Sehr guter Artikel/Interview mit/über Esther Schweinz
will euch das nicht vorenthalten, einige sachen wusste ich garnicth
bitteschön:
Nach der Ohnmacht
Esther Schweins fühlte sich "weg fotografiert und leer gefragt". Heute ist sie nicht mehr nur schön und witzig. Sie ist vor allem stark
Von Stefanie Schneider
Eine starke Frau: Esther Schweins
Foto: pa/dpa
Etwas merkwürdig war er schon, dieser Clip. Eine nächtliche Autobahn, rasende Züge, und mittendrin, verloren, ein Paar. "Wo willst du hin?" hieß das Ganze, ein Abschied in den etwas jammernden Versen von Xavier Naidoo. Nur die Frau, die Naidoo da ansang, war besonders. Bis dahin kannte man sie nur im rosa Hasenkostüm, als leicht behämmerte Nonne Fresenia aus der RTL-Serie "Samstag Nacht" oder als Synchronstimme von grünlichen Trickfilm-Trollen. Esther Schweins. Was hatte Deutschlands beliebteste Komikerin in diesem Song des Predigers von Mannheim verloren? Ein PR-Gag? Kleiner Gefallen unter Freunden? Im Nachhinein, scheint es, schlich sich die Frage in ihr eigenes Leben ein: Wo will ich eigentlich hin?
Heute weiß Esther Schweins das ganz genau. Gerade dreht die Kreuzbergerin in ihrer Heimatstadt für Sat 1, im Admiralspalast laufen unter ihrer Regie "Die drei glorreichen Vier" und nebenbei bringt sie als Inhaberin zweier Saftläden ihre Weizengras-Drinks unters Volk. Es tut sich was in ihrem Leben. Das sieht man ihr an, wie sie vor einem sitzt, frisch, natürlich, mit diesen rosa Zehennägeln, die aus einem Paar teurer Pumps hervorlugen. Doch nie hätte sie geahnt, wie tief sie vorher fallen würde.
Kein Jahr nach dem Naidoo-Clip bricht sie zusammen. Weihachten 2002, auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, posiert sie als goldglänzende Pyramiden-Akrobatin bei "Stars in der Manege", der Fernseh-Gala des Zirkus Krone. Und fällt vor laufender Kamera in Ohnmacht. Nahezu im selben Moment kreisen die ersten Gerüchte. Schwangerschaft? Magersucht? Besonders letzteres wird von ihrer Managerin, vielleicht eine Spur zu heftig, in der Zeitung dementiert: "Sie hat noch nie eine Diät gemacht. Im Gegenteil, sie isst am liebsten Fastfood. Sülze zum Frühstück und anschließend becherweise Eiscreme."
Da liegt man also im Sägemehl. Hat eigentlich alles richtig gemacht. Ist fleißig und hübsch, vor allem witzig, da liegt man mit seinen 32 Jahren; am ganzen Körper vergoldet, und irgendwelche Leute reden von Sülze und Eis. Vielleicht war Esther Schweins auch einfach ein wenig müde geworden. Müde von den Blicken. Müde von den Witzen. Müde, schon die ersten Gluckser aus dem Zuschauerraum ertragen zu müssen, kaum dass sie Luft geholt hatte. Was, wenn man gerade keinen Witz erzählen will? Vielleicht hat man gerade Kopfschmerzen. Oder einen geliebten Menschen verloren. Man kann sich abwenden oder stumm stellen oder einfach sagen: "Ich habe einen Menschen verloren." Das Problem dabei ist: Die Zuschauer lachen trotzdem.
Wie auch sollten sie nicht? Sie wollen unterhalten werden und Esther Schweins ist die perfekte Entertainerin. Männer lieben ihre Modelfigur und die feuerrote Mähne. Frauen wiederum können ihr die Schönheit nicht verübeln, die klar vorhanden, aber nicht einschüchternd ist. Esther ist eine von ihnen, dieses kesse Mädel, das als Kellnerin, Garderobiere und Aushilfe im Foto-Laden gearbeitet hat. Sie weiß, wie ein Wohnberechtigungsschein aussieht. Hat sich als Kind von ihrer Oma den perfekten Rülpser beibringen lassen, im Regionalzug an der Loreley. Diese Frau kann einem nur gefallen, jedenfalls dem, der als Kind selbst gern gerülpst hat.
