Die Tränen des Teddybären
Die Tränen des Teddybären..
Alles was sie sich wünschte war von den Anderen gemocht zu werden, aber mal wieder hatte man sie nur ausgelacht. Sie war ein bisschen dicker als alle ihre Klassenkameraden, aber hieß das etwa, daß sie nicht genauso liebenswert war? Man hatte ihr zumindest schon immer das Gefühl gegeben. Nach der fünften Stunde kam ihre Lehrerin noch einmal in die Klasse zurück, da sie ihre Tasche vergessen hatte. Sie konnte sie nicht gleich finden und so fragte sie ob jemand ihre Tasche gesehen hatte. Peter aus der letzten Reihe meldete sich: "Die hat Mira aufgegessen!" Daraufhin fing die ganze Klasse an zu lachen und zu Miras Erstaunen lachte sogar ihre Lehrerin. Das hatte Mira nun wirklich nicht von ihr gedacht. Alle waren ja so gemein. Leise Tränen liefen über Mira Wangen, sie sprang auf und lief aus der Klasse. Den ganzen Schulweg über weinte sie. Als sie zu Hause ankam hatte sie noch immer ganz gerötete Augen. Ihre Eltern fragten sofort was denn passiert sei, aber als Mira erzählte fingen auch sie an zu lachen und ihr Vater meinte: "Ja Mira, die anderen haben vollkommen Recht. Du bist auch viel zu dick. So wirst Du niemals Freunde finden." Weinend lief Mira in ihr Zimmer, welches im Keller lag. Sie mochte den Keller, hier hatte sie wenigstens ihre Ruhe. Da saß sie nun, wie ein Häufchen Elend in der Ecke. Ihren Lieblingsteddy Rico hatte sie fest im Arm.
Miras Tränen kullerten über seine Fellwangen und es sah so aus, als würde er mit ihr weinen. Rico schaute sie an, als würde er sagen: "Kleine Mira, weine nicht! Die Anderen haben keine Ahnung. Ich werde immer Dein Freund sein.."
Obwohl Mira ihre Eltern angefleht hatte nicht wieder zur Schule zu müssen, wurde sie von ihrer Mutter am nächsten morgen auf den Schulweg geschickt. Mira ging die Hauptstraße entlang bis sie zur Kreuzung kam. Eigentlich hätte sie nach links gemusst um zur Schule zu kommen, stattdessen bog sie nach rechts ab. Sie ging immer weiter Richtung Stadtmitte. Vor ihr lag ein großer Supermarkt. Mira hatte sich extra von zu Hause Geld mitgenommen. Sie ging hinein und kaufte sich eine Tafel Schokolade, die mit ganzen Nüssen, denn die mochte sie am liebsten. Außerdem nahm sie noch eine Flasche Cola mit und ging zur Kasse. Als sie bezahlt hatte machte sie sich auf den Weg in den Park. Sie setzte sich auf eine Parkbank und stellte die gekauften Sachen neben sich ab. Eifrig packte sie die Schokolade aus und biss ein großes Stück ab. Eine Mutter kam mit ihrem Kind vorbei. Der Fünfjährige drehte sich zur Seite, sah Mira an und sagte zu seiner Mama: "Schau mal was für ein dickes Kind das ist" Darauf meinte seine Mutter: " Ja Tim, das liegt nur daran das sie so viel Schokolade ist und Cola trinkt. Also ess nicht so viel Süßes, sonst siehst Du irgendwann auch einmal so aus!" Mira fing wieder an zu weinen. Alle Menschen sind gleich, dachte sie. Alle sind sie so gemein. Mira fragte sich, was sie ihnen allen getan hatte. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augen um sich die Tränen wegzuwischen. Dann nahm sie ihr Portemonai aus der Hosentasche und zählte ihr Geld. 27,50 Euro hatte sie noch. Mit ihrer Geldbörse in der Hand ging sie zurück in die Stadt. Sie kam am Supermarkt vorbei, an einem Blumengeschäft, einer Konditorei und an einer Apotheke, Als sie vor der Apotheke stand packte sie der Gedanke: Ich will so nicht weiterleben! und somit ging sie hinein. Der freundliche Apotheker fragte sie womit er ihr helfen könne. "Ich habe Schlafprobleme und brauche dringend etwas dagegen. Meine Mutter hat mich deshalb hierher geschickt." Mira versuchte so erwachsen wie möglich zu wirken. Immerhin war sie erst 13, sah aber schon aus wie 18. "Ja", sagte der Apotheker, "Welche möchten sie denn?" - "Welche wirken denn am besten?", fragte Mira. Der Apotheker verschwand im hinteren Teil der Apotheke, kam mit einer rot blauen Packung zurück und legte sie Mira vor die Nase. "Hmm", machte Mira, "und was kosten die?" - "11,90 Euro" Mira rechnete schnell im Kopf, in Mathe war sie schon immer sehr gut gewesen. "Gut, dann nehme ich zwei Packungen." Der Apotheker packte ihr die zwei Schachteln in eine Tüte und Mira bezahlte. Nachdem sie die Apotheke verlassen hatte, ging sie wieder zurück in den Park. Dort angekommen setzte sie sich wieder auf die Parkbank. Sie nahm die Packungsbeilage hervor und las:
Soweit nicht anders verordnet nehmen Sie bitte vor dem Schlafen zwei Tabletten. Sollten Sie binnen einer Stunde keine Wirkung verspüren, nehmen sie bitte nochmals zwei Tabletten. Dosierungshinweis: Täglich max. vier Tabletten. Bei einer erhöhten Dosis kann das Mittel tödlich wirken. Mira sah auf die Uhr, es war halb zehn und somit machte sie sich auf den Heimweg. Sie wusste, dass sie zu Hause niemanden antreffen würde. Ihre Eltern waren beide berufstätig. Mira nahm sich ihre Lieblingsdecke aus dem Schrank und breitete sie auf dem Bett aus., dann holte sie sich ein großes Glas Wasser. Alles sollte schnell gehen. Wenn ihre Eltern in knapp 5 Stunden nach Hause kamen wollte sie bereits tot sein. Wie ein lebloses Stück Fleisch. "Ja", dachte Mira, "fettes Fleisch!" Sie stellte das Glas Wasser auf den Nachttisch und nahm eine der Packungen hervor. Sie hatte zwei gekauft, falls eine nicht genügen würde. Mit zittrigen Fingern fing sie an die Tabletten aus der Packung zu drücken. Am Ende hatte sie 20 Stück vor sich liegen. Mira stand noch einmal auf um sich ein Blatt Papier und einen Stift zu holen. Sie schrieb:
Liebe Mama, lieber Papa
Nie habt ihr mich richtig verstanden. Es hat mich so verletzt das selbst IHR nicht zu mir gehalten habt. Ich möchte trotzdem nichts, daß ihr Euch für meinen Tod verantwortlich macht, denn ich habe diesen Weg selber gewählt. Passt bitte auf Rico auf oder schenkt ihn einem anderen dicken Mädchen, dann kann er sie trösten.
Ich habe Euch lieb,
Mira
Den Brief legte sie in Ricos Arme und nahm die Tabletten in die Hand. Eine nach der anderen steckte sie diese in ihren Mund und trank Wasser dazu. Als sie merkte, dass sie schon langsam müde wurde, legte sie sich auf ihr Bett und schlief ein. Lange musste sie nicht leiden, der Kampf dauerte nur einige Sekunden, dann hörte ihr kleines Herz auf zu schlagen. Nur ihr Teddy Rico hatte alles mit angesehen. Er schaute sie an, als könne er alles nicht verstehen. Leise lief eine dicke Teddybärenträne über seine Fellwangen.
..Wenn Teddybären reden könnten..