internationales Kleeblattforum - Weihnachtszeit

Weihnachtsgeschichten und Märchen

Weihnachtsgeschichten und Märchen

Re: Weihnachtsgeschichten und Märchen

Weihnachten
in der Speisekammer


Weihnachtsmärchen
von Paula Dehmel 1862 bis 1918












Unter
der Türschwelle war ein kleines Loch. Dahinter saß die Maus Kiek und
wartete.

Sie wartete bis der Hausherr die Stiefel aus- und die Uhr aufgezogen hatte; sie
wartete, bis die Mutter ihr Schlüsselkörbchen auf den Nachttisch
gestellt und die schlafenden Kinder noch einmal zugedeckt hatte; sie wartete
auch noch, als alles dunkel war und tiefe Stille im Hause herrschte. Dann ging
sie.

Bald wurde es in der Speisekammer lebendig. Kiek hatte die ganz
Mäusefamilie benachrichtigt. Da kam Miek die Mäusemutter mit den
fünf Kleinen, und Onkel Grisegrau und Tante Fellchen stellten sich auch
ein.

"Frauchen, hier ist etwas Weiches, Süßes," sagte Kiek
leise vom obersten Brett herunter zu Miek, "das ist etwas für die
Kinder," und er teilte von den Mohnpielen aus. "Komm hierher
Grisegrau," piepste Fellchen, und guckte hinter der Mehltonne vor,
"hier gibt's Gänsebraten, vorzüglich, sag ich dir, die reine
Hafermast; wie Nuss knuspert sich's." Grisegrau aber saß in der
neuen Kiste in der Ecke, knabberte am Pfefferkuchen und ließ sich nicht
stören. Die Mäusekinder balgten sich im Sandkasten und kriegten
Mohnpielen. "Papa," sagte das größte, "meine
Zähne sind schon scharf genug, ich möchte lieber knabbern, knabbern
hört sich so hübsch an." "Ja, ja, wir wollen auch lieber
knabbern," sagte alle Mäusekinder, "Mohnpielen sind uns zu
matschig," und bald hörte man sie am Gänsebraten und am
Pfefferkuchen. "Verderbt euch nicht den Magen," rief Fellchen, die
Angst hatte, selber nicht genug zu kriegen, "an einem verdorbenen Magen
kann man sterben." Die kleinen Mäuse sahen ihre Tante erschrocken an;
sterben wollte sie ganz und gar nicht, das musste schrecklich sein. Vater Kiek
beruhigte sie und erzählte ihnen von Gottlieb und Lenchen, die drinnen in
ihren Betten lägen und ein hölzernes Pferdchen und eine Puppe im Arm
hätten; und dass in der großen Stube ein mächtiger Baum
stände mit Lichtern und buntem Flimmerstaat, und das es in der ganzen
Wohnung herrlich nach frischem Kuchen röche, der aber im Glasschrank
stände, und an den man nicht heran könnte. "Ach," sagte
Fellchen, "erzähle nicht so viel, lass die Kinder lieber essen."
Die aber lachten die Tante mit dem dicken Bauch aus und wollte noch viel mehr
wissen, mehr als der gute Kiek selbst wusste. Zuletzt bestanden sie darauf,
auch einen Weihnachtsbaum zu haben, und die zärtlichen Mäuseeltern
liefen wirklich in die Küche und zerrten einen Ast herbei, der von dem
großen Tannenbaum abgeschnitten war. Das gab einen Hauptspaß. die
Mäusekinder quiekten vor entzücken und fingen an, an dem grünen
Tannenholz zu knabbern; das schmeckte aber abscheulich nach Terpentin, und sie
ließen es sein und kletterten lieber in dem Ast umher. Schließlich
machten sie die ganze Speisekammer zu ihrem Sielplatz. Sie huschten hierhin und
dorthin, machten Männchen, lugten neugierig über die Bretter in alle
Winkel hinein, und spielten Versteck hinter den Gemüsebüchsen und
Einmachtöpfen; was sollten sie auch mit dem dummen Weihnachtsbaum, an dem
es nichts zu essen gab! Als aber das kleinste ins Pflaumenmus gefallen war und
von Mama Miek und Onkel Grisegrau abgeleckt werden musste, wurde ihnen das
Umhertollen untersagt, und sie mussten wieder artig am Pfefferkuchen knabbern.


