über Rosicky
Ohne Grenzen
Auf Rosický ruhen die Hoffnungen
Freitag, 2. Juni 2006
Von Ladislav Josef
Aus Prag
Als Tomá Rosický während des Freundschaftsspiels der Tschechischen Republik gegen Saudi-Arabien in der vergangenen Woche verletzt vom Feld humpelte, mussten die Fans das Schlimmste befürchten. Auch wenn Pavel Nedvěd rechtzeitig zur FIFA-Weltmeisterschaft den Rücktritt vom Rücktritt erklärt und Jan Koller seine Verletzung auskuriert hatte, wäre ein möglicher Ausfall von Rosický ein schwerer Schlag für die Hoffnungen der Tschechen gewesen. Dementsprechend groß war die Erleichterung darüber, dass sich die Oberschenkelblessur des Mittelfeldspielers als nicht so gravierend herausstellte.
Ich bewunderte ihn dafür, dass er trotz dieser Probleme spielen wollteKarel Brückner
Held in der Qualifikation
Der 25-Jährige war maßgeblich daran beteiligt, dass die Tschechen in einer harten Qualifikationsgruppe das Ticket für die WM lösen konnten. Er bereitete zahlreiche Chancen für seine Mannschaft vor und erzielte sieben Treffer selbst. Nur Koller hat mehr Tore geschossen. Rosický aber war es, der das entscheidende Tor im Play-off-Rückspiel gegen Norwegen erzielte - und das trotz einer Oberschenkelverletzung. "Ich bewunderte ihn dafür, dass er trotz dieser Probleme spielen wollte. Mit dem Siegtor hat er seine Leistung gekrönt. Das spricht für ihn", sagte der tschechische Trainer Karel Brückner.
Wunderkind
Rosický ist der mit Abstand talentierteste Spieler seines Landes im vergangenen Jahrzehnt. Nach nur einem Jahr in der ersten tschechischen Liga beim AC Sparta Praha, feierte er sein Länderspieldebüt im Februar 2000 gegen die Republik Irland. Zehn Monate später wurde das 21-jährige Wunderkind als jüngster Akteur in der Geschichte zum besten Spieler in der Tschechischen Republik gewählt. Der Erfolg ist ihm vielleicht schon in die Wiege gelegt worden. Sein Vater und sein älterer Bruder Jirí spielten schon für Sparta. Letzterer war später auch für Club Atlético de Madrid und den österreichischen Klub SW Bregenz aktiv, ehe er seine Karriere wegen einer Verletzung beenden musste.
Wenger beeindruckt
Als er mit 17 zu Sparta ging, wurde Tomá nicht zugetraut, aus den Fußstapfen seiner Verwandten zu treten. Während seine Mitspieler im Trainingslager die schweren Hanteln stemmten, konnte der schmächtige Rosický nur die leichteren Geräte bewältigen. Doch auf dem Feld sah das anders aus. Der Youngster stellte seine älteren Teamkollegen in Sachen Ballbehandlung und Spielverständnis in den Schatten. Dies gab ihm sehr viel Selbstvertrauen. Bereits kurz nach seinem 20. Geburtstag erzielte er in der UEFA Champions League gegen Arsenal FC in Highbury im Oktober 2000 nach feinem Solo ein sehenswertes Tor. Arsenal gewann mit 4:2, doch Trainer Arséne Wenger war von diesem jungen Tschechen beeindruckt und beobachtete ihn fortan.
"Kleiner Mozart"
Es dauerte aber bis nach dem diesjährigen Champions League-Finale, ehe Arsenal bereit war, für den Mittelfeldspieler eine geschätzte Ablöse von zehn Millionen Euro zu zahlen. Stattdessen führte Rosický sein erster Wechsel ins Ausland zu BV Borussia Dortmund, die für ihn die Bundesliga-Rekordsumme von 13,3 Millionen Euro hinblätterten. Trainer Matthias Sammer gab Rosický die nötige Freiheit im Mittelfeld. Die Fans in Dortmund waren sofort begeistert und nannten ihren neuen Helden den "kleinen Mozart". Nach zwei tschechischen Meisterschaften mit Sparta gewann er in seiner ersten kompletten Saison auch den Bundesliga-Titel. In dieser Spielzeit stand er mit dem BVB auch im UEFA-Pokal-Finale.
Idol
Die letzten Jahre standen allerdings unter keinem guten Stern mehr. Denn Dortmund verschuldete sich wegen hoher Spielerausgaben gewaltig und konnte auch sportlich sowohl in der Bundesliga als auch im Europapokal nicht mehr mithalten. Für Rosický verlangten die Dortmunder überhöhte Ablösesummen. Während seine Popularität in Dortmund sank, lief er in der tschechischen Nationalmannschaft zur Höchstform auf. Bei der UEFA EURO 2004 erreichte er mit den Tschechen das Halbfinale, anschließend qualifizierten sie sich für die WM. Unter seinen Landsleuten ist er nach wie vor ein Idol. Sie bewundern seine Bescheidenheit und sein kindliches Lächeln. Außerdem verfolgten sie mit großer Anteilnahme seine Liebesgeschichte mit einer TV-Wetterfee. Nun gönnen sie ihm den Wechsel zu Arsenal. Denn sie glauben, dass er in einem so großartigen Team seine Leistung nur verbessern kann.
Ins Achtelfinale zu kommen, wäre schon ein ErfolgTomá Rosický
Kommender Führungsspieler
Die Hoffnungen der Tschechen bei der WM ruhen vor allem auf Rosický. In Deutschland treffen sie auf die Vereinigten Staaten, Ghana und Italien. Da Nedvěd, Koller, Karel Poborský und Tomá Galásek nach der WM-Endrunde ihre internationalen Karrieren wohl beenden werden, wird Rosický dann zum Führungsspieler gereift sein, auch wenn er bei der WM 2010 in Südafrika erst 29 Jahre alt ist. Zunächst aber kehrt Rosický, dessen Oberschenkelverletzung langsam abklingt, nach Deutschland zurück. Sollten die Tschechen in ihrer Gruppe Zweiter werden, würde Rosický sogar noch einmal in seiner bisherigen Heimat Dortmund spielen. "Wir müssen in Deutschland bescheiden auftreten", sagte Rosický, der nicht für großspurige Äußerungen bekannt ist. "Wir sind noch nicht hundertprozentig vorbereitet, weil wir immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurden. Ins Achtelfinale zu kommen, wäre schon ein Erfolg." Geht es nach seinen Mitspielern, könnte Rosický zum Star der WM werden. "Darüber", so Rosický, "möchte ich nicht reden. Lassen Sie mich erstmal spielen. Dann sehen wir weiter."
©uefa.com 1998-2006. Alle Rechte vorbehalten.
~Das Leben ist wie ein Schnauzbart. Es kann schön oder schrecklich sein. Aber es kitzelt immer.~
(Nora Roberts)