Aus Esther Schweins' Gabe zu gefallen ist irgendwann ein Bedürfnis geworden. Damals im Badischen, als sie noch brav die senfgelbe Rüschenbluse ihrer Mutter Lieselotte trug, war es der Wunsch, möglichst wenig aufzufallen. Später erstarkte er zur Sehnsucht nach Anerkennung. Und die bekam sie, schlagfertig und sexy, wie sie war. Sie ging zum Kabarett, an die eine oder andere kleine Bühne und schließlich zum Fernsehen. Und sie posierte als Model. Esther Schweins' alte Fotos zeigen nicht nur die kleinen stilistischen Aussetzer, die heute in jedem Familienalbum der frühen 90er Jahre kleben. Diese Bilder zeigen eine junge Frau, die um einen hohen Preis gefallen wollte. Ein Portrait im dekolletierten Latex-Anzug ist dabei, aber auch der eine oder andere Schnappschuss im Chiffonkleidchen, das im Spiel der Meereswellen an ihren Hüften klebt. Laut Umfragen war sie nun nicht nur die witzigste deutsche Fernseh-Frau, sondern auch die erotischste. Streben nach Aufmerksamkeit kann zur Sucht werden. Damals aber strebte sie wohl noch aus vollem Herzen.
Es gibt Menschen, die sich ihr Leben lang hinter einer nahezu exhibitionistischen Fröhlichkeit verstecken können. Esther Schweins gehört nicht dazu. Das Lachen der Bajazzos ist gefährlich, ihr Mutterwitz gerät zur Pflicht, ein echter Bajazzo ist oft zynisch oder traurig oder beides. Doch Esther Schweins ist für diese Einsamkeit nicht geschaffen. In einem Interview sagte sie damals, sie habe nur eine gewisse Kapazität an Äußerlichkeit, fühle sich oft weg fotografiert, leer gefragt und weg gefilmt. Doch die Menschen fotografierten, fragten, filmten weiter. Esther Schweins bekam Briefe, Blumen und Pralinen. Und die peinlichen 90er-Jahre-Polaroids, die jeder vernünftige Mensch hinterm Schuhregal versteckt, sind nun im Fall Ester Schweins auf alle Ewigkeit im Internet archiviert, garniert mit gut gemeinter, noch peinlicherer Fan-Lyrik, in denen Fremde einer Fremden ihr Leben zu Füßen legen. "Siehst Du meine Tränen auf den Boden prallen und meine Träume in Stücke zerfallen..." Nein, nicht von Xavier Naidoo. Es stammt von Verehrern, ganz normalen Menschen, denen Frau Schweins weit mehr ausgeliefert ist als andere Stars. Diese Menschen wollen sich entblößen. Und ziehen die Angebetete mit hinein. Sie dürfen es auch, weil Esther Schweins sich ihnen über lange Zeit ein Stück weit selbst ausgeliefert hat.
Hier hatte ihnen ein Comedy-Star die Hand gereicht, ein Glitzergeschöpf, das niemals traurig ist. Sie labten sich an dieser Schönen, die nun als Projektionsfläche für persönliche Sehnsüchte welcher Art auch immer herhalten muss. Sie hat schließlich selbst damit angefangen. Frau Schweins kennt die Verfasserin der obigen Prosa zum Beispiel mit Namen. Und wenn sich Frau Schweins die Haare tönt, kann sie dazu im Internet ihre Fans konsultieren. Lang und feurig rot? 62 Prozent der Fans geben ihren Segen. Auch mal schwarz? Vorsicht, nur 8,11 Prozent sind dafür. Immerhin 20 Prozent ihrer Anhänger gestehen Frau Schweins ein aschiges Kupferblond zu - ihre natürliche Haarfarbe.
Frau Schweins lässt sich also vielseitig frisieren. Was weniger Menschen sehen - oft am wenigsten die Fans - ist der harte Kampf, den sie schon mit dem eigenen Leben hat austragen müssen. Dazu gehören nicht nur die klassischen Karriere-Fallen, die Intrigen der Theaterleute, all jene Fernseh-Kerle mit schlechtem Namensgedächtnis, deren schmierige Witze sie parieren musste. Die Verbrennungen, Schnittverletzungen, Gehirnerschütterungen auf Reisen und auf Drehs, die Blinddarmgeschichten und zuletzt die große Ohnmacht gehören auch dazu. Das nette Mädchen hat immer gekämpft. Ihr Körper war dabei noch ein Nebenkriegsschauplatz.