Am andern Morgen fand die alte Köchin kopfschüttelnd den Tannen Ast
in der Speisekammer und viele Krümel und noch etwas, was nicht gerade in
die Speisekammer gehört, ihr werdet euch schon denken können was! Als
Gottlieb und Lenchen in die Küche kamen, um der alten Marie guten Morgen
zu wünschen, zeigte sie ihnen die Bescherung und meinte: "Die haben
auch tüchtig Weihnachten gefeiert." die Kinder aber tuschelten und
lachten und holten einen Blumentopf. Sie pflanzten den Ast hinein und
bekränzten ihn mit Zuckerwerk, aufgeknackten Nüssen, Honigkuchen und
Speckstückchen. die alte Marie brummte; da aber die Mutter lachend
zuguckte, musste sie schon klein beigeben. Sie stellte alles andere sicher und
ließ den kleinen Naschtieren nur ihren Weihnachtsbaum.

die Kinder aber jubelten, als sie am zweiten Feiertage den Mäusebaum
geplündert vorfanden und hätten gar zu gern auch ein Dankeschön
von dem kleinen Volke gehört. "Den guten Speck vergesse ich mein
Lebtag nicht," sagte Fellchen, und Grisegrau biss eine mitgebrachte
Haselnuss entzwei; Kiek und Miek aber waren besorgt um ihre Kleinen, die hatten
zuviel Pfefferkuchen gegessen, und ihr wisst, liebe Kinder, das tut nicht gut!









Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch.

Re: Weihnachtsgeschichten und Märchen


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Schon als kleiner Junge
hatte ich meine Eltern verloren und kam mit neun Jahren in ein Waisenhaus in
der Nähe von London. Es war mehr als ein Gefängnis. Wir mussten 14 Stunden am
Tage arbeiten - im Garten, in der Küche, im Stall, auf dem Felde. Kein Tag
brachte eine Abwechslung, und im ganzen Jahr gab es für uns nur einen einzigen
Ruhetag: Das war der Weihnachtstag. Dann bekam jeder Junge eine Apfelsine zum
Christfest. Das war alles. Keine Süßigkeiten. Kein Spielzeug.



 



Aber auch diese eine
Apfelsine bekam nur derjenige, der sich im Lauf des Jahres nichts hatte
zuschulden kommen lassen und immer folgsam war. Diese Apfelsine an Weihnachten
verkörperte die Sehnsucht eines ganzen Jahres. So war wieder einmal das
Christfest herangekommen. Aber es bedeutete für mein Knabenherz fast das Ende
der Welt. Während die anderen Jungen am Waisenhausvater vorbei schritten und
jeder seine Apfelsine in Empfang nahm, musste ich in einer Zimmerecke stehen
und zusehen. Das war meine Strafe dafür, dass ich eines Tages im Sommer hatte
aus dem Waisenhaus weglaufen wollen.



 



Als die Geschenkverteilung
vorüber war, durften die anderen Knaben im Hofe spielen. Ich aber musste in den
Schlafraum gehen und dort den ganzen Tag über im Bett liegen bleiben. Ich war
tieftraurig und beschämt. Ich weinte und wollte nicht länger leben. Nach einer
Weile hörte ich Schritte im Zimmer. Eine Hand zog die Bettdecke weg, unter die
ich mich verkrochen hatte. Ich blickte auf. Ein kleiner Junge namens William
stand vor meinem Bett, hatte eine Apfelsine in der rechten Hand und hielt sie
mir entgegen.





 



Ich wusste nicht, wie mir
geschah. Wo sollte eine überzählige Apfelsine hergekommen sein? Ich sah
abwechselnd auf William und auf die Frucht und fühlte dumpf in mir, dass es mit
der Apfelsine eine besondere Bewandtnis haben müsse. Auf einmal kam mir zum
Bewusstsein, dass die Apfelsine bereits geschält war, und als ich näher
hinblickte, wurde mir alles klar, und Tränen kamen in meine Augen, und als ich
die Hand ausstreckte, um die Frucht entgegenzunehmen, da wusste ich, dass ich
fest zupacken musste, damit sie nicht auseinander fiel.



Was war geschehen? Zehn
Knaben hatten sich im Hof zusammengetan und beschlossen, dass auch ich zu
Weihnachten meine Apfelsine haben müsse. So hatte jeder die seine geschält und
eine Scheibe abgetrennt, und die zehn abgetrennten Scheiben hatten sie
sorgfältig zu einer neuen, schönen und runden Apfelsine zusammengesetzt.



 



Diese Apfelsine war das
schönste Weihnachtsgeschenk in meinem Leben. Sie lehrte mich, wie trostvoll
echte Kameradschaft sein kann.



 



gefunden im www. ohne
Angabe des Verfassers.






Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch.

Re: Weihnachtsgeschichten und Märchen

Der glückliche kleine Vogel



Der glückliche kleine Vogel Zizibä saß in einem kahlen Fliederbusch und
fror. Zizibä war ein kleiner Vogel. Er hatte sein Federkleid dick
aufgeplustert, weil's dann ein wenig wärmer war.



Da saß er wie ein dicker runder Ball, und keiner ahnte, wie dünn sein Körper
drunter aussah. Zizibä hatte die Augen zu. Er mochte schon gar nicht mehr
hinsehen, wie die Schneeflocken endlos vom Himmel herunterfielen und alles
zudeckten. Alle Futterplätze waren zugeschneit. Ach, und Hunger tat so weh.
Zwei Freunde von Zizibä waren schon gestorben.



