Der Dank gehört dem Erich Fried. Ich bin sehr froh, mal im "Palast der Republik" eine Lesung von ihm erlebt zu haben. ich mag Gedichte sehr, aber seine sind unvergleichlich. So tiefe Gefühle in so klaren Worten.... die Eleganz der Einfachheit, die Schönheit der Ehrlichkeit. Für Gedichte anderer Lyriker mach ich dann mal andere threads auf. liebe Grüße Zwilli
Re: Eines meiner liebsten Gedichte
LETZTER GUTER RAT
Hinter der Hecke sitzen sie Leben und Tod Beide rufen mich beide wollen mir raten
Hinter der Hecke höre ich ihre Stimmen Durch die Hecke darf ich nicht durch darf sie nicht sehen
"Hör auf dein Unglück zu lieben und liebe dein Glück! Noch heut! Du hast nicht mehr viel Zeit" ruft die eine Stimme
Die andere sagt: "Behalte lieb was du liebhast Auch sein Unglück lieben kann Glück sein und die Liebe wechseln bringt Unglück"
Dann sagen sie beide: "Geh!" und ich gehe und weiß eine davon ist mein Tod und eine mein Leben
Gedicht von Erich Fried (von wem sonst?)
Re: Eines meiner liebsten Gedichte
da kommt ja eine gänsehaut nach der nächsten. liebe grüße luna
Re: Eines meiner liebsten Gedichte
Peters trauriger Beitrag im Jenseitstread hat mich an dieses Gedicht von Erich Fried erinnern lassen, vieleicht hilft Dir es auch, zu lesen, das der Fried für solche Empfindungen gute, treffende Worte gefunden hat
Traurigsein
Traurigsein heißt nicht gut ausatmen können und nicht spüren wie etwas schmeckt außer Traurigsein
Traurigsein heißt vielleicht mehr bemerken von dem was traurig ist als vor dem Traurigsein
Traurigsein heißt nicht Traurigseinwollen und nicht Unglücklichseinwollen und auch nicht Glücklichseinwollen
Traurigsein heißt überhaupt nichts wollen und auch nichts nichtwollen Es heißt nur Traurigsein
Re: Eines meiner liebsten Gedichte
Aber
Zuerst habe ich mich verliebt in den Glanz deiner Augen in dein Lachen in deine Lebensfreude
Jetzt liebe ich auch dein Weinen und deine Lebensangst und die Hilflosigkeit in deinen Augen
Aber gegen die Angst will ich dir helfen denn meine Lebensfreude ist noch immer der Glanz deiner Augen
Erich Fried
Re: Eines meiner liebsten Gedichte
Futurum exactum
Die letzte Zeit die ich lernte als Kind war die Vorzukunft
Ich weiß noch ich verstand nicht wieso hieß sie Zukunft
Sogar die Vorvergangenheit klang nicht halb so vergangen
Die Vorzukunft hörte sich immer passiv an auch die Tätigkeitsform wie eine Form des Erleidens
Ich hatte Angst vor ihr denn ich konnte sie nicht verstehen Ich sagte sie mir vor um mich an sie zu gewöhnen
Ich sagte laut ohne mich sicher zu fühlen Ich werde gelebt haben Ich werde gegangen sein.