschäftigungen und Nr. 2 dieser Vorschrift für nicht regelmäßige, also gelegentliche Beschäftigungen (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2014, B 12 R 5/12 R, Juris Rn. 19; Urteil vom 11.05.1993, 12 RK 23/91, Juris Rn. 12; Urteil vom 23.05.1995, 12 RK 60/93, Juris Rn. 16). Regelmäßigkeit liegt vor, wenn die Beschäftigung bei vorausschauender Betrachtung von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist und über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll (BSG, Urteil vom 07.05.2014, Juris Rn. 21; Urteil vom 11.05.1993, Juris Rn. 13), wobei auch eine tageweise Beschäftigung regelmäßig sein kann (BSG, Urteil vom 11.05.1993, Rn. 13 a.E.). Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin im Dezember 2006 handelte es sich ohne Zweifel um eine einmalige, von vornherein nicht auf Wiederholung angelegte und damit nicht regelmäßige Beschäftigung. Gleiches gilt für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 3 für die Klägerin im Januar 2006. Beide waren als Aushilfskräfte tätig, die beim Aufbau der in verschiedenen Städten gastierenden Produktion H. am jeweiligen Ort gebraucht wurden und denen die Klägerin weitere Arbeitseinsätze nicht in Aussicht gestellt hatte.
Bei den Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1 und zu 3 handelte es sich um (zeit-) geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die aufgrund vertraglicher Abrede auf einen bzw. wenige Arbeitstage befristet waren. Da den beigeladenen Aushilfskräften, die für H. gebraucht wurden, weitere Einsätze nicht in Aussicht gestellt wurden und weitere Einsätze auch tatsächlich nicht stattfanden, steht fest, dass die Beschäftigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage im Voraus vertraglich begrenzt war.
Die Versicherungsfreiheit wegen (Zeit-) Geringfügigkeit der Beschäftigung ist nicht durch die negativen Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ausgeschlossen. Danach entfällt die Versicherungsfreiheit, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 EUR im Monat übersteigt. Die Versicherungsfreiheit bleibt bestehen, wenn nur eine der beiden Voraussetzungen nicht erfüllt ist, da beide Ausschlussmerkmale - Berufsmäßigkeit und Überschreiten der Grenze von 400 EUR - kumulativ vorliegen müssen ("und"). Der Senat hat Zweifel, ob allein wegen der Arbeitslosmeldung der Beigeladenen zu 1 und zu 3 von der Berufsmäßigkeit der fraglichen Beschäftigungen ausgegangen werden kann (zur Berufungsmäßigkeit vgl. BSG, Urteil vom 11.05.1993, 12 RK 23/91, m.w.N.). Diese Frage bedarf aber keiner Entscheidung, weil jedenfalls das Arbeitsentgelt, das der Beigeladene zu 1 (135 EUR für Januar 2006) und der Beigeladene zu 3 (65 EUR für Dezember 2006) von der Klägerin erhielten, die Grenze von 400 EUR im Monat nicht überstieg. Da die Beigeladenen zu 1 und zu 3 im Jahr 2006 weitere geringfügige Beschäftigungen nicht ausübten, scheidet eine Zusammenrechnung von (geringfügigen) Beschäftigungen gemäß § 8 Abs. 2 SGB IV von vornherein aus.
Dass das Arbeitsentgelt der Beigeladenen zu 1 und zu 3 höher als 400 EUR im Monat gewesen wäre, wird von der Beklagten nicht behauptet. Sie geht vielmehr davon aus, dass ein anteiliger Monatswert von 13,33 EUR (400 EUR geteilt durch 30 Kalendertage) zugrunde zu legen sei, wenn wie hier eine Beschäftigung im Laufe eines Kalendermonats beginnt und endet. Sie wendet damit die Regelung in Nr. 2.1 der Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Geringfügigkeits-Richtlinien) an, die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit erlassen wurden und von der Beklagten bei der Betriebsprüfung in der Fassung vom 24.08.2006 zugrunde gelegt wurden.
Der Senat hält die von der Beklagten vertretene Auffassung, die Frage der Versicherungsfreiheit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV nach Maßgabe eines anteiligen Monatswerts zu beurteilen, wenn die Beschäftigung auf weniger als einen Zeitmonat befristet ist, für nicht richtig. Diese den Bereich der versicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigungen erheblich einschränkende Handhabung ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 06.02.2014, L 1 KR 31/12, Juris Rn. 41 ff.; vgl. auch für unständig Beschäftigte BSG, Urteil vom 11.05.1993, 12 RK 23/91, Juris Rn. 22 ff.).
Der Gesetzeswortlaut bietet keinerlei Anhaltspunkte für die Gesetzesinterpretation der Beklagten, in bestimmten Fällen auf eine Entgeltgrenze von 13,33 EUR pro Tag (anteiliger Monatswert) abzustellen statt auf die Entgeltgrenze von 400 EUR im Monat. Der Wortlaut des Gesetzes gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der Entgeltgrenze zu differenzieren wäre zwischen Fällen einer auf weniger als einen Zeitmonat befristeten Beschäftigung und einer sonstigen kurzfristigen Beschäftigung. Vielmehr wird nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in sprachlich eindeutiger Weise darauf abgestellt, ob das Entgelt 400 EUR im Monat übersteigt, wobei mit "Monat" der Kalendermonat gemeint sein dürfte, worauf es hier aber nicht ankommt. Auch bei Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs mit § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV spricht alles für die ausnahmslose Geltung der auf den Monat bezogenen Grenze von 400 EUR. In den Fällen der Nr. 1 des § 8 Abs. 1 SGB IV bezieht sich die Geringfügigkeitsgrenze von 400 EUR nämlich ebenfalls auf den "Monat". Der Senat kann keinen tragfähigen Grund dafür erkennen, den gesetzlich normierten Bezugspunkt "Monat" im Fall der Nr. 1, nicht aber auch im Fall der Nr. 2 für beachtlich zu halten.
Für die von der Beklagten praktizierte Gesetzeshandhabung lässt sich auch nicht der Sinn und Zweck der Regelung anführen. In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise zu Sinn und Zweck der Regelung über die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung. Es ist aber offensichtlich, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die (Zwangs-) Mitgliedschaft in der Sozialversicherung entbehrlich ist, wenn ein die Existenz sicherndes Arbeitsentgelt nicht erzielt wird. In diesen Fällen fehlt typischerweise das soziale Schutzbedürfnis, weil der Unterhalt und auch die soziale Sicherung der geringfügig Beschäftigten regelmäßig anderweitig gesichert sind (Familienversicherung usw.). Mit der Ausgrenzung geringfügiger Beschäftigungen bietet das Gesetz einen eng begrenzten Bereich freier ökonomischer Entfaltung zum Zweck des Erwerbs von Einkommen, das nicht Hauptquelle des Lebensunterhalts ist (vgl. Schlegel in jurisPK-SGB IV, 2. Auflage 2011, § 8 Rn. 22; Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand Juni 2015, K § 8 Rn. 13 f.; Seewald in Kasseler Kommentar, Stand Juni 2015, § 8 SGB IV Rn. 3). Vor diesem Hintergrund ist die Handhabung der Beklagten, derzufolge zwar nicht bei einer einen ganzen Monat umfassenden kurzfristigen Beschäftigung, aber bei einer nur einen oder einige Tage umfassenden kurzfristigen Beschäftigung Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bestehen bleibt, nicht nachvollziehbar. Wenn schon eine einen ganzen Monat umfassende kurzfristige Beschäftigung versicherungsfrei ist, dann doch erst recht eine kurzfristige Beschäftigung, die nicht einmal für einen ganzen Monat ausgeübt wird. Mit sporadischen, auf einzelne Tage in einzelnen Monaten bezogenen Beiträgen kann weder ein ausreichender Versicherungsschutz begründet werden noch die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung nennenswert unterstützt werden. Bewirkt wird lediglich ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Damit wird nach der Überzeugung des Senats der Gesetzeszweck verfehlt.
Lediglich klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass Gerichte bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen nicht an die Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenverbände der Sozialversicherung gebunden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Revision wird aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Da auch die aktuellen Geringfügigkeits-Richtlinien (Fassung vom 12.11.2014) von einem anteiligen Monatswert ausgehen, wenn die Beschäftigung auf weniger als einen Zeitmonat befristet ist, und die Beklagte sich bei Betriebsprüfungen hieran gebunden sieht, erscheint eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage zweckmäßig.