Wie die Kübelstiftung im Kosovo wirkt
Erfahrungsbericht: Zeit zur Versöhnung scheint nicht reif, doch es gibt Hoffnung Deutsches Projekt baut auf die Jugend
BENSHEIM. Die Ruinen und die verzweifelten Menschen der unmittelbaren Nachkriegstage im Winter 2000, in denen die Mitarbeiter der Karl-Kübel-Stiftung für Kind und Familie das Kosovo zum ersten Mal besuchten, sind Vergangenheit. Überall wird gebaut, werden neue Läden eröffnet, Straßen repariert. In vielen Orten werden sogar kleine Ferienanlagen und Schwimmbäder errichtet. Alles sieht nach Aufschwung und Aufbruch aus.
Jetzt, in den Sommerferien, haben sich offensichtlich viele in Deutschland lebende Kosovaren aufgemacht, um ihre Familien daheim zu besuchen. Fahrzeuge mit deutschen Kennzeichen sind allerorts zu sehen. Darin liegt wohl ein Geheimnis für die Aktivitäten der bescheidene Aufschwung wird durch die Unterstützung von im Ausland arbeitenden Familienmitgliedern möglich.
Verloren hängt ein Turnschuh vor der mit Stacheldraht und Wachtposten umgebenen Ruine der serbisch-orthodoxen Kirche im Zentrum der südkosovarischen Stadt Prizren, dem Standort der dortigen deutschen KFOR-Truppen. Inmitten pulsierender Straßencafés und flanierender Jugendlicher drehen weiterhin die schwer bewaffneten Militärpatrouillen ihre Runden.
Während sich auf der diplomatischen Bühne wie bei den Verhandlungen zwischen Vertretern der Albaner und Serbiens in Wien noch immer tiefe Gegensätze auftun, gibt es hoffnungsvolle Signale bei der Annäherung der Volksgruppen: Die Kübelstiftung mit Sitz in Bensheim hat zusammen mit der Bundesregierung und der Hilfsorganisation Care das Programm Erziehung zu Frieden und Toleranz auf zwölf weitere Schulen mit 7300 Kindern in der Region Prizren ausgeweitet. In den kommenden zwei Jahren werden nach Angaben der Stiftung 780 000 Euro in das völkerverbindende Programm investiert, das zu 75 Prozent aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und zu je 12,5 Prozent von Carev und Kübelstiftung finanziert wird.
Ralf Tepel ist zusammen mit seiner Mitarbeiterin Monika Gerz von einer Reise in das Kosovo zurückgekehrt. Unmittelbar nach dem Ende des Kosovo-Krieges wurde damit begonnen, sich zunächst den traumatisierte Kindern, deren Eltern und Lehrern zuzuwenden. Ziel ist es, ethnische Konflikte abzubauen und zur Förderung von Demokratie und zur Friedenssicherung im Kosovo beizutragen. Bis Ende 2005 wurden nach Angaben von Tepel 11 000 Schüler und 600 Lehrer an 25 Schulstandorten in der Region Prizren erreicht.
Besonderes Augenmerk gilt der Wiedereingliederung von Flüchtlingskindern: Sie kommen in ein Land, das nicht mehr ihre Heimat ist. In anderen Kulturen aufgewachsen, in anderen Ländern zur Schule gegangen, finden sie sich zunächst nur schwer zurecht. Eine große Hilfe seien die Lehrer, die selbst die Erfahrung der Flucht nach Deutschland und der Rückkehr in die Heimat gemacht hätten. Sie werden zu Multiplikatoren ausgebildet, sollen anderen Lehrern das Rüstzeug geben, um mit derartigen Herausforderungen zurecht zu kommen, so Tepel.
Das Engagement der Pädagogen sei um so höher zu bewerten, da sie mit einem Monatsgehalt von 181 Euro selbst den Existenzdruck spürten.
Ein weiterer Schwerpunkt, den sich die Kübelstiftung im Kosovo gesetzt hat, ist die Schulung und Förderung so genannter Jugendpromotoren. Dabei handelt es sich um besonders motivierte Jugendliche, die in den Bereichen Menschenrechte, Kinderrechte, Suchtprävention und gewaltfreie Konfliktbewältigung ausgebildet werden. Mit einer finanziellen Zuwendung maximal 250 Euro pro Gruppe und Schule wurden Schulräume angestrichen, Buchbestände von Bibliotheken vergrößert oder Sport- und Außenanlagen verbessert. Wenn das Geld nicht reichte, gingen die Jugendlichen mit der Sammelbüchse durchs Dorf und zu Geschäften.
Ein Aspekt, der im Rahmen der Jugendaktion der Stiftung verfolgt wird, ist der Austausch von Erfahrungen und Lehrmethoden zwischen dem Projekt und Schulen im Kosovo und der schulischen Arbeit an der Bergstraße. So stellte die Stiftungsmitarbeiterin Monika Gerz den Jugendlichen in der Schule von Gelance die Ergebnisse der Inseln des Friedens vor. Bergsträßer Schüler haben sich in den vergangenen beiden Jahren, unterstützt durch die Jugendaktion der Stiftung, mit Menschenrechts-Themen beschäftigt.
Dass der Friedensprozess weiterhin auf tönernen Füßen steht, haben die blutigen Ausschreitungen im März 2004 und die zähen diplomatischen Verhandlungen bewiesen. Auch Rückführungsversuche von Serben in ihre angestammten Dörfer führten zu aufkeimender Gewalt und Widerständen. In einigen Gebieten scheint die Zeit für Versöhnung und ein friedliches Miteinander noch nicht reif. Doch die Signale besonders bei den Jugendlichen zeigten dem Stiftungsmitarbeiter deutlich, dass es möglich ist, die Basis für ein neues Kosovo zu schaffen. Ein Lehrer formulierte es so: Wir haben eine gute Jugend!
5.8.2006
Kalofsh mirë,
Lule