Multikulturelle Beziehungen - Film und Fernsehen

Was geht hier ab?

Was geht hier ab?

Mi - 01.09.2004, 22:40 - 00:05 Uhr, ARTE

Kamel stammt aus einer arabischen Familie und ist in einem Pariser Vorstadtghetto aufgewachsen. Wegen Drogenhandels saß er fünf Jahre im Gefängnis. Anschließend wurde er nach Algerien ausgewiesen. Nun ist er zurück in Paris und versucht, ein normales Leben aufzubauen. Aber Kamel hat keine Papiere, und was heißt schon Normalität in einem Ghetto?

Die Cité des Bosquets ist ein übles Vorstadtghetto bei Paris. Hier herrscht eine explosive Mischung aus Langeweile, Frustration und Gewalt. Kamel ist hier aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus dem Maghreb. Wegen Drogenhandels verbüßte Kamel eine fünfjährige Haftstrafe. Anschließend wurde er nach Algerien ausgewiesen. Nun ist er mit guten Vorsätzen zurückgekommen. Eine Arbeit finden und eine nette Frau kennen lernen, das sind seine Pläne. Kamel hat genug Ärger gehabt, jetzt will er seine Ruhe und ein normales Leben führen. Aber ist das überhaupt möglich, wenn man in der Cité des Bosquets wohnt, noch dazu ohne Papiere? Kamel ist vorsichtig. Er weicht der Polizei aus, bemüht sich um Arbeit und schenkt der netten Irène Blumen. Aber jedes Mal, wenn sich das Blatt zum Positiven wendet, gibt es einen Rückschlag. Irène fühlt sich ausgenutzt, für Leute ohne Papiere gibt es keine anständige Arbeit und die Polizei ist seinem jüngeren Bruder, dem halbstarken Mousse, auf den Fersen, der sich zum jugendlichen Drogenboss aufgespielt hat - ein gefährliches Spiel. Und es sieht so aus, als müsse Kamel die Folgen ausbaden.

"Was geht hier ab?" ist nicht einfach eine lässige Phrase, sondern eine ernsthafte Frage, die Rabah Ameur-Zaïmeche in seinem Film stellt und die er bewusst nicht beantwortet, wenigstens nicht eindeutig. Antworten liegen in der Pariser Banlieue offen auf der Straße: Rassismus, Arbeitslosigkeit, Langeweile, Drogen, Kriminalität, Rassismus, Gewaltbereitschaft - alles Elemente eines Teufelskreises, aus dem auszubrechen nahezu unmöglich ist, wenn man am falschen Ort geboren ist und die falsche Hautfarbe hat. Doch Rabah Ameur-Zaïmeches Film unterscheidet sich von anderen Banlieue-Filmen dadurch, dass sich der Regisseur als Kind einer Cross-over-Generation zeigt und seine Ghetto-Kids auch Golf spielen und angeln lässt.

Das "Lexikon des Internationalen Films" schreibt: "Der Debütfilm wurde an authentischen Orten in der Banlieue vorwiegend mit Laiendarstellern gedreht; sein beiläufiger, spröder Stil lässt keine Sentimentalität aufkommen, sondern fragt konsequent nach dem gegenwärtigen Zustand von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit."

Rabah Ameur-Zaïmeche, geboren 1966 in Algerien, ist selbst in der Cité aufgewachsen und erzählt seine Geschichte mit der Autorität des Augenzeugen und Chronisten. In einigen Szenen sind Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich gemacht, die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation verwischt. Der Regisseur übernahm selbst die Hauptrolle und besetzte einen Großteil der Rollen mit Familienangehörigen und Einwohnern der Cité. Das französisch-arabische Sprachgemisch wird mal von Rap und Hip-Hop, mal von rauchig-bluesigem Jazz untermalt. Die spannungsvolle Vitalität, die in diesem Film steckt, imponierte nicht nur der Jury des Wolfgang-Staudte-Preises, mit dem Ameur-Zaïmeche 2002 auf der Berlinale ausgezeichnet wurde. Der Regisseur wurde im selben Jahr unter anderem auch für den Europäischen Filmpreis nominiert und erhielt den Prix Louis Delluc für den besten Debütfilm.

Lieben Gruss Petra