"open Source Projekt" Windows !
Verhaltene Reaktionen auf Microsofts neue Offenheit
Über Yahoo wollte Steve Ballmer heute nicht sprechen. Trotzdem
sollte es eine wichtige Ankündigung geben. Mit einer kleinen, den
vielen auf Zuschaltung zur Telefonkonferenz wartenden
Journalisten geschuldeten Verspätung, eröffnete der Microsoft-CEO
die Presserunde und kündigte "weitreichende Veränderungen" an,
die die Offenheit der Microsoft-Produkte weiter vorantreiben
sollen. Dabei fielen auch die Worte "Open Source" und "
Unterstützung". Für den Redmonder Riesen ist das eine durchaus
erstaunliche Bewegung.
Microsofts neue Offenheit gründet sich auf vier selbst gegebene
Prinzipien: Offene Schnittstellen, Unterstützung von Standards,
Portabilität von Daten, und schließlich bessere Zusammenarbeit
mit Dritten. Zu letzterem zählt Microsoft die "Open Source
Interoperability Initiative". Die soll ein besseres Zusammenspiel
der Microsoft-Produkte mit Open-Source-Software vorantreiben.
Dafür will Redmond ein Angebot an die Entwicklerszene machen; mit
Einrichtungen, Veranstaltungen und Materialien will Microsoft den
gegenseitigen Austausch beflügeln. Das könne auch auf
Technologien ausgedehnt werden, die zunächst nicht unter die neue
Offenheit fallen.
Die nun angekündigte Offenlegung der Schnittstellen dürfte auch
in Brüssel beobachtet werden. Die EU-Kommission hatte dem
Softwareriesen nach einem Aufsehen erregenden Verfahren ein
saftiges Bußgeld aufgebrummt und ihn zur Offenlegung der
Schnittstellen seiner Server-Produkte verdonnert. Ein
entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs erster
Instanz hatte Microsoft im Oktober 2007 akzeptiert und
angekündigt, die Forderungen der EU-Wettbewerbshüter zu erfüllen.
Microsofts Justiziar Brad Smith machte in der Telefonkonferenz
klar, dass sein Unternehmen mit dem angekündigten
Strategiewechsel auch einen Schlussstrich unter die
Wettbewerbsverfahren in der EU ziehen möchte: "Wir sind jetzt auf
die Antwort aus Brüssel sehr gespannt".
Auf die musste er nicht lange warten. Die EU-Kommission gibt sich
abwartend und will die Ankündigung auch im Hinblick auf die noch
laufenden Missbrauchsverfahren gegen den Softwaregiganten prüfen.
Die Kommission wies in einer Stellungnahme allerdings darauf hin,
dass es in der Vergangenheit bereits mindestens vier
Ankündigungen des Konzerns zur Offenlegung von
Schnittstelleninformationen gegeben. Zudem würde Microsofts
Erklärung eine weitere Beschwerde gegen die Verknüpfung von
eigenen Softwareprodukten mit dem Betriebssystem nicht berühren.
Opera war in Brüssel gegen die Einbindung des Internet Explorers
in Windows vorgegangen.
Seit Januar geht Brüssel unter anderem einer Beschwerde des
European Committee for Interoperable Systems (ECIS) nach. Die
Branchen-Arbeitsgruppe wirft Microsoft vor, trotz eindeutiger
Rechtsprechung wesentliche Informationen für die
Interoperabilität von Microsoft-Software mit Produkten von
Drittanbietern immer noch zurückzuhalten. Auch der ECIS, dem
unter anderen Opera, RealNetworks und Sun Microsystems angehören,
wartet mit einer Bewertung ab. Es sei zu früh zu sagen, ob die
angekündigten Maßnahmen tatsächlich einen Strategiewechsel von
Microsoft bedeuten und dazu führen, dass die EU-Wettbewerbsregeln
künftig eingehalten werden.
Heute erklärte der Konzern nun, dass er die APIs und Protokolle
einer ganzen Reihe von Produkten offen legen will und
veröffentlichte schon mal einen Schwung Material - rund 30.000
Seiten. Bei den von der Öffnung eventuell betroffenen Patenten
folgt Redmond eine Doppelstrategie. Nicht-kommerzielle Open-
Source-Produkte können mit den patentierten Verfahren entwickelt
und verbreitet werden. Für kommerzielle Nutzung bietet Microsoft
ein "faires und nicht-diskriminierendes" (RAND) Lizenzverfahren
mit "niedrigen Gebühren" an. Patentgeschütze Protokolle werden
entsprechend ausgewiesen.
Darüber hinaus sollen Microsoft-Produkte verstärkt internationale
Standards unterstützen. Der Hersteller will dazu auch mit anderen
Anbietern zusammenarbeiten, um eine möglichst breite
Interoperabilität sicherzustellen. Zusätzlich will Redmond die
Übertragung von Daten in und aus anderen Anwendungen erleichtern.
Dazu gehört die Unterstützung von standardisierten Daten- und
Dokumentformaten. Für den Verbraucher essenzielle Datenformate
sollen entweder zum Standard entwickelt oder offengelegt werden.
Auf das umstrittene Format OOXML angesprochen erklärte Ballmer,
dass Microsoft den "Standardisierungsprozess für OOXML zusammen
mit einer Reihe von Branchenteilnehmern weiter verfolgen" werde.
Microsoft begibt sich damit auf neues Terrain. Aber Ballmer will
die Initiative nicht alleine als Reaktion auf die Brüsseler
Verfahren verstanden wissen. "Wir machen diesen Schritt aus
eigenem Antrieb", sagte er. Der CEO verspricht sich von der neuen
Offenheit auch neue Chancen, erwähnte aber auch neue Risiken.
Dennoch ist er zuversichtlich, dass dieser Schritt "auf lange
Sicht auch gut für unsere Aktionäre ist".
(vbr/c't)
Acta, non verba !