Di-George-Syndrom ohne 22q11-Deletion
Hallo,
möglicherweise bin ich in diesem Forum nicht wirklich richtig, doch in Ermangelung an ein deutsches Forum für Eltern mit Di-George-Kindern ohne 22q11-Deletion wende ich mich mit meinen Fragen einfach mal an euch.
Zur meiner/unseren Geschichte: Mitte 1990 habe ich meinen Sohn nach einer komplikationslosen Schwangerschaft in einem Geburtshaus geboren. Aufgrund der typischen Dysmorphiezeichen (Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, tiefsitzende Ohren und einem Augenkolobom) und einer sichtbaren mangelnden Sauerstoffsättigung des Blutes haben wir ihn zwei bis drei Stunden nach der Geburt ins hiesige Kinderkrankenhaus Bethel gebracht.
Nachdem Semjon gegen Ende seines 2. Lebensmonat gegen meinen Willen und ohne meines Wissens reanimiert wurde (ich kann leider nicht mehr genau rekonstruieren, weswegen man ihn reanimierte), eröffneten uns die behandelnden Ärzte ihre Diagnose Di-George-Syndrom. Bis dato sprach man von der vollständigen Thymus- und Nebenschilddrüsenaplasie, dem vorhandenen Herzfehler und der Dysmorphie. Der Herzfehler (u.a. überreitende Aorta) wurde überings wegen Semjon's schlechtem Allgemeinzustand erst Monate später in der Kinderkardiologie im Herzzentrum Bad-Oeynhausen genauer untersucht, die Untersuchung/Behandlung des schweren Immundefekts durch die Thymusaplasie stand auch immer im Vordergrund.
Ab sofort wurde Semjon von anderen Kindern isoliert und ich zog (trotz Wohnort Bielefeld) vorrübergehend in das Schwesternwohnheim von Bethel ein, um auch des Nächtens möglichst schnell erreichbar zu sein. Die Zeit war wirklich hart für uns, teilweise hatte ich das Gefühl es vergehe kein Tag ohne eine weitere schlechte Nachricht über Semjon's Krankheitsverlauf, ansonsten lief die Kommunikation zwischen den behandelnden Ärzten und uns als Eltern eher mässig und mein Vertrauen in die Ärzteschaft war durch die von mir ungewünschte Reanimation mehr als gestört. Semjon selbst schien auch am Ende seiner sämtlichen Ressourcen gewesen zu sein und wurde er nicht sediert war er fast nur noch am weinen.
Die mehrfachen Versuche einer Chromosomenanalyse aus Blutkulturen zu erzielen scheiterten und so forderte die behandelnde Oberärztin (ich könnte sie heute noch schlagen bis sie lacht, und es würde dauert lange bis sie dabei lacht) die Einwilligung eines invasiven Eingriffes zu einer fingernagel-grossen Hautzellentnahme aus Semjon's Oberschenkel.
Mir persönlich war es zum damaligen Zeitpunkt mittlerweile völlig egal, ob die Krankheit genetisch bedingt war oder nicht. Ich wollte meinen Sohn einfach nicht mehr leiden sehen und ein invasiver Eingriff bedeutete neben der zusätzlichen Infektionsgefahr auch eine schmerzhafte Wunde, desweiteren sah ich für Semjon's weitere Behandlung keinen wirklichen Sinn und Zweck in einer Chromosomenanalyse. Ich willigte also so lange nicht in den invasiven Eingriff ein, bis man uns unter Androhung der Einschränkung der medizinischen Behandlung dazu zwang. Ergebnis der Chromosomenanalyse: Semjon hatte das komplette Di-George-Syndrom ohne 22q11-Deletion, jedoch hatte nach Aussagen der Ärzte das 18. Chromosom einen Defekt der jedoch bei 1% der Erdbevölkerung vorkommt und angeblich keinen Einfluss auf das Di-George-Syndrom hätte (mir würde der Defekt so erklärt: Chromosom 18 löst sich aus der Chromosomenkette heraus, dreht sich um 180° und fügt sich in die Chromosomenkette wieder ein).
Die Chromosomenanalyse hatte, wie ich erwartete, keinerlei Einfluss auf die weiteren Behandlungsmethoden. Semjon ging es von Tag zu Tag schlechter, zusätzlich ständiger Soorbefall und Harnleiterinfektionen, die Nieren versagten allmählich ihren Dienst (unter anderem auch durch die permanenten hohen Calcium- und Magnesiumgaben.
Es war fast Ende März 1991 als die behandelnde Oberärztin und auch der damalige Stationsarzt beide im Urlaub waren und ich morgens in aller Frühe einen eindringlichen Anruf von einem weiteren Arzt erhielt. Nur soviel zum Inhalt des Telefonats: Ich solle die Abwesenheit der Oberärztin nutzen...
Ich fuhr ins Kinderkrankenhaus, alles war schon dafür vorbereitet das ich meinen Sohn mit nach Hause nehmen konnte - er starb am selben Abend in meinen Armen.
Mittlerweile bin ich 38 Jahre alt, mein Mann und ich wollen Eltern werden und so sehr ich mich freuen würde noch mal schwanger zu werden, so sehr fürchte ich auch ein weiteres behindertes Kind.
Gibt es hier Eltern mit ähnlichen Erfahrungen und weiterem Kinderwunsch? Wie geht ihr damit um?
Und gibt es mittlerweile Erkenntnisse oder Studien über die Herkunft des Di-George-Syndrom ohne 22q11-Deletion? Eine Bekannte, welche in der Radiologie arbeitet, hatte mich vor Kurzem etwas beunruhigt. Sie äusserte sich dahingehend, dass Semjon' s Behinderung von meiner damalig noch unerkannten und damit unbehandelten Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) zusammen hängen könnte.
Liebe Grüsse, Ada