Eine erste Ahnung von Konflikten bekommt sie als Schülerin. Sie steht als Lilith in "Faust" in Karlsruhe auf der Bühne und auch ihr Vater ist da, der in liebevoller Sorge oft unangekündigt in ihre Premieren schleicht. Was auch die Tochter weiß, die mit Blicken nach ihm forscht. Sie weiß, diesmal droht es besonders schlimm zu werden. Sie muss sich die Nonnenkutte herunterreißen. Sich um Faustens Hüfte winden. Schließlich steht das Mädchen Esther Schweins in Strapsen auf der Bühne - und sieht aus den Augenwinkeln ihren Vater den Saal verlassen. Walter Schweins, Teppichhändler aus Viernheim, soll sich nur knapp geäußert haben. Das Mädchen, das doch allen so gern gefallen wollte - was die Anerkennung ihres Vaters anging, lebte sie erst mal auf Pump.
Das Leben dieser sexy Ulknudel hat ein unsichtbares, nicht öffentliches Drehbuch. Der familiäre Straps-Skandal war nur ein Vorgeschmack. Später kamen die Männer, der Zirkus-Kollaps und dann - der Tsunami. Beim Weihnachtsurlaub wird sie auf Sri Lanka von der Welle erfasst. Dieses Mal fällt sie nicht in Ohnmacht. Sie darf nicht in Ohnmacht fallen, ihre 66-jährige Mutter ist auch noch da; sie hat sie verloren, muss sie finden. Ihre Mutter ist von der Flut 200 Meter mitgerissen worden und erleidet einen Herzinfarkt. Es muss eine merkwürdige Stille gewesen sein, nach der Flut. Plötzlich zählen nur sie beide. Und kein Mensch interessiert sich mehr für Haarfarben und Sülze zum Frühstück. Spätestens in diesem Moment hat Esther Schweins wohl etwas Wichtiges über ihr Leben begriffen.
Gegenüber am Tisch sitzt ein schlagfertiges Mädel. Und gleichzeitig eine sensible Frau. Die 36-Jährige hat feine Züge und einen Prinzessinnenhals, der aus einer Chiffonbluse ragt. Sie beantwortet jede Frage. Nur manchmal, unmerklich fast, windet sie sich ein wenig. Fasst sich an die Nase. Klammert sich an ihre Marlboro. Esther Schweins spricht leise, zeigt ein wenig von der nachdenklichen Seite des Clowns. Doch sie redet nicht gern darüber. Eine Krise, sagt sie, habe sie nicht durchlebt. Veränderungen vielleicht. Einige Filme hat sie seit dem Tsunami gedreht, kein Vergleich zu den komischen Serienzeiten. Schon vorher hatte sie begonnen, ihr Repertoire zu erweitern. Die gelernte Theaterschauspielerin zeigt sich als Ritualmörderin und kämpferische Mutter, als Bankerin und Kneipiers-Weib. Als Regisseurin brachte sie "Caveman" auf die Bühne und im Fernsehen macht sie jetzt viel Kluges, etwa die Moderation beim Theaterkanal des ZDF, "Das Nachtasyl" auf Arte und auch mal was Leichtes wie "Adel verzichtet", ihren aktuellen Dreh in Potsdam und Berlin.
Vielleicht hat es ihr geholfen, dass sie für die Flutopfer auf Sri Lanka eine Mutterrolle übernehmen konnte. Bisher ist sie jedes Jahr an den Ort des Geschehens zurückgekehrt, kauft Fischernetze und Nähmaschinen. Esther Schweins hat das eigene Leben wieder in die Hand genommen. Das geht leichter, wenn man es gleichzeitig auch für andere tut. Was aus ihr in 20 Jahren wird? "Wenn ich in den letzten beiden Jahren eines gelernt habe, ist es, dass ich am allerbesten im Hier und Jetzt leben kann."
Aus der Berliner Morgenpost vom 8. Oktober 2006
Quelle: http://www.morgenpost.de/content/2006/10/08/biz/858426.html
btw: ich find das sie eine ganz ganz tolle Frau ist!!!!!!