"Das Millionenspiel"
Die mediale Menschenjagd
WDR zeigt das "Millionenspiel" nach 32 Jahren Pause
Die Fiktion scheint perfekt: Millionen Zuschauer erleben im Fernsehen die Jagd auf Bernhard Lotz, der als Kandidat einer Show sieben Tage lang von einer bezahlten Killerbande verfolgt wird. Lotz - gespielt von Jörg Pleva - läuft um sein Leben. Denn nur im Überlebensfall bekommt er am Ende vom Privatsender TETV eine Million Mark. Stirbt er, folgt er acht Menschen in den Tod, die bereits vor ihm am "Millionenspiel" teilgenommen haben - und verloren.
Was wie ein Horrorszenario aus einem Science-Fiction-Roman klingt, ist in Wahrheit längst Vergangenheit. Die Geschichte spielt im Jahr 1980, erdacht und geschrieben wurde sie bereits zehn Jahre zuvor.
Als das "Millionenspiel" gedreht wurde, gab es weder Privatfernsehen noch Fernsehquoten. Beides hat Wolfgang Menge in seiner TV-Satire vorweggenommen. Heute, 30 Jahre danach, läßt sich die hellseherische Dimension des Film erst vollends erkennen.
Verwechslung von Fiktion und Realität
Am 18. Oktober 1970 wurde "Das Millionenspiel" im WDR Fernsehen ausgestrahlt - und sorgte für unvorhersehbare Reaktionen. Der Grund: Die Menschen hielten die Sendung mit Showmaster Dieter Thomas Heck als Thilo Uhlenhorst für echt - durchschauten nicht die Inszenierung.
Zahlreiche junge Männer bewarben sich als Kandidaten für die nächste Folge der "Show", die doch "nur" Satire und Kritik an der Quotengläubigkeit des Fernsehens sein sollte. Und das zu einer Zeit, als es noch gar keine Quote gab. Immerhin: Tausende Anrufer protestierten am Telefon gegen die Show.
Menges Vision gehört heute zum TV-Alltag
Die Weitsicht des Drehbuchautors Wolfgang Menge wurde in den Folgejahren viel gerühmt. Angefangen bei den Werbeeinblendungen der Sponsorfirma "Stabilelite", die für Empfängnisverhütungsmittel und Leichen-Kosmetik wirbt - damit der Mensch schön in den Tod gehe - , über den brutalen Chef des fiktiven Privatsenders, bis zum perversen Showdown vor Publikum: Bernhard Lotz muss die letzten Meter durch eine schusssichere Glasröhre laufen. Die Killer - allen voran Bandenchef Köhler (Dieter Hallervorden) zielen dabei auf Löcher in der Röhre, um ihn zu töten.
Menges Vision von 1970 scheint heute gar nicht so fern. Werbepausen gehören mittlerweile zum TV-Alltag, sogenannte "Reality"-Shows wie "Big Brother" oder "Reality Run" trieben - zumindest zeitweise - die Quoten der Privatsender in die Höhe und die Kandidaten zu unfassbaren Taten. Zwar steht die Sicherheit der Teilnehmer bei derlei Formaten noch im Vordergrund, doch denkbar ist auch für den Autor Menge mittlerweile alles: Er halte das durchaus für möglich, sagt er im Gespräch mit wdr.de auf die Frage nach einem echten "Millionenspiel". Schon jetzt seien Menschen in vielen Nachmittags- Talks schließlich bereit, ihre Seele vollends zu entblößen. Da sei der nächste Schritt nur ein kleiner.
Nach 30 Jahren jetzt Wiederholung
Zwei Mal nur wurde das TV-Stück gezeigt, dann sorgte ein Rechte-Streit für eine mehr als 30 Jahre währende Lagerzeit in den Schränken des WDR. Nun wird der Film, der zum Mythos wurde, erneut gezeigt. Und erstaunt - in einer Zeit, da im Fernsehen kaum etwas unmöglich scheint - durch seine Hellsicht. Macht aber auch ein bisschen Angst.
Zum Reinschnuppern:
DSL
oder
ISDN
Für die, die es damals verpasst haben:
Heute Abend 22.30 Uhr | ARTE - Das Millionenspiel