Stellt euch mal vor, ihr müsstet in einem kahlen Strauch sitzen, ganz allein
im Schnee, und hättet nichts zu essen. Kein Frühstück, kein Mittagessen - und
abends müsstet ihr hungrig einschlafen, ganz allein draußen im leeren
Fliederbusch, wo's dunkel ist und kalt. Das wäre doch schlimm. Zizibä musste
das alles erleiden. Er saß da und rührte sich nicht. Nur manchmal schüttelte er
den Schnee aus den Federn. Wieder ging ein hungriger Tag zu Ende.



Zizibä wollte einschlafen. Er hörte plötzlich ein liebliches Geklingel. Dann
wurde es hell und warm, und Zizibä dachte: Oh, das ist gewiß der Frühling. Aber
es war der Weihnachtsengel. Er kam daher mit einem Schlitten voller Weihnachtspakete.



Er sang vergnügt. "Morgen, Kinder, wird's was geben..." und
leuchtete mit seinem Laternchen den Weg. Da entdeckte er auch unseren Zizibä.
"Guten Abend", sagte der Engel, "warum bist du so traurig?"
- "Ich hab' so Hunger", piepste Zizibä und machte vor Kummer wieder
die Augen zu. - "Du armer Kleiner", sagte der Engel, "ich habe
auch nichts zu essen dabei. Woher kriegen wir nur was für dich?" Aber das
war's ja, was Zizibä auch nicht wusste. Doch dann hatte der Engel eine
himmlische Idee. "Warte", sagte er, "ich werde dir helfen. Bis
morgen ist alles gut. Schlaf nur ganz ruhig."



Aber Zizibä war schon eingeschlafen und merkte gar nicht, wie der Engel
weiterzog und im nächsten Haus verschwand. Im nächsten Haus wohnte Franzel. Das
war ein netter, kleiner Bub. Jetzt lag er im Bett und schlief und träumte von
Weihnachten. Der Engel schwebte leise herzu, wie eben Engel schweben, und
beugte sich über ihn. Leise, leise flüsterte er ihm etwas ins Ohr, und was
Engel sprechen, das geht gleich ins Herz. Der Franzel verstand auch sofort, um
was sich's handelt, obwohl er fest schlief.



Als er am nächsten Morgen wach wurde, rieb er sich die Augen und guckte zum
Fenster hinaus. "Ei, so viel Schnee", rief er, sprang aus dem Bett,
riß das Fenster auf und fuhr mit beiden Händen in den Schnee. Dann machte er
einen Schneeball und warf ihn aus Übermut hoch in die Luft. Plötzlich hielt er
inne. Wie war das doch heute Nacht? Hatte er nicht irgend etwas versprochen?
Richtig, da fiel's ihm ein. Er sollte dem Zizibä Futter besorgen.



Der Franzel fegte den Schnee vom Fensterbrett und rannte zur Mutter in die
Küche. "Guten Morgen, ich will den Zizibä füttern, ich brauch' Kuchen und
Wurst!" rief er. - "Das ist aber nett, daß du daran denkst",
sagte die Mutter, "aber Kuchen und Wurst taugen nicht als Futter. Der
Kuchen weicht auf, und die Wurst ist viel zu salzig. Da wird der arme Zizibä
statt an Hunger an Bauchschmerzen sterben."



Die Mutter ging und holte eine Tüte Sonnenblumenkerne. "Die sind viel
besser", sagte sie. Der Franzel streute die Kerne auf's Fensterbrett und
rief: "Guten Appetit, Zizibä!" Dann musste er sausen, um noch
rechtzeitig zur Schule zu kommen.



Als die Schule aus war, kam er auf dem Nachhauseweg beim Samenhändler Korn
vorbei. Der Franzel ging in den Laden und sagte: "Ich hätte gern Futter
für die Vögel im Garten." Er legte sein ganzes Taschengeld auf den Tisch.
Dafür bekam er eine große Tüte voll Samen und Meisenringe. Nun rannte er nach
Hause zu seinem Fensterbrett. Aber - o weh - da war alles zugeschneit.



Doch die Körner waren verschwunden. Die hatte Zizibä noch rechtzeitig
entdeckt. Er hatte seine Vettern und Kusinen herbeigeholt, und sie hatten sich
einen guten Tag gemacht, während der Franzel in der Schule war. Es darf nicht
wieder alles zuschneien, dachte der Franzel, und als sein Vater am Nachmittag
heimkam, machten sie sich gleich daran und zimmerten ein wunderschönes
Futterhaus. Das hängten sie vor dem Fenster auf.



Am nächsten Tag sprach sich's bei der ganzen Vogelgesellschaft herum, daß es
beim Franzel etwas Gutes zu essen gab. Das war eine große Freude, denn kein
Vogel brauchte mehr vor Hunger zu sterben, und abends, wenn der Engel
vorbeikam, sah er nur satte und zufriedene Vögel friedlich schlummern.



Dafür legte er dem Franzel noch ein Extra-Geschenk unter den Weihnachtsbaum,
und es wurde ein wunderschönes Fest.



Autor: unbekannt 



 




Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch.