Re: IZ ON / Alles kann besser werden - Tour 2009
für eure berichte...
hier vom "zentralorgan" mannheimer morgen
*Pop:* Erst allmählich beginnt beim Konzert der Söhne Mannheims in der SAP Arena die Stimmung der 10 000 zu kochen
Mannheims Prediger rocken
Von unserem Redaktionsmitglied Stefan M. Dettlinger
Manchmal, wenn die Gesangssätze der Söhne Mannheims nonverbal werden, die Friedensbotschaft ausbleibt und Michael Klimas, Tino Oac, Henning Wehland und Xavier Naidoo am Ende von "Babylon System" einfach nur noch langgezogene "Ahs" oder "Ohs" über einen wütenden Rhythmus und krachende Klänge in die SAP Arena schicken, dann spielt da eine richtig gute Rockband.
Die Kritik am "Kommunisten-, Nationalisten-, Kapitalistenschwein" tritt dabei genauso in den Hintergrund wie das Lied vom Ende der westlichen Zivilisation mit ihrer Dekadenz, ihrem Materialismus und ihrem Drang zur Ausbeutung und Unterdrückung Schwacher. Was hier zählt, ist Musik, nur Musik. Die Stimmung in der mit 10 000 Menschen ausverkauften SAP Arena kocht. Wir befinden uns in Lied Nummer 17.
Dabei wollen die Söhne Mannheims doch mehr denn je als politische Band verstanden werden. Es gibt so gut wie keinen Text, der nicht ins Sozialkritische hindriftet, der nicht Missstände anspricht und, wie am Ende von "Junges Deutschland" in der Zugabe, nicht deutlich Stellung bezieht: "Dass deutsche Waffen Menschen töten, find ich echt sch...", heißt es da. Danach folgt eine kurze R&B-Version der deutschen Nationalhymne Joseph Haydns. Ein Moment, der sitzt. Auf der gigantischen Diskokugel über der raumschiffartigen Science-Fiction-Bühne flimmern dann Statistiken, die den Krieg in Zahlen fassen und erklären. Eine Anklage, die Emotionen weckt.
Leichte Anlaufschwierigkeiten
Ja: Eine große Show bietet die Band. Anfangs gibt es zwar noch Anlaufschwierigkeiten. Bis zum Unplugged-Block, mit dem die Söhne an das "Wettsingen in Schwetzingen" anknüpfen, tauchen nicht nur einige Probleme mit dem Sound auf, der zu Beginn etwas mulmig und unrein daherkommt, sondern auch mit der Stimmung im Saal.
Es sind dann zunächst eher die intimen Minuten, die funktionieren und Atmosphäre schaffen, in denen man sich den Meistern auf der Bühne nah fühlen darf. Bei der Akustik-Version von "Und wenn ein Lied", am Flügel sensibel begleitet von Florian Sitzmann, singen Tausende sofort mit. Da ist auch Naidoo hin und weg, der ohnehin immer betont, es habe sich für sie, die Söhne, gelohnt, zu kommen - und gehen wir einmal davon aus, dass dieses Kompliment nicht nur kommerziell verstanden werden muss.
Es gibt andere Momente, da wirken die Söhne wie die Prediger Mannheims. Bei der Anheiznummer "Can You Feel It" verwandeln sie die Menge in ein rotes Meer von mit Servietten winkenden Jüngern, die den stets knapp am Kitsch vorbeischrammenden Bombast-Sound und die Schläge in die Magengrube gern hinnehmen und ihre Band feiern.
Der Sound, er wird besser und besser, obwohl ihm immer eine gewisse Schwerfälligkeit anhaftet, die wohl zwei Gründe hat: zum einen das überaus komplexe und sich stets neu erfindende Schlagzeugspiel Ralf Gustkes, der, eigentlich wie ein Jazzer, keinen Takt spielt wie den anderen, was eine große Informationsflut für das Ohr bedeutet. Zum anderen die ständige Überlagerung vieler klanglicher Komponenten, die gewollt ist, aber mit der großen Besetzung von zwei Keyboardern, zwei Gitarristen, zwei Schlagzeugern nebst sechs Sängern, Bass und Scratcher auch in der Natur der Sache liegt.
Diese Truppe, die fast postmodern Soul, R&B, Hip-Hop und Pop in ein massenkompatibles Amalgam verschmilzt, wirkt manchmal wie ein dunkler Geheimbund, der mehr vom Glück weiß als unsereins. Und doch wirken die Söhne Mannheims stets liebenswert, wie sie sich hin und wieder auf der Bühne fast im Weg herumstehen (weil sie so viele sind), wie sie Naidoo dann doch den Vortritt lassen (weil sie wissen, dass er den Groove hat und es absolut reißt).
Erfolgreiches Heimspiel
Wäre das Theater oder Oper, man müsste dem Regisseur mangelnde Personenführung vorwerfen. Aber genau diese Komponente einer sympathischen Unprofessionalität überzeugt live sogar die Söhne-Skeptiker. So bleibt am Ende nur ein Fazit: Beim Heimspiel der Söhne Mannheims in Mannheim fuhr die Mannschaft - um in der Fußballsprache zu bleiben - einen deutlichen Dreier ein.
Mannheimer Morgen
21. Oktober 2009