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Neues Graduiertenkolleg zu Südosteuropa an der Universität Jena (06.09.06)

Neues Graduiertenkolleg zu Südosteuropa an der Universität Jena (06.09.06)

Veröffentlicht von: Axel Burchardt
Friedrich-Schiller-Universität Jena

Das politische Europa wird immer größer und wächst scheinbar ungehindert zusammen.
Andererseits gibt es Regionen, in denen das Verhältnis zu diesem Staatenverbund traditionell zwiespältig ist.
Der Balkan ist eines dieser Gebiete, wo die kulturelle Spannung zwischen Annäherung an Europa und Verharren in Traditionen immer wieder deutlich wird.

Mit diesem Spannungsverhältnis Südosteuropas zwischen der Annäherung an Europa und dem Fortwirken traditioneller Eigenständigkeiten beschäftigt sich ein neues Graduiertenkolleg an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, das gerade bewilligt worden ist.

Das interdisziplinäre Forschungsvorhaben "Kulturelle Orientierungen und gesellschaftliche Ordnungsstrukturen in Südosteuropa" wird ab Oktober in den folgenden 4,5 Jahren mit 1,25 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Damit können Stipendien für zwölf Doktoranden
und einen Post-Doktoranden an der Jenaer Universität finanziert werden,
die durch das neue Graduiertenkolleg ihre traditionell guten Beziehungen zum Balkan und den Jenaer Studiengang "Südosteuropastudien" weiter stärkt.
Die Stipendiaten, die zu etwa einem Drittel aus den südosteuropäischen Ländern kommen sollen, können bei ihren Forschungen auf ein Netzwerk von Experten aus ganz Europa zugreifen.

Historiker, Slawisten, Soziologen, Sprach-, Literatur-, Religions- und Politikwissenschaftler werden untersuchen, wie sich die Gesellschaften auf dem Balkan seit der Lösung aus dem Osmanischen Reich um den Beginn des 19. Jahrhunderts den kulturellen Prägungen Westeuropas angepasst oder verweigert haben.
Betrachtet werden dabei die durch die Ostkirche geprägten Staaten, also jene Länder mit einem stark orthodoxen oder auch islamischem religiösen Einfluss. Dabei setzen die Jenaer Wissenschaftler, die durch Kollegen von der Uni Erfurt und der FH für Polizei Sachsen unterstützt werden, auf drei Schwerpunkte, die permanent nationale und disziplinäre Sichtweisen überwinden sollen.

Analysiert werden die kulturellen Grundlagen und das kulturelle Selbstverständnis sowohl der einzelnen Menschen als auch der politischen Gebilde.
"Im Mittelpunkt steht die Frage: Was macht den Kern der eigenen Kultur aus und wie prägt dies das eigene Handeln?", erläutert Prof. Dr. Joachim von Puttkamer.
Der Osteuropa-Historiker von der Universität Jena ist Sprecher des neuen Graduiertenkollegs.

Ein zweiter Forschungskomplex beschäftigt sich mit der Übernahme von Institutionen aus Westeuropa in den Balkanstaaten.
Wie und welche Behörden- und Polizeistrukturen wurden adaptiert, wird beispielsweise analysiert. "Wie wurde der Modernisierungsprozess in den letzten 200 Jahren geprägt?", nennt Prof. von Puttkamer die Dachfrage, deren Beantwortung auch für die aktuelle politische Debatte große Bedeutung hat.
Denn vor dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union hat die EU-Kommission als Haupthindernis festgestellt, dass es in den Ländern eine undurchsichtig arbeitende Justiz, Korruption und eine mangelhafte Verwaltung gebe - die Institutionen also nicht die europäischen Standards erfüllten.

Die Konflikte in Südosteuropa innerhalb der einzelnen Länder und zwischen ihnen bilden den dritten Forschungsschwerpunkt des neuen Kollegs. "Nicht der Konflikt steht im Mittelpunkt", betont der Osteuropa-Historiker, sondern die Lösungsmodelle solcher Konflikte in der jeweiligen kulturellen Prägung.

Die erwarteten Ergebnisse, die bereits auf profunden Jenaer Forschungen aufbauen können, sollen "einen neuen Blick für die Region als Ganzes vermitteln", erhofft sich von Puttkamer vom neuen geisteswissenschaftlichen Großprojekt der Jenaer Universität.

Kontakt:
Prof. Dr. Joachim von Puttkamer
Historisches Institut der Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944461
Fax: 03641 / 944462
E-Mail: Joachim.Puttkamer[at]uni-jena.de

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
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